Kann es so einfach sein? Experten sprechen über Lösung für Wohnungsnot in München

München - Wie in vielen anderen deutschen Großstädten auch fehlt es in München an Mietwohnungen – umso gefragter sind Ideen, wie man dieses Problem lösen kann. Könnte man nicht den Büro-Leerstand nutzen und diese Flächen in Wohnungen umwandeln? Die AZ wollte wissen, wie tragfähig dieser Plan ist, was damit konkret für München gewonnen wäre und wie schwierig die Umsetzung sein könnte.
Wohnungen fehlen, Büros stehen leer: Wie ist die Lage in München?
Leerstehende Büroflächen in den sieben A-Städten München, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und Stuttgart – das sind Top-7-Metropolen, in denen der Immobilienkauf am beliebtesten und am teuersten ist – böten ein Potenzial für insgesamt fast 20.000 Wohnungen. Und die könnten bereits im Jahr 2025 zur Verfügung stehen, wie eine Analyse der Immobilienspezialisten von Jones Lang LaSalle (JLL) zeigt.
Die Experten errechneten zudem, dass dies rund 40 Prozent des über den Zeitraum 2023 bis 2025 kumulierten zusätzlichen Bedarfs von etwa 51.000 Wohneinheiten entspreche: "Dem Gesamtbedarf an zusätzlichen Wohneinheiten von jährlich rund 58.800 Wohneinheiten steht damit ein erwartetes durchschnittliches Fertigstellungsniveau von rund 42.200 Wohnungen pro Jahr gegenüber", heißt es in der Mitteilung.
"Großes Zukunftsthema": JLL-Experte Trost über die Umwandlung von Arbeiten zu Wohnen
Demnach ist die Lücke zwischen geplanten Fertigstellungen und dem jeweiligen Wohnungsbedarf in Berlin besonders groß: Dort fehlen bis 2025 jedes Jahr 6500 Einheiten. In Frankfurt müssten zusätzlich 3500 Wohnungen entstehen, in München deren 3300.

Mit Blick auf die Immobilien-Umwandlung von Arbeiten zu Wohnen sagte Markus Trost im Gespräch mit der AZ: "Ich bin sicher, dass da Projekte kommen werden, das ist ein großes Zukunftsthema und grundsätzlich attraktiv." Trost, Niederlassungsleiter JLL München, hat dort gerade zusätzlich die neu geschaffene Stelle als "Executive Director Urban Developments" übernommen und konzentriert sich unter anderem auf die Restrukturierung städtischer Quartiere. "Für München sehe ich ein Adhoc-Potenzial von 3000 Wohnungen", sagte Trost. Die Bereitschaft von Investoren und Projektentwicklern sei da, allerdings müssten alle Beteiligten bei solchen Vorhaben visionär denken und unbedingt an einem Strang ziehen.
Büroflächen zu Wohnflächen in München: Was sind die Hürden bei der Umsetzung der Pläne?
Trost: "Leerstehende Büros sind immer auch ein negativer Standortfaktor, einfach abreißen geht aber auch nicht, weil man keine graue Energie verschwenden will." In der Branche befasst man sich in der jüngeren Vergangenheit verstärkt mit der Frage, was ein Gebäude in der Erstellung an Energie verbraucht. Dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die ESG-Problematik (Environmental, Social, Governance) längst im Wirtschaftsleben verankert ist, steht außer Frage. Laut Trost kommt hinzu, dass viele Wohnungssuchende ihren Kaufwunsch aufgrund der gestiegenen Kreditzinsen auf Eis gelegt haben: "Durch die stark angestiegenen Finanzierungskosten können sich viele den Kauf einer Wohnung nicht leisten."
Wenn man Büros zu Wohnungen umbauen würde, könnten beim aktuelle Büro-Leerstand in den sieben größten deutschen Städten laut JLL mehr als 11.000 Wohnungen entstehen. Diese Zahlen zeigen allerdings auch, dass man mit der Umwandlung von Büros nur einen vergleichsweise kleinen Beitrag leistet, um die Wohnungsknappheit in Deutschland zu lindern.
Markus Trost weist zudem auf einige grundsätzliche Hürden bei der Umsetzung der Pläne hin...
- eine Baugenehmigung für die Umnutzung zum Wohnen muss erteilt werden; es kann Jahre dauern, wenn das Baurecht geändert werden muss
- für zusätzliche Wohnungen müssen auch Kitas und Schulen geplant werden, außerdem Nahversorgung und Geschäfte; in Gewerbegebieten sind solche Einrichtungen meist nicht vorhanden
- für Wohnen muss baulich angepasst werden: Balkone und Terrassen, Versorgungsleitungen für Bäder und Küchen, zusätzliche Treppen und Schallschutzmaßnahmen; aber auch Spielplätze und Außenanlagen
Stephan Kippes: "Regularien wie Brandschutz oder Schallschutz sind am Ende der Killer"
"Man muss sich das von Fall zu Fall genau anschauen", sagte auch Stephan Kippes vom Immobilienverband Deutschland (IVD Süd) der AZ.

