Kein Gespür, was München will? Ude: "Lächerlich!"
OB Ude war in Sachen dritte Startbahn anderer Ansicht als die Münchner – wieder mal. Warum er mit dem Bürgervotum gut leben kann, sagt er hier.
AZ: Die Niederlage der Startbahnbefürworter beim Bürger-Entscheid ist auch Ihre Niederlage. Fühlen Sie sich wie ein Verlierer?
CHRISTIAN UDE: Ich fühle mich jedenfalls nicht als alleiniger Verlierer. Auch wenn es Kabinettsmitglieder von CSU und FDP pausenlos wiederholen, dass ich das sei. Ich halte dies für eine groteske Verkehrung der tatsächlichen Verhältnisse. Es ging um ein Projekt des Flughafens, der Freistaat Bayern ist Mehrheitsgesellschafter, die Staatsregierung hat das Projekt beschlossen, sie stellt drei Münchner Minister. Aber wenn der Ministerpräsident und alle Münchner Kabinettskollegen die Bevölkerung nicht überzeugen können, soll der Oberbürgermeister der alleinige Verlierer sein. Das will mir nicht in den Kopf.
Sie haben aber sogar Ihr eigenes politisches Schicksal mit der Startbahnfrage verbunden. So wichtig war sie Ihnen.
Ich habe die Bedeutung betont und darauf hingewiesen, dass ich keine gespaltene Persönlichkeit bin, die als OB dafür und als Spitzenkandidat dagegen sein kann.
Deshalb haben Sie Ihre Kandidatur für die Landtagswahl mit einem Ja der SPD zur Startbahn verknüpft.
Ich war gebunden durch die Verträge zwischen Stadt, Land und Bund – aus dem Jahr 1972 übrigens. Ich war gebunden durch eigenes Partei-Wahlprogramm und Wahlversprechen. Ich war gebunden durch Stadtratsbeschlüsse. Und deswegen konnte ich nur von der Münchner Bevölkerung aus dieser mehrfachen Bindung entlassen werden. Ich habe nie gesagt, dass mein politisches Schicksal an der Startbahn hängt. Ich habe gesagt, dass ich nicht für Ja und Nein zum selben Thema zur Verfügung stehe.
Hat Sie das Ergebnis des Entscheids verärgert?
Ich fand bedauerlich, dass die Fragen der zukünftigen Entwicklungschancen des Flugverkehrs und der Münchner Wirtschaft eine so geringe Rolle spielen. Ich habe aber die örtlichen Widerstände sehr gut verstanden. Und vor allem respektiere ich, wie von Anfang an angekündigt, ein Bürgervotum. Die Bürgerschaft ist in der Demokratie die oberste Instanz.
Tunnel, Hochhäuser und jetzt die Startbahn – es ist Ihre dritte Niederlage bei einem Bürgerentscheid. Da könnte man Ihnen vorwerfen: Sie haben kein Gespür für das, was die Münchner wollen.
Das ist ja lächerlich! Was die Münchner wollen, haben sie bei vier Wahlen zum Ausdruck gebracht, in denen mein Stimmenanteil von einer absoluten Mehrheit zur Zweidrittel-Mehrheit angewachsen ist. Das sagt genauso viel aus wie alle Meinungsumfragen, wo die Zustimmung ebenfalls bei einer Zweidrittel-Mehrheit liegt. Dass es in zwei Jahrzehnten auch mal Entscheidungen gibt, wo die Bevölkerung eine andere Lösung bevorzugt, ist selbstverständlich. Sie haben aber jetzt auch alle Bürgerentscheide unerwähnt gelassen, bei denen meine Meinung bestätigt worden ist. Zum Beispiel in der Wohnungspolitik und in der Arena-Frage.
Auch wenn die Münchner diesmal wieder anderer Meinung als Sie waren: Sind Sie nicht trotzdem eher erleichtert über den Ausgang des Entscheids – weil er das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren möglichen Koalitionspartnern entkrampft und die gespaltene SPD befriedet?
Ich habe immer gesagt, dass ich mit dem Ausgang werde gut leben können, egal wie er ausfällt. Ich würde mich entweder in der Sache durchsetzen oder ein riesiges Problem gelöst bekommen. Tatsächlich stimmen heute die Münchner SPD und die Bayern-SPD und die SPD insgesamt mit den Grünen und den Freien Wählern in dieser Frage überein.
Die Staatsregierung will an der Startbahn festhalten – trotz des Bürgervotums. Das macht einigen Gegnern Angst. Konkret: Gibt es für Seehofer, Kerkloh und Co. noch ein Hintertürchen?
Das Hintertürchen müsste ja mal aufgezeigt werden. Ich sehe es nicht. Denn der gesamte Münchner Stadtrat hat beteuert, dass er sich an den Bürgerwillen halten möchte, Deswegen kann der Stadtrat jetzt auch nicht hintenherum den Bürgerwillen austricksen. Und ohne Zustimmung der Stadt München geht es nicht.
Wie geht’s jetzt weiter in Sachen Startbahn?
Das ist doch eine Frage an diejenigen, die den Bürgerwillen unbedingt übertölpeln und austricksen wollen. Das schafft Politikverdrossenheit. Wenn eine Partei wie die CSU ja selber den Antrag stellt, einen Bürgerentscheid herbeizuführen, und dann das Ergebnis einfach vom Tisch wischt, als wäre es völlig bedeutungslos.
Können Sie verstehen, warum die Münchner so entschieden haben?
Natürlich, ich habe unendlich viele Gespräche geführt und Post bekommen. Die Kombination von Naturschutz, Nachbarschutz und verkehrspolitischen Zukunftswünschen hat die Mehrheit gebracht. Während die Startbahnbefürworter sehr darunter gelitten haben, dass ausgerechnet in den letzten Jahren die Zahl der Flugbewegungen nicht gestiegen ist. Damit ist die Notwendigkeit aktuell nicht besonders plausibel gewesen.
Aus den Reihen der CSU ist Ihnen vorgeworfen worden, Sie hätten zu wenig für ein Pro-Startbahn-Ergebnis getan.
Ich kenne keinen einzigen Politiker der CSU, der auch nur annähernd so intensiv und häufig für das Startbahnprojekt den Kopf hingehalten hat bei Veranstaltungen in München und Freising, im Fernsehen, Rundfunk und der gesamten bayerischen Presse. Sodass ich bemerkenswert finde, wie die sich hinterher davonstehlen, beim größten Projekt des Freistaats Bayern, das angeblich über Bayerns Wohl und Wehe entscheidet.
Inzwischen ist der Plan bekannt geworden, dass die Flughafen-Gesellschafter vom Airport ein Darlehen zurückfordern und das Geld in die zweite Stammstrecke stecken wollen. Was heißt das für die Startbahn – rückt sie damit auch finanziell in weite Ferne?
Ministerpräsident Horst Seehofer hat mir diese Idee schon erläutert, als wir beide noch von einem positiven Votum für die Startbahn ausgingen. Insofern besteht da kein unmittelbarer Zusammenhang. Aber natürlich wird es für den Flughafen schwieriger, ein solches Großprojekt finanziell in Angriff zu nehmen, wenn er fast eine halbe Milliarde Euro an die Gesellschafter zurückzahlen muss.