Kardinal Marx: "Luther war eine bombastische Gestalt"
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und Kardianal Reinhard Marx zeigen, wie sie sich die Feier des Lutherjahres vorstellen: Überraschend gemeinsam!
Was ist eigentlich noch „historisch“? Vor allem, wenn selbst die Hammerschläge Luthers am Tor der Wittenberger Schlosskirche von ungläubigen Historikern angezweifelt werden?
500 Jahre später können „historische“ Ereignisse jedenfalls auch unpathetisch daherkommen – in einer spätsommerlichen Pressekonferenz im labyrinthischen Haus der evangelischen Landeskirche, wo die beiden deutschen Oberhirten an einem Tisch sitzen: Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, gewohnt gravitätisch, man könnte auch sagen, immer leicht mürrisch wirkend – und der immer leicht jungenhaft unverdrossene Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm.
Erinnerung heilen - Christus bezeugen!
Vielleicht lag der leichte Stimmungsunterschied auch am Anlass, also der Frage: Wie begehen die beiden christlichen Konfessionen das kommende Lutherjahr? Die Antwort fällt klar aus: „Ökumenisch! – mit Freude und Dankbarkeit! Denn, wenn man die Heilige Schrift und Jesus Christus in den Mittelpunkt stellt, ist das ungeeignet für harte Abgrenzungen. Auch wenn es natürlich unterschiedliche Begeisterungslevel gibt“, sagt Bedford-Strohm, ein Heinrich, vor dem es der katholischen Kirche nicht mehr zu grauen scheint. „Denn noch vor 50 Jahren hätten wir in unserer Funktion hier so nicht zusammensitzen können – und noch unter dem Motto: Erinnerung heilen“, meint Marx, der bekennt, vor seiner Priesterweihe nie einen evangelischen Gottesdienst besucht zu haben.
Dann aber habe er bemerkt, dass die „ihren Gottesdienst auch würdig feiern“. Und Luther? Da fallen von Marx die bemerkenswertesten Worte der Zusammenkunft: „Der war eine bombastische Gestalt, ein beeindruckender Gottessucher, so wie ich mir das auch von meinen Pfarrern und Theologen wünschen würde: dieses Ringen bis zum Letzten!“ Und dann folgt das Bekenntnis: „Mein Lieblingsgebet ist ,Jesus, Dir leb’ ich, Jesus, Dir sterb’ ich’ – und ich habe erst spät erfahren, dass es von Martin Luther ist.“
Versöhnen statt spalten! Aber der Papst muss draußen bleiben!
Schaut man in das 80-seitige „gemeinsame Wort zum Jahr 2017“ liest man einen bemerkenswerten Text: „2017 ist die erste Gedächtnisfeier der Reformation im Zeitalter der Ökumene“, heißt es da, so dass man als Überschrift auch den alten Johannes-Rau-Spruch „Versöhnen statt spalten“ hätte hernehmen können. Liest man hinein, geht es viel um die Aufarbeitung historischer Verkeilungen. Schließlich prägten Jahrhunderte lang Ketzer-Vorwürfe und Luthers Wut auf die Papstkirche als Hort des Antichrist die Atmosphäre.
Auch werden „offene Fragen“ klar benannt: Erkennt die katholische Seite die „evangelische Kirche“ als „Kirche“ an? Wie geht die katholische Seite mit der Frauen-Ordination um, wie mit dem gemeinsamen Abendmahl? Was machen die Evangelischen mit dem Papsttum und dessen Vertretungsanspruch?
Schön ist, dass diese Problematiken nicht geleugnet werden, aber klar gemacht ist: Das kann man auch nicht einfach lösen. Aber „es ist schon so viel passiert“, wie Marx betont, da sei ein andauerndes „Und? Was jetzt, Was jetzt? Was jetzt?“, der falsche Ansatz. „Heute“, in so säkularen Zeiten“, so Bedford-Strohm, komme es darauf an, die Leute zu überzeugen, dass es Gott gibt und „öffentlich Jesus Christus zu bezeugen!“ Das sagt er fast schon mit lutherischer Wucht.
Und der Papst wird das Lutherjahr in Deutschland nicht stören, aber dafür beim Gottesdienst des Lutherischen-Weltbundes, am 31.10.2017 im schwedischen Lund zugegen sein.