Katsche sperrt zu - für immer

Das Gschäft hat sich einfach nimmer rentiert“, sagt Hans-Georg Schwarzenbeck (60) resigniert. Am Samstag um zwölf Uhr hat Katsche, wie ihn alle nennen, seinen Schreibwarenladen in der Au zugesperrt - für immer.
von  Abendzeitung
Vergangenen Samstag, kurz vor 12: Katsche Schwarzenbeck (60) schließt seinen Laden in der Au – für immer.
Vergangenen Samstag, kurz vor 12: Katsche Schwarzenbeck (60) schließt seinen Laden in der Au – für immer. © Kinast

MÜNCHEN - Das Gschäft hat sich einfach nimmer rentiert“, sagt Hans-Georg Schwarzenbeck (60) resigniert. Am Samstag um zwölf Uhr hat Katsche, wie ihn alle nennen, seinen Schreibwarenladen in der Au zugesperrt - für immer.

Samstag, kurz vor 12, kamen in den Laden vom Katsche nochmal ein Vater mit seinen drei Buben. Er kaufte ein Kicker-Sonderheft für die neue Bundesliga-Saison, dann bat er noch um ein Autogramm. In ein altes vergilbtes Buch, auf ein Schwarz- Weiß-Bild, das den Katsche Schwarzenbeck zeigt und den Sepp Maier. Einer der Buben bekam noch ein „Lustiges Taschenbuch" von Donald Duck, dann gingen sie. Sie waren die Letzten.

Denn dann, Punkt 12, nahm Katsche seinen Schlüssel in die Hand und sperrte seinen Laden zu. Für immer. Nach 28 Jahren. „So schad' wie's ist", sagte er. „Aber das Gschäft hat sich einfach nimmer rentiert." Und darum hört er auf, vier Monate nach seinem 60., der berühmteste Schreibwarenhändler der Stadt.

Ein leiser Abschied. Wie auch sonst. Ganz der Katsche. Selbst von den Stammkunden waren nur die Allerwenigsten eingeweiht, dass der Katsche nach seinem üblichen August-Urlaub diesmal im September nicht mehr aufsperrt. Und der Himmel, der wusste auch Bescheid, und so weinte er schon in der Früh so viel, dass noch mittags das Trottoir auf der Ohlmüllerstraße von seinen Tränen benetzt war. „Bissl traurig is schon", sagte Schwarzenbeck, „28 Jahr' da herin, fast mein halbes Leben. Doppelt so lang wie ich Fußball gespielt hab“. Mit 60 hört er auf.

Mit 32 das Karriere-Ende

Mit Bayern fing alles an. 1966 bis 1980, als Vorstopper im Verein und der Nationalmannschaft Weltmeister, Europameister, Weltpokalsieger, Europapokalsieger, Deutscher Meister, Pokalsieger. Dann, mit 32, Karriereende nach einem Achillessehnenriss. Er fing bei seiner Tante an, der Frau Nitzinger, der der Laden gehörte, und das auch schon recht lang. So hatte sie, als der Katsche anfing, noch Verdunklungspapier im Sortiment. Das hängten sich die Menschen im Krieg an die Fenster, damit die Piloten die Lichter der Stadt nicht sahen, wenn sie mit den Fliegern ihre Bomben abwarfen. Viel gelernt habe er bis 1983, als er dann das Geschäft übernahm, sagte Schwarzenbeck, „das Einkaufen, die Buchhaltung, einfach wie man so einen Laden führt".

Und den Umgang mit den Kunden auch, das war fast das Schwierigste. Als Fußballer hat er nie gern geredet, was nicht schlimm war, weil zu der Zeit vor allem der Beckenbauer gefragt war. Aber als Zeitungsdandler in einem alteingesessenen Viertel wie der Au kam er ums Reden nicht herum. Und auch nicht ums Zuhören, wenn ihm die Menschen ihr Herz ausschütteten. Wie etwa die alte Nachbarin, die bei ihm täglich ihre Zeitung kaufte und dafür meistens schon am Montag für die ganze Woche im Voraus bezahlte, auf einmal von ihrer schweren Krankheit erzählte. Und wie sie dann eines Tages gar nicht mehr kam.

Der einfühlsame Seelsorger

"Das waren Tage", sagt Schwarzenbeck, „da habe ich daheim in der Nacht nimmer schlafen können". Aber manchmal half er den Menschen durch seinen Zuspruch, und dann war er nicht mehr der einst härteste Verteidiger der Welt. Sondern so was wie der einfühlsame Seelsorger von der Au. Geschäftlich ging es am Anfang sagenhaft. Manchmal, am Schulanfang, standen die Schüler und die Eltern in Zweierreihen bis raus auf die Straße, fast vor bis zur Reichenbachbrücke, auf jeden Fall bis zum Metzger ein paar Häuser weiter. Weil sie Hefte brauchten und Stifte, Zirkel und Lineale und vieles mehr. „Da warma zu viert herin, meine Frau, die zwei Tanten und ich, da sind wir nicht mal mehr zur Brotzeit gekommen, so zugangen is' da." Aber mit den Jahren kam er immer öfter zur Brotzeit. Es wurde immer leerer.

Bürobedarf, Papier, Kuverts, all das blieb liegen. Die Leute schafften sich Computer an, schrieben E-Mails und keine Briefemehr, undwenn die Kinder was für die Schule brauchten, dann kauften die Eltern im Großhandel, in den Supermärkten oder im Internet ein. Wo es um die Hälfte billiger ist oder noch mehr. „Wahrscheinlich", sagte der Katsche, „tät ich auch in den Großmarkt fahren".

"Es lohnt sich nimmer"

Vor einem Jahr etwa habe er dann allmählich gemerkt, dass es wohl keinen Sinn mehr macht, weiter jeden Tag um halb 5 aufzustehen und von daheim in Harlaching runterzufahren in die Au. „Es lohnt sich nimmer", sagte er dann hinterm Tresen, vor dem Stapel eingepackter Kisten.

Nächste Woche kommt er nochmal her, zum Ausräumen. Was danach reinkommt, weiß er nicht. Ist ihm aber auch nicht wichtig. Jetzt will er das Leben mit seiner Frau genießen, im Garten, im Theater, bei Tagesausflügen, bei Spaziergängen in der Stadt. Seiner Stadt.

Zum Schluss sagte er noch, dass er ja noch weiter arbeiten werde, weil er ja auch künftig wie schon seit vielen Jahren den FC Bayern beliefere. Mit dem Büromaterial für die Geschäftsstelle oben an der Säbener Straße,was zuletzt eh sein Hauptumsatz war. „Dafür bin ich den Bayern auch immer dankbar."

"Und meinen Kunden", sagte er zum Abschied dann noch draußen auf der Straße, „denen möcht' ich auch Dankschön sagen. Schreims des bittschön no nei.“ Schon passiert.

Bleiben werden ihm die vielen Erinnerungen in 28 Jahren, die schönen und die traurigen. Dem Familienvater vom Samstag bleibt immerhin das letzte Autogramm, das der Katsche in seinem Geschäft geschrieben hat. Weil den Katsche in seinem Schreibwarenladen, den wird es nie mehr geben. So schad' wie's ist. Und es ist wirklich verdammt schad'.

Florian Kinast

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