Kampf gegen aggressive Hunde in München: Zahl der Vorfälle steigt

Rund 100 Mal im Jahr fällt ein Vierbeiner in der Stadt einen Menschen an. Der KVR-Chef rät zur Zamperl-Erziehung in einer Hundeschule. Dafür erlässt die Stadt ein Jahr die Hundesteuer.
von  Irene Kleber
Josef Urbauer
Josef Urbauer

München - Für die sechsjährige Isabelle dürfte der Tag im Mai traumatisch bleiben. Das Mädchen hatte mit seinem Kindermädchen und anderen Kindern in der Parkanlage Grüntal am Herzogpark (Bogenhausen) gespielt, als sich plötzlich ein Schäferhund von seiner Halterin losriss.

Das Tier mit dem Namen "Basti" stürzte sich auf das Kind, verbiss sich zuerst in Kopf und Haare, dann in den Oberschenkel (AZ berichtete).

Während die Halterin regungslos stehenblieb, habe der Hund das Kind "wie einen Spielball" über die Wiese geschleift, erzählte Isabelles Mutter später. "Sie hätte tot sein können." Erst als eine beherzte Frau eingriff und das verletzte Kind auf den Arm nahm, endete der Spuk.

"Ein Hund, der gut gehorcht, macht allen das Leben leicht."

Es war – in diesem Jahr – vermutlich die schockierendste Beiß-Attacke in München. Aber nicht die einzige. Wie aus dem Sicherheitsbericht des Kreisverwaltungsreferats hervorgeht, sind allein im vergangenen Jahr 101 Münchner von Hunden angefallen und gebissen worden – mindestens, denn vermutlich werden viele Vorfälle nicht gemeldet. In den zwei Jahren davor waren es 99 und 93 Beiß-Fälle, also kaum weniger.

Münchens Zamperl greifen aber nicht nur Menschen an, sondern immer wieder auch andere Tiere. Hier hat sich die Zahl der gemeldeten Fälle von 2015 auf 2016 fast verdoppelt (auf 84).

Insgesamt registriert die Ordnungsbehörde pro Jahr 400 bis 500 von Hunden ausgelöste Vorfälle. Im Juli etwa lief ein unangeleinter Hund vor eine Radlerin, die dabei so unglücklich stürzte, dass sie ins Krankenhaus musste. Bei einer Beißerei zwischen zwei Hunden im August biss eines der Tiere die Hundehalterin des anderen so fest in die Hand, dass die Frau ambulant behandelt werden musste.

Gemessen an der neuen Rekordzahl an Hunden in der Stadt (aktuell sind es rund 35.500; AZ berichtete) mag das noch eine überschaubare Zahl an Vorfällen sein. Die allermeisten Zamperlhalter kommen gut zurecht mit ihren Tieren.

Allerdings mangelt es bei vielen Hunden an einer guten Grunderziehung (siehe dieses Interview). "Und jeder Fall, in dem ein Hund einen Menschen verletzt, ist einer zu viel", mahnt Kreisverwaltungs-Chef Thomas Böhle (SPD). Er appelliert an Hundehalter, zumal an die vielen neuen Erst-Besitzer, sich intensiv darum zu kümmern, dass ihre Hunde sich sozialverträglich verhalten und die wichtigsten Kommandos befolgen.

"Zwischenfälle, bei denen Menschen oder andere Tiere verletzt werden, gilt es zu vermeiden", so der Ordnungs-Chef. "Ein Hund, der gut gehorcht, macht allen das Leben leichter. Ein Besuch der Hundeschule ist also anzuraten."

Halter, die in die Hundeschule gehen, sparen ein Jahr Hundesteuer

Der Stadtrat hat deshalb letzte Woche erst beschlossen, für Münchens Zamperlhalter weitere Erziehungs-Anreize zu schaffen – und eine (bisher zum Ende des Jahres befristete) Steuerentlastung auch für die Zukunft verlängert:

Wer seinen Hund in einer Hundeschule professionell "Komm!", "Sitz!" und "Platz!" lernen lässt und am Ende einen "Hundeführerschein" nachweist, muss für ein Jahr keine Hundesteuer an die Stadt zahlen. Damit spart man pro Hund 100 Euro – ein "Hundeführerschein" (150 bis 200 Euro) ist damit immerhin teilweise bezahlt.

