Keine Extrawurst für Häftlinge in Nadelstreifen

Aus der Villa in den Knast: Prominente Manager wie der ehemalige Bankvorstand Gribkowsky müssen sich in der Untersuchungshaft von ihrem Leben im Luxus verabschieden.
Daniela Wiegmann, dpa |
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In der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim ist auch ein ehemaliger Top-Manager ein Häftling wie jeder andere.
Daniel von Loeper 5 In der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim ist auch ein ehemaliger Top-Manager ein Häftling wie jeder andere.
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In der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim ist auch ein ehemaliger Top-Manager ein Häftling wie jeder andere.
Daniel von Loeper 5 In der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim ist auch ein ehemaliger Top-Manager ein Häftling wie jeder andere.

München – Für Ex-Bankvorstand Gerhard Gribkowsky ist die Welt auf acht Quadratmeter geschrumpft: Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Aus dem Waschbecken der Nasszelle mit Klo fließt kaltes Wasser, duschen darf er höchstens dreimal pro Woche gemeinsam mit drei anderen Männern. Seit mehr als einem Jahr sitzt der einstige Spitzenbanker der BayernLB wegen des Verdachts der Bestechlichkeit in der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim in Untersuchungshaft - und ist dort ein Häftling wie jeder andere.

„Es gibt keine Sonderbehandlung für Wirtschaftsgefangene“, sagt der Justizvollzugsbeamte Hermann Wals. Hart ist der Einzug in das Gefängnis für viele der rund 1000 Untersuchungshäftlinge in Stadelheim. Kaum einer fällt aber so tief wie Wirtschaftsbosse, die ein Leben in Luxus gewohnt waren und aus ihren Villen in einen „Haftraum“ umziehen müssen, wie die Zellen genannt werden. Zu ihren Prozessen fahren sie statt mit der Limousine im Gefangenentransporter.

Gribkowsky hat bereits zahllose dieser Fahrten und 29 lange Tage im Gericht hinter sich – nun kann er nicht mehr. Ein psychiatrischer Gutachter bescheinigte ihm, dass er derzeit verhandlungsunfähig ist. Der Prozess wurde unterbrochen. Mit den Worten „Gute Besserung“ verabschiedete sich Richter Peter Noll am Freitag von dem Angeklagten. Gribkowskys Anwälte hatten sich schon vor Wochen bei ihm über die Geschwindigkeit des Prozesses mit zwei bis drei Verhandlungstagen wöchentlich beschwert. Dies bringe den 53-Jährigen Angeklagten an seine körperlichen und psychischen Grenzen, weil er noch weniger an die frische Luft komme als an normalen Hafttagen mit dem einstündigen Freigang im Hof und auch oft hungrig sei.

Während der Prozesspausen muss Gribkowsky im Kellergebäude ausharren, den „Katakomben“, wie die Anwälte schimpfen und Leitungswasser aus dem Waschbecken im WC trinken. Zum Essen bringen sie ihm Brötchen und Brezeln mit, die er während des Prozesses isst. Seine Anzüge füllt er inzwischen nicht mehr aus, er hat seit seiner Verhaftung mehrere Kilo abgenommen.

Aus Sicht von Verteidiger Dirk Petri nutzt die Justiz die Untersuchungshaft bei Wirtschaftsstraftaten weniger wegen Flucht- oder Verdunklungsgefahr, sondern um Druck aufzubauen und langwierige Prozesse durch ein Geständnis zu vermeiden. „Beugehaft“, nennt er das. „Manche sind bereit, ihre Großmutter zu verkaufen, um da raus zu kommen“, sagt Anwalt Daniel Amelung.

Gribkowsky zählt nicht dazu: Eisern schweigt er zum Vorwurf, 44 Millionen Dollar Bestechungsgeld von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone angenommen zu haben.


Inzwischen ist seine Gesellschaft weniger glamourös: Zwar haben Untersuchungsgefangene, für die bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung gilt, einen Anspruch auf eine Einzelzelle. Ihre Flurnachbarn dürfen sie sich aber nicht aussuchen. Mord, Totschlag, Drogenhandel, Betrug oder Steuerhinterziehung? Das spielt bei der Zimmerbelegung der JVA meist keine Rolle. „Grundsätzlich haben alle Untersuchungsgefangenen die gleichen Rechte und werden auch nicht in nach Tatvorwurf getrennten Abteilungen untergebracht“, sagt eine Sprecherin des bayerischen Justizministeriums.

Im Gefängnis-Alltag hat sich die gemeinsame Unterbringung nach Ansicht des Anstaltspsychologen Andreas Alter bewährt. „Durch die Mischung korrigieren sich die Gefangenen selbst in ihrem Verhalten.“ Wirtschaftshäftlinge kommen bei vielen Gefangenen gut an, weil sie sich gut ausdrücken können und sich im Umgang mit Behörden auskennen. „Dadurch können sie den anderen auch mal Hilfestellung leisten beim Schreiben von Briefen“, sagt Wals. „Sie haben eine hohe Stellung in der Gefängnis-Hierarchie“, bestätigt Gribkowskys Anwalt Amelung.

In der Zelle ist der größte Luxus für Gribkowsky ein kleiner Fernseher, den er wie alle Untersuchungshäftlinge für 13,80 Euro Mietgebühr pro Monat nutzen darf. Putzen muss er seinen Raum und das Klo zweimal pro Woche selbst. Statt Feinkost im Restaurant gibt Kartoffelbrei mit Frikadellen oder andere Mahlzeiten aus der Großküche – serviert in der Zelle. Obst oder Süßigkeiten kann er alle zwei Wochen im Gefängnisgeschäft in Maßen selbst einkaufen, Alkohol ist verboten. Mit seiner Frau und seinen Kindern darf er maximal alle zwei Wochen eine Stunde lang durch eine Glasscheibe im überwachten Besucherraum sprechen. Nur die Anwälte dürfen jederzeit in die JVA.

Wirtschaftshäftlinge leiden nach Einschätzung von Rechtsanwälten massiv unter der Haft. „Sie werden aus ihrem Umfeld herausgerissen und müssen sich unterordnen“, sagt Rainer Brüssow, der in seiner Anwaltslaufbahn außer Gribkowsky schon eine ganze Reihe Angeklagter aus der Wirtschaftswelt vertreten hat. Im Gefängnis kämen sie mit Menschen in Kontakt, mit denen sie sonst nie zu tun hatten. „Sie werden nicht resozialisiert, sondern entsozialisiert.“ JVA-Psychologe Alter sieht das anders: Manch einer der Wirtschaftsbosse werde durch die ungewohnte Gesellschaft geerdet. „Hier treffen sie Menschen, die mit 1200 Euro auskommen müssen – und zwar im Monat, nicht pro Tag.“

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