Auch Gebäudetiefen oder Deckenhöhen spielten da eine Rolle: "Und oft sind Regularien wie Brandschutz oder Schallschutz am Ende der Killer." Klar sei aber auch, dass Wohnungen weiter händeringend gesucht würden und die Nachfrage nach Büros "krass zurückgegangen" sei. Von JLL ermittelte Zahlen bestätigen das: Auf dem Münchner Bürovermietungsmarkt wurde demnach 2023 mit 480.800 Quadratmetern rund 37 Prozent weniger Fläche als im Jahr zuvor umgesetzt.
Auch hinter dem Fünf- und Zehnjahresschnitt blieb 2023 mit einem Minus von jeweils 36 Prozent deutlich zurück. Erheblichen Anteil daran dürfte das dritte und gleichzeitig schwächste Quartal seit Beginn der ausführlichen Quartalsaufzeichnung zum Jahresbeginn 1998 haben.
Büromarkt München: Leerstandsquote steigt binnen 2023 von 4,1 auf 5,2 Prozent
"Wir befinden uns trotz sinkender Kerninflation und stabilisierter Energiekosten noch immer in einem fragilen wirtschaftlichen Umfeld, das sich auch auf den Bürovermietungsmarkt auswirkt", so Trost. Auffällig: Die Spitzenmiete hat mit bereits 50 Euro pro Quadratmeter im vierten Quartal 2023 eine neue Höchstmarke erreicht, gegenüber 44 Euro pro Quadratmeter im Jahr zuvor.
Technische Universität mietet im Umland-West rund 9700 Quadratmeter an
Mit 109.600 Quadratmetern, also mit nahezu einem Viertel des Gesamtflächenumsatzes, war die Innenstadt 2023 nach JLL-Angaben der gefragteste Teilmarkt Münchens, gefolgt mit deutlichem Abstand vom Umland-Nord (57.700 m²) und dem Teilmarkt Süden (55.400 m²). Markus Trost: "Die Leerstandsquote ist binnen eines Jahres von 4,1 auf 5,2 Prozent gestiegen, dabei unterscheiden sich die Teilmärkte substanziell – während die Quote in Moosfeld/Riem bei neun Prozent liegt, ist sie mit 1,3 Prozent in Bogenhausen und 1,9 Prozent in der Innenstadt verschwindend gering."

In fünf von zwölf Teilmärkten beträgt die Leerstandsquote den Berechnungen zufolge weniger als drei Prozent, nur der Eigennutzer Deutscher Gewerkschaftsbund lag mit dem Gewerkschaftshaus im Teilmarkt Innenstadt (10.400 m²) über der wichtigen Schwelle von 10.000 Quadratmetern. Die Technische Universität München mietete im Umland-West rund 9700 Quadratmeter an, bei Agile Robots im Isarwork im Teilmarkt Süden waren es 9300 Quadratmeter.
Architekt Ochs verweist auf mögliche bauplanungsrechtliche Probleme
Laut JLL hat die Vielfalt der Lagen in München in den letzten Jahren deutlich zugenommen; größere Entwicklungen in Sendling, Neuperlach, im Münchner Osten oder im nahegelegenen Dornach (Landkreis München) erweitern demnach perspektivisch das Angebot etablierter Lagen.
So soll zum Beispiel der ehemalige Siemenssitz in Obersendling zu einem urbanen Quartier mit etwa 220 Wohnungen, Einzelhandel, kulturellen Angeboten sowie Kindertagestätten umgebaut werden, während das bestehende Bürogebäude am Siemens Campus durch Erweiterung zu einem Wohnquartier werden soll.