Seit dem Start 2014 haben allerdings nur 103 Herrchen und Frauchen davon Gebrauch gemacht, vermutlich hat sich dieses Angebot noch zu wenig herumgesprochen. Erwartet hatte das Ordnungsamt bis zu 700 Anträge auf Steuerbefreiung. Langfristig soll auf diesem Weg mindestens jeder fünfte Hundehalter (das wären dann 7000) einen führerscheingeprüften Hund haben.

Für einige Halter bleiben die Vorfälle freilich nicht ohne Konsequenzen: Allein bis Ende Juni hat das KVR heuer 37 "sicherheitsrechtliche Anordnungen" getroffen. 20 gefährliche Hunde dürfen ohne Leine überhaupt nicht mehr auf die Straße. Einige wurden ihren Haltern weggenommen.

Wie übrigens auch der Schäferhund aus dem Herzogpark. Seine Halterin (47), die nach der Beiß-Attacke auf die kleine Isabelle zunächst einen falschen Namen angegeben hatte, ist wenige Tage später von der Polizei in der Nachbarschaft gefunden worden.


Schäferhund "Basti" (damals ein Jahr alt) hatte im Mai die sechsjährige Isabelle attackiert und war danach erst mal im Tierheim gelandet. Seine frühere Halterin darf keinen Hund mehr haben – der Schäferhund hat inzwischen ein neues Zuhause in München. Foto: Tierheim

Die Beamten brachten den Schäferhund ins Tierheim. Inzwischen, sagt eine Tierheimsprecherin, habe der Hund ein neues Frauchen in München. Das Tier sei laut den Tierpflegern übrigens nicht grundaggressiv, sondern lediglich sehr ungestüm und vor allem: kein bisschen erzogen gewesen. Jetzt bekommt der Schäferhund eine Grundausbildung. In einer Hundeschule.

Umfrage: Haben Sie einen Hundeführerschein?

Josef Urbauer
Josef Urbauer

Josef Urbauer (55), selbstständig, mit Labrador-Mischling Giacomo: "Mir ist bekannt, dass es einen Hundeführerschein gibt. Aber gemacht habe ich noch keinen. Von Berlin her weiß ich, dass der Aufwand ziemlich groß ist. Wenn der Hundeführerschein irgendwann Pflicht für große Hunde wird, dann mache ich den. Giacomo wird ihn mit Bravour bestehen."

Gisela van Riesen
Gisela van Riesen

Gisela van Riesen (73), Standlchefin, mit dem Russischen Terrier Lello: "Bisher wusste ich noch nichts von einem Hundeführerschein. Ich denke, man kann seinen Hund selbst gut erziehen. Da brauche ich keinen Hundeführerschein. Der zeitliche Aufwand dafür ist bestimmt groß. Lello ist brav wie ein Lamm und tut niemandem etwas. Der ist froh, wenn er seine Ruhe hat."

Klaus Lorenz
Klaus Lorenz

Klaus Lorenz (62) mit Boxer Chicco: "Man sollte wissen, was man tun muss, wenn man sich einen Hund zulegt. Alles, was wichtig dafür ist, kann man im Internet nachlesen. Mein Hund ist von mir sehr gut erzogen worden. Von einem Hundeführerschein habe ich noch nichts gehört, ich will aber auch keinen machen. Ich kenne aber einige, die eine Hundeschule aufsuchen."


Tut die Stadt genug? Schreiben Sie uns!

Was sagen Sie, liebe AZ-Leser: Muss die Stadt München härter gegen aggressive Hunde vorgehen? Reicht der Anreiz, den Haltern Steuern zu erlassen, wenn eine Hundeschule besucht wurde? Oder müssten noch viel weitergehende Maßnahmen her? Und wie sind Ihre Erfahrungen mit Hunden und ihren Haltern auf Münchens Straßen? Sind Sie vielleicht selbst schon einmal gebissen worden? Oder sind Sie selbst Hundehalter und ärgern sich über strenge Vorgaben? Schreiben Sie uns, Ihre Meinung interessiert uns sehr! Ihren Brief oder Ihre E-Mail adressieren Sie bitte an die Abendzeitung, Leserforum, Garmischer Straße 35, 81373 München oder per Mail an leserforum@az-muenchen.de. Sie können auch Ihre Meinung direkt hier in die Kommentare unter diesem Artikel posten.

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