Katrin Habenschaden: Die Schanigärten müssen bleiben

Freischankflächen auf Parkplätzen – das wird es in München auf Dauer geben, verspricht Bürgermeisterin Katrin Habenschaden im Interview. Und kündigt an, den öffentlichen Raum weiter umkrempeln zu wollen.
von  Felix Müller
Schanigarten hier, Schanigarten da und eine Lastenradlerin: Ungefähr so stellt sich Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (rechts), hier in Haidhausen, die Stadt vor.
Schanigarten hier, Schanigarten da und eine Lastenradlerin: Ungefähr so stellt sich Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (rechts), hier in Haidhausen, die Stadt vor. © Sigi Müller

München - Die 42-jährige Grünen-Politikerin Katrin Habenschaden ist seit Kurzem Zweite Bürgermeisterin.

AZ: Frau Habenschaden, Hunderte Parkplätze wurden zuletzt für Freischankflächen geopfert. Die Münchner Autofahrer laufen Sturm. Oder?
KATRIN HABENSCHADEN:
Ich habe im Bürgermeisterinbüro keine einzige Beschwerde bekommen. Nicht von Privatleuten und zum Beispiel auch nicht von den Wirtschaftsverbänden. Die Münchner verstehen, dass man der gebeutelten Gastronomie jetzt Möglichkeiten geben muss. Und jetzt sehen die Leute auch, dass das eine Super-Gschicht ist. Gerade in den stark versiegelten Innenstadt-Vierteln gibt es jetzt viel mehr Möglichkeiten, draußen zu sitzen, es bringt der Stadt viel mehr Lebensqualität.

"Das ist mir lieber als ein Auto, das 23 Stunden rumsteht"

Es handelt sich aber nur um ein Projekt für die Corona-Phase. Nächstes Jahr stehen da wieder Autos statt Cafétischen. So ist zumindest bislang der offizielle Plan.
Ich bin dafür, die Schanigärten in München dauerhaft zu etablieren. Weil sie ein großer Erfolg sind und ein ganz neues, mediterranes Flair in die Stadt gebracht haben. Man fühlt sich jetzt oft wie auf einer italienischen Piazza.

Naja. Übertreiben Sie da nicht ein bisserl?
Die Menschen sitzen draußen, trinken, essen, lachen, genießen es einfach, beisammen sein zu können. Ob dieses neue Lebensgefühl wegen ein paar Hundert Autostellplätzen wieder einkassiert werden sollte?

Sie finden offenbar Nein. Aber Sie werden es alleine nicht entscheiden. Sorgen Sie sich, eine Mehrheit zu bekommen für die Schanigärten 2021?
Unser grün-roter Koalitionsvertrag ist insgesamt getragen vom Gedanken, dass den Menschen mehr Platz gegeben werden soll. Ich bin sehr optimistisch, dass wir eine Mehrheit finden dafür, die Schanigärten dauerhaft beizubehalten.

Eine bunte Angelegenheit: ein Schanigarten an der Weißenburger Straße.
Eine bunte Angelegenheit: ein Schanigarten an der Weißenburger Straße. © Sigi Müller

Eigentlich ist es ja überraschend: Traditionell tun sich die Münchner sehr schwer, Parkplätze zu opfern. Diesen Sommer ist es plötzlich in sehr großer Zahl möglich – und es gibt nicht viel Gegenwind.
Ich glaube, dass die Schanigärten ein gutes Beispiel dafür sind, wie öffentlicher Raum besser genutzt werden kann – und eben auch zeigen, was möglich ist, wenn man sich traut, mit Konventionen zu brechen. Das ist unser Motto: mehr Platz für Menschen statt für Autos. Der öffentliche Raum insgesamt ist rar und kostbar. Wir sollten ihn so verwenden, dass möglichst viele Münchnerinnen und Münchner davon profitieren. Da ist mir ein Schanigarten lieber als ein Auto, das 23 Stunden unbewegt rumsteht.

Geschäftsleute haben oft kritisiert, wenn es Leuten schwerer gemacht wurde, mit dem Auto zu kommen.
Ich bin überzeugt, dass auch die Geschäftstreibenden profitieren, wenn wir den öffentlichen Raum menschengerechter gestalten: mehr Grünflächen, mehr Fußgängerzonen, mehr Gastronomie – dann kommen die Leute auch lieber. Die Schanigärten sind erst der Anfang. München hat noch viel mehr Potenzial.

Was planen Sie?
Es war und ist wichtig, den Gastronomen zu helfen. Aber natürlich muss die Diskussion viel weiter gehen. Es geht um die Nutzung des öffentlichen Raums insgesamt.

Das heißt dann vor allem: auch mehr nicht-kommerzielle Angebote?
Genau. Wir brauchen mehr Freiraum ohne Konsumzwang, ein Pendant zu den Flächen der Gastronomen.

Das wird manchen Anwohner schrecken. Derzeit sind ja viele vor allem genervt davon, wie viel draußen los ist. Am Gärtnerplatz, am Wedekindplatz, in Isar-Nähe.
Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass vor allem jungen Erwachsenen Räume zur Begegnung weggebrochen sind: ob das nun Clubs sind, Bars oder Diskotheken. Deshalb erleben wir einen besonderen Sommer, in dem sich das Leben nachts auf einigen Plätzen ballt.

"Grünflächen vermüllt: Da hört mein Verständnis auf!"

Ärgert Sie das?
Ich kann den Drang der jungen Menschen nach Begegnung, nach Feiern, nach sozialem Miteinander sehr gut nachvollziehen und will das auch nicht mit Verboten unterbinden.

Aber?
Aber wenn Grünflächen vermüllt zurückgelassen werden und in Hauseingänge uriniert wird, hört das Verständnis bei mir auf.

Sie wollen keine Verbote. Heißt das, die Stadt muss zuschauen, kann nichts tun?
Als Stadt ist es unsere Aufgabe, die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner und Feiernden auszutarieren. Das kann funktionieren, indem wir viel Sozialarbeit leisten über unser städtisches Akim-Programm. Das kann aber auch funktionieren, indem wir die Feier-Hotspots entzerren. Der "Sommer in der Stadt" trägt dazu hoffentlich bei. Ein Ziel des Programms ist es, den öffentlichen Raum in den Stadtvierteln zu beleben und eine neue Aufenthaltsqualität zu schaffen, so dass attraktive Alternativen zu Gärtnerplatz und Isar entstehen.

Sie glauben nicht ernsthaft, dass sich die jungen Leute jetzt nicht mehr ein Bier an der Bar um die Ecke holen und sich am Gärtnerplatz treffen, sondern lieber neben dem Riesenrad am Königsplatz stehen?
Ich habe beim "Sommer in der Stadt" vor allem den Kulturteil im Auge. Wir müssen da ganz gezielt junge Menschen mit dem Programm ansprechen. Angesagte Bands, junges Kabarett – auch das möglichst ohne Konsumzwang. Wir müssen das dringend attraktiv für junge Leute gestalten. Das ist dann gut für die ganze Stadt. So wie die Schanigärten.

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