Mit dem Aufstieg und Weggang der Firma Siemens habe sich in Obersendling viel getan, findet Fabian Ochs, Gründer von Ochs Schmidhuber Architekten in München. Das Architekturbüro ist spezialisiert auf zukunftsfähige Stadtbausteine für Wohnen und Arbeiten sowie städtebauliche Konzepte und ist unter anderem in das SOuth HOrizon-Projekt (SoHo Munich) eingebunden.
Wenn es um die Verwandlung von Büroflächen in Wohnflächen geht, verweist Ochs zunächst einmal auf die bauplanungsrechtlichen Schwierigkeiten. "Je nachdem, wie die Gebiete im Flächennutzungsplan kategorisiert sind, wird das womöglich nicht zu Unrecht von der Stadt abgelehnt. Denn wenn man da einmal einen Präzedenzfall geschaffen hat, dann ist natürlich an jeder Stelle gleich Tür und Tor geöffnet", sagte er im Gespräch mit der AZ.
Büros zu Wohnungen in München: "Es gibt auf jeden Fall Lagen, wo man das möglich machen könnte"
Dann sei das Ganze nicht mehr allein eine Frage der Stadtplanung oder ein Thema für die Lokalbaukommission, dann werde das Referat für Arbeit und Wirtschaft selbstverständlich darauf achten, dass Gewerbegebiete eben auch solche bleiben. Ochs: "Nichtsdestotrotz gibt es auf jeden Fall Lagen, wo man das überlegen und möglich machen könnte – zum Beispiel, wenn vielleicht perspektivisch mal ein Siemens-Standort in Neuperlach ein Wohn-Standort wird."
Ochs ist ein Fan der durchmischten Variante, "denn die tradierte europäische Stadt war schon immer durchmischt". Und wenn man sich intakte Altbaugebiete anschaue, dann seien die durchmischt: "In Schwabing wird auch nicht nur gewohnt. Da finden Sie zwar keine riesigen Bürokomplexe, aber eben doch so einiges, was in einem etwas größeren Maßstab in einem Altbaugebiet funktioniert."
München: Architekt Ochs über Büros und Wohnungen in einem Komplex
Hinter der in der Baurechtsnovelle neu implementierten Gebietskategorie Urbanes Gebiet (MU) steckt genau diese Idee: Wohnen und Arbeiten soll wieder näher zusammenrücken. In solchen Arealen ist eine höhere und dichtere Bauweise erlaubt, die den Planern mehr Freiraum gibt, als es die üblichen Kategorien wie Wohn-, Gewerbe-, Misch- und Kerngebiet zulassen.
Arbeiten sei eben nicht mehr so laut sei "wie zu Zeiten der Industrialisierung", und man könne so "flexibler auf gesellschaftliche Anforderungen reagieren", indem man hier mal mehr Arbeiten und da mal mehr Wohnen vorsehe, findet Ochs. Für das Werksviertel und das Büro Steidle Architekten kamen die Urbanen Gebiete als Instrumentarium zu spät, aber das Modell der gemischten Stadt fand hier dennoch eine beispielhafte Umsetzung – schließlich gewann das ehemalige Pfanni-Areal mit seiner Kunstpark-Ost-Vergangenheit den Deutschen Städtebaupreis.

Wie sieht es denn mit Büros und Wohnungen in einem Komplex aus? "Viele Investoren sträuben sich dagegen, weil das – in Anführungszeichen – Gewerbesteuer-Schaden auf die gewerbliche Immobilie auslöst, aber es gibt Bestandshalter, die das vorbildlich integriert haben. Wie zum Beispiel am Schwabinger Tor, da ist das sehr gemischt. Hausweise oder auch etagenweise", antwortet Fabian Ochs.
Ochs: "Gründerzeitliche Gebäude wie in Neuhausen oder Schwabing gehen für alles"
Der Architekt verweist auch auf neuere städtebauliche Entwicklungen, so ist sein Büro zum Beispiel in die Planungen an der Machtlfinger Straße, dem großen Areal im Münchner Süden, eingebunden. Dort gebe es viele als Urbanes Gebiet ausgelegte Flächen, das mache es leichter. "Aber wir haben halt weite Bereiche, die sind Wohngebiete beziehungsweise besondere Wohngebiete oder eben Gewerbeflächen – und da geht es gar nicht. Es sei denn, man denkt weiter in Richtung eines anderen Ansatzes, dass es dort wieder mehr Betriebswohnungen gibt."

