Serie

Karl-Heinz "Heinzi" Wildmoser juniors Kindheit in den 60ern: Hausaufgaben im Wirtshaus

Im letzten Teil der 60er-Jahre-Serie erzählt Wirt Heinzi Wildmoser von seinem Kinderleben zwischen Schenke und Küche im Westend.Und wieso er nie in der Kirche war - aber die dafür immer bei ihm.
von  Karl-Heinz "Heinzi" Wildmoser junior
Heinzi Wildmoser führt Wildmosers Restaurant am Marienplatz (früher: "Zum Ewigen Licht"), hier ist 1857 die Weißwurst erfunden worden.
Heinzi Wildmoser führt Wildmosers Restaurant am Marienplatz (früher: "Zum Ewigen Licht"), hier ist 1857 die Weißwurst erfunden worden. © Sigi Müller

Ich erinner mich an eine wirklich schöne Kindheit in den 1960er Jahren, damals noch im Westend. Ich bin 1964 geboren, zwei Jahre nach meiner Schwester Evi. Kurz davor haben meine Eltern in der Bergmannstraße die Gaststätte Ledigenheim übernommen. Der Papa ist ja Metzger und Schenkkellner gewesen, die Mama Köchin. Das Wirtshaus hat so geheißen, weil dahinter das Heim für alleinstehende Männer war, das steht ja bis heute dort.

Das Westend war damals urmünchnerisch mit Postlern und Bierfahrern in der Nachbarschaft und wenig Verkehr. Mein Kinderleben hat sich im Wirtshaus abgespielt und nah drumherum. Es hat einen Innenhof gegeben, da hab ich als kleiner Bub mit dem Gokart die Abfahrt runterfahren können, und da haben wir Fußball gespielt. Der Kindergarten war gegenüber, die Grundschule auch und die Kirche nebenan.

Eine Kindheit im Wirtshaus

Zur Gaststätte hat eine Wirtshauswohnung oben drüber gehört, in der wir gewohnt haben. Ans Bad kann ich mich erinnern, weil wir zwei Mal in der Woche gebadet haben und ich das Haarewaschen gar nicht mögen hab. Die Küch hat keine Rolle gespielt, weil mein Leben unten im Wirtshaus stattgefunden hat, in der Schenk und in der Küche.

Heinzis Vater Karl-Heinz Wildmoser (später Wiesn-Baron und Sechzger-Präsident) übernimmt 1961 die Gaststätte Ledigenheim im Westend, der Junior wächst im Wirtshaus auf.
Heinzis Vater Karl-Heinz Wildmoser (später Wiesn-Baron und Sechzger-Präsident) übernimmt 1961 die Gaststätte Ledigenheim im Westend, der Junior wächst im Wirtshaus auf. © privat

Der Pfarrer hat nebendran im Pfarrhaus gewohnt, davor war sein Garten mit Obstbäumen. Einmal hat er gschimpft, weil wir Kinder über den Zaun gestiegen sind und Obst geklaut haben. Eigentlich war's ja so, dass wir uns die Äpfel schon hätten holen dürfen. Gschimpft hat er, weil wir nicht gefragt haben.

Keine Zeit für Kirche am Sonntag

Sonntags in der Kirche waren wir nie. Aber die Kirch war nachher immer bei uns. Auch wegen der Mama ihrem Schweinsbraten oder den Sauren Lüngerln. Die Eltern hätten zum Kirchgehen gar keine Zeit gehabt.

Heinzi Wildmoser als Schulbub im formschönen Pullunder.
Heinzi Wildmoser als Schulbub im formschönen Pullunder. © Foto: privat/Repro: Sigi Müller

Zur Grundschule hab ich nur über die Straße gehen müssen. Das war ein Vorteil. Aber einen Nachteil hat das auch gehabt. Wenn die Lehrerin sich beschweren wollt, hat sie es nämlich auch nicht weit gehabt zu meinen Eltern. Man hat ja gewusst, ich bin der Bub von den Wirtsleuten gegenüber.

