Kaufen und Mieten: Die neuen Preise für das Münchner Umland

Steigende Bauzinsen, extreme Inflation, Krieg, Preisexplosion beim Baumaterial, Stadtflucht: Der Münchner Mietmarkt stagniert erstmals seit Jahrzehnten, die Kaufpreise sind aber nochmal geklettert.
von  Hüseyin Ince
IVD-Prognose: Bis 2040 wird die Zahl der Einwohner in München um 8,2 Prozent steigen, im Umland um 7,2 Prozent. (Archivbild)
IVD-Prognose: Bis 2040 wird die Zahl der Einwohner in München um 8,2 Prozent steigen, im Umland um 7,2 Prozent. (Archivbild) © imago images/Heinz Gebhardt

München - Der neueste Marktbericht des Forschungsinstituts IVD Süd bietet Gewohntes und Ungeahntes.

Das Gewohnte: Die Preise, egal ob Miete oder Kauf, bleiben auf dem freien Markt unverschämt hoch. Das Ungeahnte: Wahrscheinlich stehen wir vor einer Phase der Preisstagnation. Viel teurer wird es also demnächst wohl nicht mehr. Da sind sich die Fachexperten einig. Aber ob das eine kleine Pause ist oder ein dauerhafter Trend, das ist völlig unklar.

"Die Nachfrage ist angetrieben vom Arbeitsmarkt" 

Auf all das deutet der aktuelle IVD-Halbjahresvergleich, zwischen Herbst 2021 und Frühjahr 2022. "Das wirkt schon sehr plateauartig", nennt es Stephan Kippes vom IVD. Höchstmögliche Preisebene unter den aktuellen Rahmenbedingungen also. Schlägt das Pendel jetzt um, nach Jahren obszöner Preissteigerungen? Nein, an stark sinkende Preise auf dem Immobilienmarkt glaubt Kippes nicht. "Die Nachfrage ist angetrieben vom Arbeitsmarkt", sagt er. Kippes glaubt eher an eine Preisbereinigung, also an Korrekturen.

IVD-Prognose: Bis 2040 steigt die Zahl der Einwohner in München um 8,2 Prozent

Die enorm niedrigen Arbeitslosenquoten - kaufkräftige Kundschaft also - sorgen auch weiterhin für großen Bedarf an Miet- und Kaufwohnungen. In Landkreisen wie Erding ist die Arbeitslosenquote sogar bei unter zwei Prozent. Ein Zeichen für Arbeitskräftemangel sei diese Quote bereits, sagt Kippes. In München sank die Arbeitslosenquote seit Herbst 2021 von 5,1 auf 4,0 Prozent.

Am günstigsten mietet man derzeit innerhalb des S-Bahn-Netzes in Petershausen (S2) und in Grafrath (S4): 10,50 Euro und 11,50 Euro je Quadratmeter.
Am günstigsten mietet man derzeit innerhalb des S-Bahn-Netzes in Petershausen (S2) und in Grafrath (S4): 10,50 Euro und 11,50 Euro je Quadratmeter. © IVD Institut

Viele Jobs, attraktive Landschaft: Auch der allgemeine Zuzug nach München und in die Region sorgt für Nachfrageüberhang. Die IVD-Prognose: Bis 2040 wird die Zahl der Einwohner in München um 8,2 Prozent steigen, im Umland um 7,2 Prozent. Heißt: Es werden weiter mehr Wohnungen gebraucht.

Die Stagnation ist derzeit auf dem Mietmarkt zu spüren. Auf dem Kaufmarkt kommt er noch, da sind sich die Fachkollegen von Stephan Kippes einig. In Zahlen: Der Kaufpreis für Bestandswohnungen steigt nochmal seit Herbst 2021. Er beträgt in München durchschnittlich 9.500 Euro je Quadratmeter. Und das ist eine halbjährliche Steigerung von 5,6 Prozent.

