Kaviar, Rolex, Edel-Rotwein: Luxus-Krise in München

München - "Man umgebe mich mit Luxus, auf das Notwendige kann ich verzichten." Oscar Wilde (1854 - 1900). Es ist doch tröstlich zu erfahren, dass die oberen Zehntausend (oder sind es Hunderttausend?) mit noch ganz anderen Problemen zu kämpfen haben als bloß profan mit einem gefährlichen Virus und dessen Auswirkungen.
Die galoppierende Knappheit an Luxusgütern macht ihnen kurz vorm Fest in München das (ansonsten süße) Leben schwer. Wer etwa eine Designer-Tasche kaufen will, wird in einigen Läden in der Maximilianstraße nur vertröstet.
Frei nach Trapattoni: Tasche leer. Was erlaube Kunde?
Kundin in Münchner Luxusladen ausgelacht
Heftige Szenen sollen beim Luxusladen Hermès stattgefunden haben. Eine Münchnerin, die gerne "einfach irgendeine Handtasche" kaufen wollte, wurde von den Mitarbeitern im Geschäft nur ausgelacht. Dabei hätte es noch nicht mal die so berühmte wie sündteure Kelly Bag - die selbst gebraucht im Internet schwindelerregende Preise erzielt - sein müssen.
AZ-Nachfrage bei Hermès: Haben Sie überhaupt noch irgendwelche Taschen, die man kaufen und ohne Warteliste sofort mitnehmen kann? Ein Mitarbeiter dazu schmallippig: "Wir geben keine Taschen-Auskünfte am Telefon."
Wer dachte, die vielzitierte Rolex-Krise von vor zwei Jahren sei überwunden, der tickt - bei allem Respekt und in aller Deutlichkeit - nicht mehr richtig. Die Krise ist, wie die Pandemie, zum Alltag geworden.
Immer noch lange Wartezeiten bei Rolex
Ein Mitarbeiter aus München, der in einem renommierten Haus Rolex-Uhren verkauft, Pardon, eher zum Anschauen anbietet, und "um Himmels willen auf gar keinen Fall namentlich zitiert werden" möchte, sagt zur AZ: "Wir notieren Wünsche der Kunden, das schon. Aber mit einer Rolex aus unserem Geschäft herauszumarschieren, ist utopisch. Die Nachfrage ist bei allen Modellen so enorm, weil extrem viel Geld auf dem Markt ist. Dazu die Engpässe bei der Produktion - das führt zu langen Wartezeiten." Ein bis drei Jahre wird gemunkelt. Das möchte er nicht dementieren: "Oft länger."
Kaviar-Dealer für Münchens Schickeria
Wer den Uhren-Frust zum Fest mit einem Döschen Kaviar ausgleichen möchte, hat auch schlechte Karten.
Nicht nur in Russland sind die Preise für das Luxusschmankerl gestiegen, auch in München. Teilweise so explosionsartig, dass es heuer sogar Mittelsmänner gibt, die die Heißhungrigen unter der Hand "günstiger" versorgen.
Einer dieser Kaviar-Dealer, der den Job nebenbei macht, weil er "gute Kontakte" hat, zur AZ: "Die Leute lassen es daheim krachen, besonders zu Weihnachten. Alle wollen Beluga Malossol in der blauen Dose. Wer Kaviar bei den normalen Anbietern kauft, muss wirklich viel Geld haben - und Glück, denn die Nummer eins ist überall ausverkauft."
"Alles, was Luxus ist, läuft wie die Sau"
Selbst Feinkost-Anbieter wie Käfer oder Dallmayr mussten auf andere Sorten ausweichen. Er selbst habe Beluga Malossol, 250 Gramm, für rund 800 Euro verkauft (der Normal-Preis liegt bei etwa 1.500 Euro).
"Alles, was Luxus ist, läuft wie die Sau", bringt es der Kaviar-Mittelsmann auf den Punkt. "Der obere Mittelstand hat durch Corona viel Geld gespart, ist weniger verreist und weniger im Restaurant gewesen. Diese Leute wollen jetzt den totalen Luxus zu Weihnachten, treiben die Preise nach oben und sorgen für den schlimmen Engpass unter hochpreisigen Produkten."
Aussichtslos sei die Situation auch bei sehr edlem Champagner oder sehr edlem Rotwein aus Italien - wie Tignanello (kostete vor zwei Jahren rund 80, jetzt bis zu 150 Euro) oder Solaia (bis zu 450 Euro). Da haben sich die Preise fast verdoppelt. Einige Münchner Hotels bieten inoffiziell - ähnlich wie bei Trüffel - solche Weine an, weil im Internet fast nix mehr geht. Ein Insider: "Wer 40, 50 Flaschen für die Festtage bestellt, muss nicht aufs Geld achten - und tut es trotzdem."
Und die Moral von der Geschicht: Luxus braucht man - oder lieber nicht.