Klar ist: Wenn es um das Thema Erschließung geht, passen Büro und Wohnung nicht unbedingt zusammen, so wird Wohnungsbau in Projekten großen Maßstabs beispielsweise mit tragenden Wänden konzipiert, während Büros mit tragenden Säulen entstehen. "Gründerzeitliche Gebäude wie in Neuhausen oder Schwabing hingegen gehen für alles", findet Ochs. "Da sprechen wir aber vielleicht von 120 oder maximal 250 Quadratmetern. Ob da nun gewohnt wird oder eine Anwaltskanzlei drin sind, macht keinen Unterschied."
Einen Blick in die Zukunft wagt das Büro Ochs Schmidhuber Architekten mit seiner Ausstellung "Future Urbanity", die am 9. April (19 Uhr) in der Architekturgalerie München im Bunker eröffnet wird und bis 12. Mai läuft. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie sich eine bereits gebaute Stadt weiterentwickeln kann, um den sich verändernden Bedürfnissen ihrer Bewohner gerecht zu werden.
Wie nahe an der Wirklichkeit und wie dringlich ist es nun, Büros zu Wohnungen umzuwandeln, wollte die AZ von Lydia Haack, der Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer, wissen. "Ob es realistisch ist, dass das kommt, hängt von Angebot und Nachfrage ab", antwortete die Architektin und Stadtplanerin. Entscheidend sei, was der Markt hergebe, ob man die Immobilie noch vermieten könne.
Lydia Haack: "Die Regeln und Normen für das Bauen müssen heruntergefahren werden"
"Wenn Wohnungen gebraucht werden, ist das natürlich sinnvoll", sagte sie weiter. Auch wenn das in München ohne Zweifel der Fall sei, bedürfe es einer Betrachtung im Einzelfall: "Jede Lage ist unterschiedlich bewertet. Und wenn großflächig Büros in Wohnungen umgewandelt werden, dann muss die Stadt natürlich schauen, ob sie für die Familien auch das entsprechende Angebot vor Ort hat, wie beispielsweise Schulen und Kindergärten."

Bauen im Bestand sei eine echte Herausforderung, denn die betreffende Immobilie müsse nach den geltenden Regeln, Normen und energetischen Standards auf den neuesten Stand gebracht werden. Für Lydia Haack steht fest: "Die Regeln und Normen für das Bauen insgesamt müssen heruntergefahren werden. Unsere Bauordnungen sind eigentlich ganz gut und belastbar, aber das Zivilrecht hat so viele rechtliche Normen quasi aufkommen lassen, dass es umständlich wird. Hier ist jetzt das Bundesjustizministerium gefordert."
Lydia Haack: Bestand transformieren und neue Wohnformen in München berücksichtigen
Mit ihrer Initiative "Gebäudetyp-e" wirbt die Bayerische Architektenkammer daher für ein zusätzliches Angebot innerhalb der Bayerischen Bauordnung. Dabei ersetze der "Gebäudetyp-e" – das "e" steht für "einfach" und für "experimentell" – nicht die in der Bayerischen Bauordnung geltenden Gebäudeklassen, sondern ergänze diese, sagt Haack: "Bauherren und Planer erhalten damit die Freiheit, ihr Projekt auf den eigentlichen Kern der Schutzziele der Bayerischen Bauordnung zu reduzieren, also Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz. Auf darüber hinaus gehende Normen und Standards wird verzichtet."
Lydia Haack sieht auch großen Bedarf an neuen Modellen, die so noch gar nicht gebaut seien. Sie denkt da an nutzungsneutrales Wohnen, das sich nicht mehr am gängigen Muster "Vater, Mutter, Kind" orientiert, sondern alle möglichen Lebensformen im Auge behält. Zudem sieht sie darin die Chance, gerade größere Immobilien zum Beispiel für Senioren-WGs oder für Wohnen im Alter zu nutzen: "Wenn wir also Bestand transformieren, macht es auch Sinn, diese neuen Wohnformen zu berücksichtigen."
Architekt Till Richter: Bürogebäude mit Sanierungsbedarf haben großes Potenzial
Natürlich könne man einem bestehenden Gebäude nicht einfach eine neue Nutzung "überstülpen", sondern müsse seine "ruppige Struktur" untersuchen und schauen, welche Nutzung zu welchem Bestand passe. Dem stimmt Till Richter ohne Wenn und Aber zu. Der Architekt ist Partner bei Auer Weber und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Bauen im Bestand, dem er sich auch in Vorträgen und Seminaren widmet.
"In erster Linie bieten sich für die Umwidmung Bürogebäude an, die ohnehin bereits einen gewissen Sanierungsbedarf haben oder vielleicht kurz davorstehen, saniert zu werden – wo ich also im Falle einer Weiternutzung als Büro guten Gewissens stärker in den Bestand eingreifen kann", sagte er der AZ.