Das Einfamilienhaus bleibt der Heilige Gral unter den Münchner Immobilien

Günstig geht es auch. In Petershausen liegt der Wert bei 3.800 Euro Kaufpreis pro Quadratmeter. Auch Grafrath ist vergleichsweise günstig. 5.000 Euro je Quadratmeter kostet hier die Eigentumswohnung im Bestand.

Natürlich geht das alles auch besonders teuer: Der Heilige Gral unter Münchner Immobilien ist nach wie vor das Einfamilienhaus. Es ist das Einhorn unter Münchner Wohnmöglichkeiten. Der Preis hierfür ist seit Herbst 2021 noch mal deutlich gestiegen, um 4,8 Prozent: 2,2 statt 2,1 Millionen Euro.

Der subventionsfreie Mietmarkt an Bestandswohnungen innerhalb des S-Bahn-Netzes ruft im Zentrum - also in der Stadt München - immer noch teils irrsinnige Preise auf, zeugt aber von der kommenden Stagnation auf dem Immobilienmarkt. So zahlt man bei einer Bestandsneuvermietung im Schnitt etwa 18,30 Euro je Quadratmeter. Doch hier sind natürlich Ausschläge nach oben eingepreist. Sprich: Mancherorts verlangen Vermieter 20 Euro und mehr je Quadratmeter - Kaltmiete natürlich.

Aber: Im Halbjahresvergleich ist dieser Wert um nur 0,3 Prozent gestiegen. Das ist fast märchenhaft wenig. In Starnberg - traditionell preislich ein ähnlicher Markt wie München - ist der Mietpreis in dieser Kategorie sogar gleich geblieben. Das deutet für den Moment auf einen deutlichen Rückgang der Nachfrage. Ein Grund: Viele Münchner sind seit Corona ins Umland gezogen.

Starnberg ist die Ausnahme: Je weiter weg, desto günstiger

Homeoffice muss schließlich nicht in der Nähe des Büros stattfinden und wäre theoretisch sogar in der Südsee vom Strand aus möglich. Im Münchner Umland boomt der Kauf- und Mietmarkt also noch, weil es da halt schön ist.

Immobilienmakler beklagten am Montag trotzdem schwierige Verhältnisse. Die Nachfrage sei zwar hoch. Man kriege die Objekte aber nicht mehr so leicht verkauft, vor allem die teureren, bei denen Verkäufer krampfhaft 100.000 Euro mehr verlangen, als der Markt hergibt. Dennoch sind die Kaufobjekte in Städten wie Freising preislich nach oben geschossen.

Ein Mitnahmeeffekt könnte das sein, bevor die Kreditzinsen weiter in die Höhe springen. Durchschnittlich ist eine Freisinger Eigentumswohnung im Bestand innerhalb eines halben Jahres um sagenhafte 14,6 Prozent teurer geworden. Etwa 5.400 Euro je Quadratmeter zahlt man hier durchschnittlich. 4.600 Euro betrug der Wert noch im Herbst 2021.

"Der Preis-Gipfel ist erreicht, viele Verkäufer sind zu spät"

Trotzdem sagen Immobilienfachmänner aus dem Umland wie Florian Brandhuber aus Erding, dass sie vor schwierigen Zeiten stehen, vor allem wegen der sprunghaft steigenden Bauzinsen und auch der explodierenden Kosten für Baumaterial. "Da wird uns eine ganze Käuferschicht wegbrechen", sagt er. Also Käufer, die sich früher traumhaft niedrige Bauzinsen leisten konnten.

Christoph Müller-Brandt, Fachmann aus Oberhaching, sagt: "Wir werden bis zum Jahresende eine deutliche Preiskorrektur erleben."

Makler Martin Windisch aus Fürstenfeldbruck sagt: "Viele Verkäufer sind schon zu spät. Ich glaube, wir haben preislich den Gipfel bereits erreicht." Einige Anbieter werden ihre Objekte günstiger anbiete, so seine Einschätzung. "Wir haben bereits seit April einige Objekte mit exakt null Anfragen", sagt Windisch.

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