Katastrophe als Event-TV
Am Sonntag und Montag (20.15 Uhr) zeigt das ZDF den TV-Zweiteiler "Der Untergang der Wilhelm Gustloff". Autor Rainer Berg und Regisseur Joseph Vilsmaier legten viel Wert auf Authentizität. Die aufwändigen Dreharbeiten verlangten den Darstellern einiges ab.
MAINZ „In Malta habe ich richtig Angst gehabt“, sagt Kai Wiesinger. Auf der Mittelmeerinsel wurden die Untergangsszenen des Nazi-Vergnügungsschiffs für den ZDF-Zweiteiler „Die Gustloff“ gedreht, den das Zweite Sonntag und Montag zeigt. Wiesinger spielt darin Hellmut Kehding, den Kapitän der Wilhelm Gustloff, die am 30. Januar 1945 mit mehr als 10000 Menschen an Bord innerhalb von nur 60 Minuten in den eisigen Fluten versank, nachdem sie von einem sowjetischen U-Boot torpediert worden war.
„Wir schwammen in schweren Mänteln im Studiobecken, Windmaschinen verursachten enorme Wellen“, erinnert sich Wiesinger. „Dieser Dreh hat Spuren hinterlassen. Obwohl man nur einen Hauch von dem gespürt hat, was sich wirklich zugetragen hat.“
Autor Rainer Berg und Regisseur Joseph Vilsmaier legten viel Wert auf Authentizität. Auch wenn ein Großteil der Figuren frei erfunden ist, die Ereignisse sollten möglichst realitätsnah gezeigt werden. Deshalb ließ man sich zum einen von Heinz Schön, einem Überlebenden des Gustloff-Unglücks beraten. Der damals 18-Jährige gehörte als Zahlmeister-Assistent zur Stammbesatzung des Unglücksschiffes. Zum anderen wurden keine Kosten und Mühen gescheut, um die Katastrophe möglichst spektakulär in Szene zu setzen. Mehr als zehn Millionen Euro gaben ZDF und Ufa für „Die Gustloff“ aus, laut Programmdirektor Thomas Bellut, ist der Zweiteiler damit das teuerste ZDF-Projekt des Jahres 2008.
Drei Monate hat Vilsmaier an sieben verschiedenen Schauplätzen gedreht. Unter anderem wurde die Hafenkulisse Stralsunds ins von Flüchtlingsmassen belagerte Gotenhafen von 1945 verwandelt – bis zu 500 Komparsen pro Szene und ein schwimmender, 60 mal zwölf Meter großer Nachbau der Schiffswand kamen dabei zum Einsatz. So viel Aufwand setzte selbst erfahrene Schauspieler wie Heiner Lauterbach, Valerie Niehaus, Michael Mendl, Ulrike Kriener, Detlev Buck und Dana Vavrova unter Druck. Kai Wiesinger: „Am ersten Drehtag stand ich in Stralsund vor der Gustloff und dachte: Wenn ich mich nur einmal verspreche, müssen 250 Komparsen, 100 Teammitglieder, 20 Pferde und eine Eisenbahn wieder auf Anfang.“
Die spektakulärsten Szenen entstanden jedoch auf Malta. In gefühlter James-Cameron-Ausführlichkeit geht Vilsmaiers Schiff unter. „Natürlich habe ich den Film ,Titanic’ gesehen, das ist aber schon lange her“, sagt Vilsmaier. „Während des Drehs plante ich, mir mit der Special Effects Abteilung das ,Making Of’ des Films anzusehen. Nach drei Minuten ließ ich die Vorführung abbrechen. Ich sagte, dass wir uns das anschauen, wenn unser Film fertig ist – was wir auch getan haben. Im Ergebnis muss ich sagen, dass wir im Vergleich 200 Millionen Dollar gegen zehn Millionen Euro gar nicht so schlecht abschneiden.“
Berater Heinz Schön (82), der beim Dreh in Malta vor Ort war, war tief beeindruckt von den „nachgestellten Katastrophen-Szenen, dem Geschrei der von Todesangst gepeinigten Frauen und Kinder und dem erbarmungslosen Kampf ums Überleben“. Kai Wiesinger: „Das waren Tage, an denen ich auch nach Drehschluss die Bilder der ertrinkenden Menschen nicht mehr aus dem Kopf bekam.“ Angelika Kahl
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