Karlheinz Böhm: Schlammschlacht um Lebenswerk
München - Sein Lebenswerk begann mit einer Wette. Schauspieler Karlheinz Böhm saß 1981 im ZDF bei Frank Elstner auf der Couch und sagte: „Ich wette, dass nicht einmal ein Drittel der Zuschauer bereit ist, nur eine Mark für die hungernden Menschen in der Sahelzone zu spenden.“ Von wegen: 1,7 Millionen kamen zusammen und Karlheinz Böhm gründete mit dem Geld die Äthiopien-Hilfe „Menschen für Menschen“ (MfM).
32 Jahre später droht sein Lebenswerk zu zerbrechen. Ein ehemaliger Großspender und der Stiftungsvorstand bombardieren sich mit Anzeigen. Geschäftsführer Axel Haasis ist gerade zurückgetreten.
Die Schlammschlacht begann kurz nachdem Böhm im November 2011 den Stiftungsvorsitz an seine Frau Almaz (48) übergeben hatte. In einem offenen Brief warf Großspender Jürgen Wagentrotz ihr vor, Spenden für einen „Protzbau“ in Addis Abbeba zu verschwenden, den sie sich als „zukünftiges Logistikcenter“ habe absegnen lassen.
Außerdem bemängelte der Unternehmer, der die Stiftung zwischen 2004 und 2012 nach eigenen Angaben mit 8Millionen Euro unterstützt hat: „Eine Vielzahl von Spender, mich inbegriffen, haben sehr viel Geld für Schulen, Medizinprojekte und auch für das ENAT-Hospital, das übrigens Karls Namen trägt, ausgegeben. Es ist mit einem Schlag ins Gesicht eines jeden Spenders gleichzusetzen, mit welcher Gleichgültigkeit MfM diese teuren Projekte ihrem Schicksal überlässt.“
Auch Jürgen Gessner, langjähriger Vorsitzender der „Tafel Deutschland“ hat sein Engagement für MfM nach 30 Jahren eingestellt. Er prangerte in einem Brief an Almaz Böhm ebenfalls mangelnde Transparenz, hohe Verwaltungskosten und den Verfall medizinischer Projekte an. Auf seiner Homepage betonte er die guten Dinge, „die von MfM bewirkt wurden. Auch heute, ohne Karlheinz Böhm“ und mahnte: „Das große Erbe, das die Nachfolger angetreten haben, soll gut verwaltet werden.“
Almaz Böhm hat sich mittlerweile zu den Vorwürfen geäußert: Es sei das Konzept der Stiftung, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Dazu gehöre, dass sich MfM nach einer bestimmten Zeit aus den Projektgebieten zurückziehe und Schulen sowie andere Einrichtungen in die Verantwortung der Menschen vor Ort übergebe. „Wir wollen nicht durch unsere Hilfe Abhängigkeit schaffen.“
Die hohen Kosten bei dem neuen Bürogebäude in Addis Abeba seien durch ursprüngliche Bauauflagen der Stadt zustande gekommen. Die Summe von 2,1 Millionen Euro sei nun auf 1,1Millionen Euro reduziert worden. Almaz Böhm: „Der geplante Bau ist weder zu groß noch werden hier Spendengelder verschwendet.“ In Addis gebe es 66 Mitarbeiter; die Räume – unter anderem in Containern – reichten nicht, zudem laufe der Mietvertrag Ende 2014 aus. Darüber hinaus stammten die Vorwürfe aus dem vergangenen Jahr und seien bereits widerlegt.
Trotzdem lässt „Menschen für Menschen“ seine Arbeit nun freiwillig von externen Wirtschaftsexperten überprüfen. Auch das Deutsche Zentralinstitut (DZI) für Soziale Fragen checkt die Bücher. Das DZI verleiht das so genannte Spendensiegel – seit 1992 auch an MfM. Instituts-Chef Burkhard Wilke hat keinen Zweifel an der Seriosität der Äthiopienhilfe: MfM gehöre zu den „transparentesten Organisationen in Deutschland.“
Einige Kuratoriumsmitglieder lassen ihre Tätigkeit derzeit dennoch ruhen, darunter die Schauspielerin Dennenesch Zoudé und Eckart Witzigmann. Der Star-Koch sagte der AZ, er wolle abwarten, „bis alle Vorwürfe aufgeklärt sind“. Vor Ort in Äthiopien habe er allerdings „ein äußerst positives Bild von der erfolgreichen Arbeit der Stiftung bekommen. Nach den erhobenen Vorwürfen ist die Organisation sehr offen mit allen Themen umgegangen.“
Oberbürgermeister Christian Ude, ebenfalls MfM-Kuratoriumsmitglied, war bereits drei Mal in Äthiopien, um sich die Projekte der Stiftung zeigen zu lassen. „MfM ist eine großartige Initiative. Ich habe bisher noch keinen einzigen Vorwurf gehört, dass auch nur ein einziger Euro in falsche Kanäle geflossen ist“, sagt er. Zudem habe Jürgen Wagentrotz gar kein Geld an MfM gespendet. „Er hat sich bereit erklärt, Marketingmaßnahmen zu organisieren.“ Sein Engagement beziehe sich also auf Zahlungsabläufe „außerhalb der Organisation“. Laut „Bild“-Zeitung soll der Unternehmer unter anderem Schiffsreisen und Charity-Nächte für Geschäftsführer Axel Haasis und Almaz Böhm finanziert haben. „Hier bestehe ich auf vorbehaltloser Aufklärung“, sagt Ude. Sich vom Kuratorium lossagen, will sich das Stadtoberhaupt aber auf keinen Fall: „Gerade in Zeiten, in denen Vorwürfe laut werden, Unklarheiten auftreten und eine Rufschädigung nicht ausgeschlossen ist, ist diese Kontrolltätigkeit wichtiger denn je.“
Licht ins Dunkel könnte nun die Münchner Staatsanwaltschaft bringen. „Uns liegen zwei Anzeigen vor, die wir prüfen“, so ein Sprecher. In der einen wirft der MfM-Vorstand Jürgen Wagentrotz Beleidigung vor. In der anderen klagt der Unternehmer über „falsche Verdächtigungen“.
Karlheinz Böhm kann den Streit seiner Erben nicht mehr schlichten. Der 84-Jährige ist schwer alzheimerkrank.
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