Kardinal Reinhard Marx will nach Missbrauchsgutachten weitermachen
München - "Jetzt sich die Vertuschung dann hier heute nicht fort?" – diesen Vorwurf eines Journalisten musste sich Kardinal Reinhard Marx am Donnerstag bei der Pressekonferenz zum Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) anhören, als er auf mehrere Fragen nach Papst Benedikts möglicher Lüge bezüglich seiner Rolle im Fall H. nur ausweichend antwortete: "Ich habe bis jetzt keine Information, dass der emeritierte Papst vertuscht hat, ich habe auch keine Information, dass die Kanzlei unsauber gearbeitet hat. Da wird jetzt ein Urteil von mir erwartet, aber da fühle ich mich überfordert", sagte Marx lediglich.
Kardinal Reinhard Marx: "Wir sehen ein Desaster"
Zuvor hatte Münchens Erzbischof beteuert, er sei "erschüttert und erschrocken" über die Missbrauchsfälle und das Verhalten Verantwortlicher. Betroffene wie Gläubige bat er erneut um Entschuldigung und forderte eine Erneuerung der Kirche. "Wir sehen ein Desaster", sagte Marx. Und: "Wer jetzt noch systemische Ursachen leugnet und einer Reform der Kirche entgegentritt, hat die Herausforderungen nicht verstanden." Dass er Betroffene übersehen habe, Schuld auf sich geladen habe, sei "unverzeihlich".
Gleichzeitig machte Marx deutlich: "Ich klebe nicht an meinem Amt." Er wolle sich aber in der jetzigen Situation nicht einfach "aus dem Staub machen". Marx hatte bereits vergangenes Jahr Papst Franziskus seinen Rücktritt als Erzbischof angeboten, was der Papst ablehnte.
Personelle Konsequenzen zog Marx also zunächst nicht. Jeder Verantwortliche solle selbst prüfen, wo er sich schuldig gemacht und welche Folgen er daraus zu ziehen habe, sagte er. Zum emeritierten Papst merkte er nur an: "Ich würde begrüßen, wenn er sich noch mal ausführlich äußert". Einzig Prälat Lorenz Wolf, der im Gutachten stark kritisiert wird, habe ihm mitgeteilt, dass er alle Ämter und Aufgaben ruhen lassen werde. Der Dach- und Spitzenverband der katholischen Jugend fordert Marx auf, "eingehend zu prüfen" Wolf seiner Ämter zu entbinden.
Kardinal Reinhard Marx: Auch Homosexuelle können Priester werden
Das Gutachten "ist ein tiefer Einschnitt für die Kirche hier im Erzbistum und darüber hinaus", sagte Marx, der sich mit den beiden ihm konkret vorgeworfenen Fällen von Fehlverhalten nochmals prüfend auseinandersetzen möchte. Er werfe sich vor, dass er engagierter hätte handeln können und in einem Fall nicht aktiv auf Betroffene zugegangen zu sein. Mehrmals sprach Marx von der Erneuerung, ohne die es seiner Meinung nach "keine Zukunft des Christentums in unserem Land" geben wird. Es sei ein langer Weg. "Für mich ist die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs Teil einer umfassenden Erneuerung und Reform, wie das der Synodale Weg aufgegriffen hat."
Dazu gehöre für ihn auch die Frage nach dem Umgang mit homosexuellen Mitarbeitern – unabhängig von der Weltkirche. "Da sind wir selbst gefordert und sollten selbst etwas tun, um jedes Erpressungspotenzial auszutrocknen", sagte er. Marx sieht darin auch keine Einschränkung für ein Priesteramt: Bei Priestern gehe man natürlich davon aus, dass sie zölibatär lebten. Bislang hätten manche Bischöfe gesagt, Homosexuelle könnten nicht zum Priester geweiht werden. "Das finde ich nicht", so Marx.
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