Keine harten Drinks nach Mitternacht
Immer öfter spielt Alkohol bei Straftaten eine Rolle, der Münchner Polizeichef will deshalb jetzt die Notbremse ziehen
München - Wilhelm Schmidbauer tastete sich in seinem Jahresbericht erst ganz nüchtern an die Sperrzeitenregelung in München heran. Da lästerte der Münchner Polizeipräsident gestern im Stadtrat in seinem trockenen Humor: Mit der Daueröffnung der Kneipen, Bars und Diskotheken „will München wohl wie New York sein“.
Dann fragte er harmlos, ob es „zwingend zu einer Millionenstadt gehört“, sich nachts mit hartem Alkohol zudröhnen zu dürfen? Dann der Schuss: Er fordert ein generelles „Verkaufsverbot von harten Alkoholika von Mitternacht bis zum Morgengrauen“. Dann dürfe in keiner Tankstelle, in keiner Disco und in keiner Kneipe mehr Schnaps verkauft werden.
Für den Polizeipräsidenten ist das keine Schnapsidee. Da geht es nicht nur um Komasaufen. „Das würde nachts die Kriminalität und die Gewaltdelikte senken.“ Die Statistiken der Münchner Polizei belegen: Nachts nehmen die Straftaten unter Alkoholeinfluss zu. Schmidbauer sagt: „Das Hauptproblem sind die harten Alkoholika. Wodka und Wodka-Mischgetränke, die machen aggressiv.“
Deswegen will er nicht nur das Schnapsverbot nach Mitternacht, sondern auch längere Sperrzeiten, damit die Kneipen, Bars und Discotheken in München wieder früher schließen. „Aus unserer Sicht ist das sinnvoll“, meint der Polizeipräsident: „Es ist mir entschieden zu wenig, nur an die Selbstverantwortung zu appellieren.“ An die der Trinker wie an die der Schnapsverkäufer. Hier sei die Politik gefordert: „Ich mahne gesellschaftliche Konsequenzen an.“
Die Politiker müssten den „harten Alkohol ächten“, wie sie es schon mit dem Tabak beim Rauchverbot gemacht hätten. Schmidbauer verlangte „mehr Respekt vor der körperlichen Unversehrtheit der Mitbürger“. Denn die Gewaltdelikte von Betrunkenen nähmen drastisch zu. „Ich gebe zu, dass ich mit meinen Thesen provozieren will“, räumt der Polizeipräsident ein: „Aber ich will ein Problembewusstsein schaffen, und wir müssen uns um diese Phänome kümmern.“
Im Stadtrat kam Schmidbauer mit seiner Forderung nicht gut an. KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle war perplex: Ein solches Alkoholverbot sei nicht kontrollierbar. „Ich halte es für falsch, allen Leuten etwas wegzunehmen, nur damit ein paar Wenige nicht stören“, so FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann. Das würde nur das „Vorglühen“ verstärken: „Die Partygänger sind ja nicht doof.“
Für Siegfried Benker (Grüne) geht der Vorstoß „an der Realität vorbei“: Die Jugendlichen gingen später aus. „Man kann eine gesellschaftliche Veränderung nicht mit Verboten aufhalten.“
Der Stadtrat beschloss gestern einstimmig: München will die Sperrzeit nicht wieder verlängern. Andere Orte hatten sich für eine landesweite Verschärfung eingesetzt. Nützen würde das wohl nichts, weil die Kneipen dann wie früher die Verlängerung beantragen. Helmut Schmid (SPD):„Damit wird es auch nicht weniger Betrunkene und weniger Gewalt geben.
Es ist der Alkohol, der uns im Moment die größten Schwierigkeiten macht“, heißt es im neuen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. Jeder fünfte 12- bis 17-Jährige habe mindestens einmal im Monat einen Rausch, bei den 18- bis 25-Jährigen war es sogar jeder zweite.
2009 wurden bundesweit 26 400 Menschen zwischen 10 und 20 Jahren wegen Alkoholmissbrauchs akut im Krankenhaus behandelt – 2,8 Prozent mehr als 2008, sogar 178 Prozent mehr als 2000. Auch in München nimmt die Zahl der Jugendlichen mit Alkoholvergiftung zu.
Die Polizei in München beklagt aber auch, dass die Straftaten unter Alkoholeinfluss zunehmen. Besonders nachts. Seit 2001 sei der Anteil der Delikte, die nachts im Suff begangen würden, von 32,5 auf 53,9 Prozent gestiegen. Die meisten würden an den Münchner „Feiermeilen“ passieren. Die Gewalttaten unter Alkohol stiegen seit 2001 um 54 Prozent.