Karstadt schließt:„Ein Albtraum!“
MÜNCHEN - Der Sanierer hat beschlossen: Das Kaufhaus wird früher als geplant dichtgemacht. Betroffen sind 157 Mitarbeiter. Wie es mit ihnen weitergeht, ist völlig offen. Entsprechend groß ist die Wut
Auf den Warentischen der Karstadtfiliale am Dom glitzern die ersten Weihnachtskarten und Goldkerzen. Das Kaufhaus ist gut besucht, die Angestellten sind mit Kunden beschäftigt. Und doch ist für die Beschäftigten an diesem Dienstagmorgen eine Welt zusammengebrochen. „Bei einer Besprechung haben sie es uns gesagt“, sagt eine Angestellte zur AZ. Sie hat Tränen in den Augen. Am Morgen hat sie erfahren, dass ihre Karstadt-Filiale schließen muss.
Gestern trat in Essen Klaus Hubert Görg vor die Gläubiger des zahlungsunfähigen Karstadt-Konzerns. Die Gläubiger wollen Geld vom Karstadt-Insolvenzverwalter – und Görg sagte ihnen, wie er Geld bei Karstadt einsparen und ihnen dann zukommen lassen will.
Sechs Kaufhäuser der Warenhauskette müssen Anfang 2010 schließen. Außer dem Münchner Karstadt am Dom werden Filialen in Hamburg, Dortmund Stuttgart, Berlin und Braunschweig dichtgemacht. Betroffen sind 400 Mitarbeiter. Außerdem werden elf weitere Häuser derzeit noch auf ihre Überlebensfähigkeit geprüft. Es kann also noch mehr Mitarbeiter treffen – deshalb geht auch in anderen Filialen die Angst um
Im „Haus am Dom“ sind 157 Mitarbeiter von der Schließung betroffen. „Seit Jahren haben wir alles mitgemacht, damit das nicht passiert – kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld, keine Dividende – aber andere kassieren Millionen“, schimpft eine Mitarbeiterin. Die Frau ist am Boden zerstört: „Ich arbeite hier seit zehn Jahren, Arbeitslosigkeit ist für mich ein Albtraum.“
Dass die Filiale schließen würde, war klar: Der Mietvertrag wäre Ende 2010 ausgelaufen. Die Schörghuber-Gruppe als Eigentümer hatte danach den Abriss des Gebäudes und einen Neubau geplant. Doch um Geld zu sparen, kündigte Insolvenzverwalter Görg vorzeitig den Mietvertrag. Wann das Kaufhaus in der Innenstadt genau dichtgemacht wird, darüber herrscht noch Unklarheit: Von „nach Weihnachten“ ist die Rede, häufig auch vom 31. März.
Manche helfen sich nur noch mit Sarkasmus: „Mir geht’s bestens. Was für ein tolles Weihnachtsgeschenk“, sagt ein Mitarbeiter zur AZ. „Ich arbeite hier seit 1992. Vollzeitstellen sind hohe Kostenfaktoren – und die werden jetzt entsorgt“.
Was mit den Betroffenen passiert, ist unklar. Die Geschäftsleitung bemühe sich, so viele Betroffenen wie möglich in anderen Filialen unterzubringen, berichten die Angestellten. Wer noch mal davonkommt – das ist die große Frage: „Welche Kriterien da angewandt werden, das wissen wir nicht“, sagt ein Angestellter.
Es scheint überhaupt zu hapern in der Informationspolitik: Eine Leiharbeiterin ist völlig überrascht über das Ende ihres vorübergehenden Arbeitgebers: „Die Kollegen haben mir nichts gesagt, auch von der Geschäftsleitung habe ich nichts erfahren. Schade ist das“, meint sie.
Die Gewerkschaft Verdi fordert, dass alle betroffenen Mitarbeiter in anderen Filialen weiterbeschäftigt werden sollen, „damit möglichst niemand arbeitslos wird“, sagte die stellvertretende Verdi-Chefin Margret Mönig-Raane.
Der Landesverband des Bayerischen Einzelhandels (LBE) zeigte sich bestürzt: „Das ist eine bittere Pille direkt vor dem Weihnachtsgeschäft“, sagte ein Sprecher. Dass das Ende unmittelbar bevorsteht, sei völlig überraschend.
Volker ter Haseborg und Johanna Jauernig
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