Das Ledigenheim an der Bergmannstraße im Westend, ein Wohnheim für alleinstehende Männer, gibt es heute noch.
Das Ledigenheim an der Bergmannstraße im Westend, ein Wohnheim für alleinstehende Männer, gibt es heute noch. © Sigi Müller

Nach der Schule bin ich ins Wirtshaus heimgekommen. Da waren schon viele Stammgäste und Freunde da. Die Atmosphäre war sehr rauchig. Ich weiß noch, dass der Papa Mokri ohne Filter geraucht hat, das war eine gelbe Schachtel, eine weiche. Er hat die immer stangenweis gekauft. Meine Hausaufgaben hab ich auch im Wirtshaus gemacht. Was gut war, weil viele Leut da waren, die mir geholfen haben. Der Postler, zum Beispiel, war Mittag um 12 Uhr schon fertig mit der Arbeit und hat mit mir schreiben und rechnen geübt.

"Heinzi" Wildmoser und die erste Liebe

Meine erste Liebe war eine ganz heimliche, das war die Petra aus der zweiten Klasse. Wir haben uns an der Treppe von der Post in der Bergmannstraße getroffen und ein bisserl geredet, aber natürlich nicht geküsst. Was aus ihr geworden ist, weiß ich leider nicht.

Mit Drei bekommt er seine Lederhosn, die er jahrelang als "Sonntagsgwand" trägt - wie seine ältere Schwester Evi, hier mit der Mama.
Mit Drei bekommt er seine Lederhosn, die er jahrelang als "Sonntagsgwand" trägt - wie seine ältere Schwester Evi, hier mit der Mama. © Foto: privat/Repro: Sigi Müller

Mein Vater hat einen alten Ford Taunus gefahren, beige mit braunem Dach. Mit dem sind wir jeden Sommer am Gardasee gewesen, immer am selben Ort, wie man das damals oft gemacht hat. In Gardone hab ich auch schwimmen gelernt.

Urlaub machen die Wildmosers in den 1960ern immer am Gardasee.
Urlaub machen die Wildmosers in den 1960ern immer am Gardasee. © Foto: privat/Repro: Sigi Müller

Die anderen Ferien hab ich oft bei den Großeltern im Bayerischen Wald verbracht, im Lamer Winkel, das waren die Eltern von meiner Mama. Wenn's nötig war, dass wir Kinder manierlich ausschauen, haben wir die Lederhosn angezogen, die waren quasi das Sonntagsgwand. Meine braune hab ich mit Drei bekommen, die Evi, meine Schwester, hat eine rote gehabt.

"Ich bin praktisch an der Wiesn und mit der Wiesn aufgewachsen"

Eine Wintergaudi aus der Zeit weiß ich auch noch. Der Innenhof vom Wirtshaus war mit einer Mauer von der Straße abgetrennt. Wenn's geschneit hat, haben mein Spezi und ich mit einer Schaufel den Schnee aus dem Hof auf die Straße rübergschmissn. Vorher hat natürlich einer von uns rausgeschaut, damit wir auch wirklich zielgenau einen Wirtshausgast treffen. Mei, da hat sich einer mal richtig aufgregt und herumgeplärrt: Was san denn des für Saukrippin ..!

Als ich in die dritte Klasse gekommen bin, haben meine Eltern den Pschorrkeller an der Theresienwiese übernommen, 1972 war das, auch mit einer Wirtshauswohnung obendrüber. Ab da bin ich praktisch an der Wiesn und mit der Wiesn aufgewachsen. In der Früh war's dort saulaut, ich hab den Lieferverkehr zum Wirtshaus gehört, das hat mich immer gestört. Dahinter war das Karstadt Warenhaus, auch wieder mit viel Lieferverkehr.

Ich glaub, dass ich damals, in der Grundschule, beschlossen hab, dass ich mal ruhig auf dem Land wohnen mag. Der Marienplatz, wo heute mein Wildmosers Restaurant-Café ist, ist der allerschönste Platz für mich, der ist einfach das Herz der Stadt. Aber aufwachen mag ich ganz gern leise, im Grünen vor der Stadt.

Bei meinen Kindern ist das heut anders, die wollen gern in die Stadt reinziehen, wo sich was rührt, wo was los ist. So ändern sich halt die Zeiten.

Protokoll: Irene Kleber


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