Und wenn man das Ganze auf andere Gebäudetypologien ausweite, "fallen einem sicher die Kaufhäuser ein, wie zum Beispiel der Kaufhof am Stachus". Als "spannendes Thema" betrachtet er die Umwandlung von Parkhäusern: "Das scheitert oftmals an den Realitäten, auf eine längere Perspektive gesehen fallen aber im Zuge der Verkehrswende bestimmt auch Parkhäuser weg."
Bauen im Bestand in München: Für Till Richter spielt die emotionale Energie eine große Rolle
Wenn in der Architektenschaft Umnutzungspotenziale für die nächsten Jahrzehnte diskutiert würden, gehe es da vor allem um Warenhäuser, aber zunehmend auch um leerstehende Bankfilialen und dergleichen. "Weil sich Dienstleistung eben zunehmend in den digitalen Raum verlagert", so Richter: "Anderenorts werden mittlerweile aber sogar Kirchen in Wohnungen umgenutzt."
Mit großem Interesse verfolgt Till Richter auch die Diskussion um die Zukunft des Strafjustizzentrums an der Nymphenburger Straße, wo man sich gegen einen Abriss und für eine Umwandlung in Wohnungen ausgesprochen hat. Allerdings wird es einen Umzug in das neue Justizzentrum am Leonrodplatz nicht vor 2025 geben.
"Meine Grundmaxime ist es, bei der Umnutzung zumindest den Rohbau zu erhalten"
"Ich baue am liebsten im Bestand, da kann man nicht einfach seinen Stiefel durchziehen und jedes Mal dasselbe bauen. Da habe ich nicht dieses sprichwörtlich weiße Blatt Papier vor mir, da ist schon eine ganze Menge drauf", sagt Till Richter über die Herausforderung, die ihm so am Herzen liegt.
Die Aufgabe erlebe er auch als eine Art Hilfestellung, um zu kreativen Lösungen zu kommen: "Durch die Zwänge, die in einem solchen Gebäude drinstecken, wird man bei jedem neuen Projekt dazu animiert, andere Ansätze zu finden. Ich habe dann nicht das bewährte und ein bisschen langweilige Wohnmodell von der Stange, sondern eines, das womöglich seine Schwächen hat, aber eben auch Alleinstellungsmerkmale, die es in der Nachbarschaft so nicht zu finden gibt."

Wichtig ist ihm neben dem Faktor Nachhaltigkeit – Stichwort graue Energie – auch eine Art "emotionale Energie" im Bestand. Gebäude verbinden sich demnach oft mit Erlebnissen und Erinnerungen, die sie an einen Ort verwurzeln. So stehe das Strafjustizzentrum zum Beispiel seit 50 Jahren an dieser Ecke, habe sicher nicht allen nur gefallen und sei doch eine Art Identifikationspunkt.
"Und das dann abzureißen, ist schon ein heftiger Gedanke", sagte Till Richter der AZ. "Meine Grundmaxime ist es, bei der Umnutzung zumindest den Rohbau zu erhalten, nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit. Eigentlich müsste man eine Zwangsabgabe einführen, damit Bauherren nicht zu schnell zu dem Schluss kommen, ein Gebäude abzureißen anstatt mit dem Bestand zu arbeiten."
Den Immobilienspezialisten von Jones Lang LaSalle (JLL) zufolge summierte sich der Büroleerstand in den sieben Metropolen München, Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf Ende 2023 auf rund 5,64 Millionen Quadratmeter, davon 2,68 Millionen abseits gefragter A-Lagen, wo eine Wiedervermietung relativ leicht ist. Berücksichtigt in der Rechnung wurden nur Flächen mit mindestens je 5000 Quadratmetern (in Summe gut eine Million Quadratmeter). Rechnet man nicht als Wohnfläche nutzbare Flächen wie Treppenhäuser etc. heraus, ergeben sich rund 11.300 Wohnungen in den Metropolen mit je 65 Quadratmetern (durchschnittliche Größe einer Wohnung im Mietwohnungsbau).