"Keiner kümmert sich": Drogenkonsum in Münchens Schulen wird zum großen Problem

Eine Schulleitung in München warnt Eltern vor Dealern, auch eine Beratungsstelle ist alarmiert: Seit Corona greifen Jugendliche mehr zum Joint oder Kokain. Doch das Schulreferat weiß von nichts.
von  Christina Hertel
Münchner Jugendliche konsumieren immer mehr Drogen. Die Ursache dafür liegt in der Pandemie (Symbolfoto).
Münchner Jugendliche konsumieren immer mehr Drogen. Die Ursache dafür liegt in der Pandemie (Symbolfoto). © imago/Geisser

München - Zuerst seien es Gerüchte gewesen, die sich schließlich zu Hinweisen verdichteten: Schüler und andere Personen würden auf dem Gymnasium Drogen verkaufen. Hauptsächlich in der 10. Klasse, doch auch jüngeren Schülern würden Drogen angeboten.

"Ferner müssen wir davon ausgehen, dass Gewaltdrohungen im Raum stehen, falls Mitschüler ihren Lehrern oder der Schulleitung davon erzählen." Das alles schreibt die Schulleitung eines Münchner Gymnasiums kurz vor den Sommerferien an die Eltern. In dem Brief fordert die Schule die Eltern auf, mit den Kindern zu sprechen und bittet um Hinweise.

Stadtrat Progl: Die Probleme mit Drogen in München werden vertuscht

Stadtrat Richard Progl von der Bayernpartei hat der Brief erschreckt. "Die Schule muss für unsere Kinder ein sicherer Ort sein, in dem sie unbelastet lernen und aufwachsen können", sagt er.

Progl fordert nun Konsequenzen: Das Schulamt, aber auch die Polizei müssten an der Schule Präsenz zeigen. "Aber keiner kümmert sich." Die Probleme würden nur vertuscht. Durch eine Anfrage ans Schulreferat erhofft sich Progl nun mehr Klarheit.

Das Münchner Schulreferat sagt: Prüfen geht erst nach den Ferien

Das Schulreferat gibt auf eine Anfrage der AZ hin Entwarnung: Bisher hätten die Schulleitungen keine akuten Drogenproblematiken gemeldet. Allerdings: Das Schreiben, das das Gymnasium verschickte, sei dem Referat nicht bekannt.

Eine genauere Abfrage könne auch erst nach den Ferien erfolgen. Auch die Münchner Polizei spricht davon, dass sie nur vereinzelt wegen Drogen an Schulen gerufen würde.

Münchner Experte: Der Drogenkonsum ist seit Corona bei Jugendlichen stark gestiegen

Alles bestens also? Frederik Kronthaler, der Vorstand von Condrobs, einer Organisation für Suchthilfe, sieht das anders. Er stellt fest, dass der Drogenkonsum unter Jugendlichen seit Corona stark gestiegen ist. So stark, dass seine Suchtberater und Sozialpädagogen mit der Arbeit kaum mehr hinterherkommen würden.

Condrobs bietet zum Beispiel Schulen und Eltern Hilfe, wenn sie feststellen, dass ihr Kind Drogen konsumiert. Früher hätten Familien etwa vier Wochen auf einen Platz in dem Programm gewartet. Jetzt seien es drei bis fünf Monate, sagt Jugendpsychotherapeut Kronthaler. Und das sei viel zu lange. Alleine für dieses eine Programm bräuchte Condrobs doppelt so viele Mitarbeiter – nämlich zehn statt fünf. Finanzieren müsste das die Stadt.

Jugendliche konsumieren Drogen, weil sie überfordert sind

Dafür, dass sich die Situation so verschärfte, hat Kronthaler eine Erklärung: Während Corona verpassten Jugendliche zu lernen. Er meint nicht den Schulstoff, sondern, wie sie mit sozialen Kontakten, mit sich selbst und ihrem Körper umgehen sollen. "Jetzt entsteht eine Überforderung", meint er.

Wenn die Münchner Polizei "Konsumdelikte", wie es in der Behördensprache heißt, feststellt, geht es in 75 Prozent der Fälle um Cannabis. Kronthaler weiß aber, dass immer mehr Münchner Jugendliche auch Heroin und Kokain konsumieren. An solchen Stoff seien Jugendliche schon immer rangekommen. "Es gibt nicht mehr Dealer, aber eine größere Neigung zu konsumieren", glaubt er.

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