Interview

Kabarettistin Luise Kinseher demonstriert in München gegen Rechts: Was sie von Aiwanger, Merz und der Gruberin hält

An diesem Mittwoch wird auf dem Odeonsplatz in München bei "Zammreißen" gegen Rechts demonstriert. Mit dabei ist auch Luise Kinseher (54). Von 2011 bis 2018 hielt sie die Salvatorrede auf dem Nockherberg. Warum sie auf der Demo sprechen wird, erklärt die preisgekrönte Kabarettistin im Interview mit der AZ.
von  Thomas Becker
Luise Kinseher wird an diesem Mittwoch am Odeonsplatz auf der Bühne stehen.
Luise Kinseher wird an diesem Mittwoch am Odeonsplatz auf der Bühne stehen. © picture alliance/dpa/Tobias Hase

München – An diesem Mittwochabend werden wohl viele Tausend Münchner auf dem Odeonsplatz gegen einen Rechtsruck demonstrieren. Aufgerufen hat ein Bündnis aus Bellevue di Monaco, Bündnis Offen bleiben!, dem Verein Lichterkette und München ist bunt zur Demo "Zammreißen! – Bayern gegen Rechts".

Mit dabei: die Kabarettistin Luise Kinseher, die als Mama Bavaria der bayerischen Politikszene auf dem Nockherberg schon mehrmals die Leviten gelesen hat, bevor sie den Stab an Maxi Schafroth übergab. In der AZ spricht die gerade wieder preisgekrönte Kabarettistin darüber, warum sie es wichtig findet, auf die Straße zu gehen.

"Zammreißen" in München: Warum die öffentliche Kundgebung so wichtig ist

AZ: Frau Kinseher, erst mal herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kabarettpreis! Den gewinnt man auch nicht alle Tage. Fast 25 Jahre nach Ihrem ersten Preis, dem Passauer Scharfrichterbeil, ist die Sammlung allmählich komplett, oder?
LUISE KINSEHER: Stimmt, alle wichtigen Kabarettpreise habe ich mittlerweile schon bekommen. Aber es ist schon noch Platz oben auf dem Büroschrank.

Auf dem Schrank? Da müssen Sie ja ständig abstauben! Aber lassen Sie uns über etwas anderes reden: die Demo "Zammreißen! Bayern gegen Rechts" am Mittwochabend auf dem Odeonsplatz. Ganz platt gefragt: Warum finden Sie diese öffentliche Kundgebung gerade jetzt so wichtig?
Erstens ist am Sonntag Landtagswahl, da ist es gut, sich vorher nochmal zu äußern, um vielleicht noch ein paar Menschen zu erreichen, die denken: "Ach, mich nervt die CSU so, mich nervt der Aiwanger so, die Grünen wähl' ich sowieso nicht, dann geb ich meine Stimme halt der AfD." Davon wollen wir Menschen abhalten. Und zweitens ist die Stimmung angesichts der Migrationsdebatte und einiger anderer Themen wahnsinnig verhärtet und vergiftet. Und wenn wir für ein offenes Bayern und eine offene Gesellschaft sind, dann müssen wir das gerade jetzt laut sagen.

Luise Kinseher über Friedrich Merz: "Das ist Fischen nach rechten Stimmen"

Gerade erst hat sich ja auch CDU-Chef Friedrich Merz mit Aussagen über Asylsuchende hervorgetan, die Deutschen angeblich den Platz beim Zahnarzt wegnehmen.
Ja, Wahnsinn. Aber vielleicht ist das nur Fischen nach rechten Stimmen. Man redet denen ein bisschen nach dem Mund, aber eigentlich ist die eigene Gesinnung gar nicht so krass. Das sagt man halt jetzt aus lauter Polemik. Bei Hubert Aiwangers Geschichte haben wir jetzt gerade gesehen: Hm, vielleicht geht das ja doch ein bissl tiefer. Vielleicht ist das ja gar nicht reiner Populismus oder spitzfindige Politik oder Gut-in-Bierzelten-reden-können oder mal gescheit auf den Tisch hauen oder mal ein bisschen daneben formulieren. Steht da vielmehr vielleicht doch eine Gesinnung dahinter? Geht das nicht in eine Richtung, die zum Beispiel wir nicht wollen? Wir wollen eine offene Gesellschaft, einen offenen Heimatbegriff, ein buntes Kulturleben, und wir wollen uns auf keinen Fall unseren Geist verengen lassen. Das ist einfach eine ganz andere Geisteshaltung. Und aus der heraus nährt sich auch die Meinung zu bestimmten Themen.

Zum Beispiel?
Wenn ich ein freier, offener Geist bin: Muss ich mich da übers Gendern wirklich aufregen? Sprache ist Veränderung! Wenn aber immer alles so bleiben muss, wie es ist, wenn nicht akzeptiert wird, dass wir in einer globalisierten Welt leben, in der Abschottung geradezu absurd ist und nicht gesehen wird, dass wir mit unserem westlichen Lebensstil derzeit die Erde ruinieren: Das ist eine andere Grundhaltung. Da kann einer, der ein veganes Schnitzel isst, plötzlich zum Volksfeind werden – und das ist irre!

Hubert Aiwanger und Merz als Rechtsextreme einzustufen, findet Kinseher "übertrieben"

Ein Aiwanger wird bei der Wahl womöglich sogar noch Profit aus seinem indiskutablen Verhalten schlagen.
Oft gehen solche Enthüllungen ja nach hinten los. Von nicht wenigen Leute höre ich derzeit: "Denunziantentum wird in Bayern bestraft." Ich glaube, wir haben es da mit vielen Wählerinnen und Wählern zu tun, die mit der AfD liebäugeln, die den Aiwanger immer noch total lustig und nett finden, weil sie die CSU nicht so mögen, unzufrieden sind und denken "Jetzt wähle ich mal ganz anders". Aber der Bodensatz, von dem diese Parteien genährt sind, ist hochgefährlich. Da läuft es mir eiskalt den Buckel runter. Da habe ich dann schon Angst um unsere Zukunft.

So geht es vielen gerade, nicht nur in Bayern.
Aiwanger und Merz als Rechtsextreme einzustufen, finde ich dann aber auch wieder übertrieben. Aber die dahinter stehende Geisteshaltung kann man nicht abtun mit dem Argument, dass die nun im rechten Becken fischen, weil das mal halt Politiker sind.

Auch in der Kabarettszene sind zuletzt auffallend viele populistische Tendenzen auszumachen. Eine Kommentatorin schrieb auf Facebook zur "Zammreißen"-Demo: "Pfundig. Da ist die Gruber Moni wohl nicht eingeladen."
Weiß ich nicht, ob der Veranstalter die Gruber Moni eingeladen hat. Warum nicht? Man muss sich ja nicht immer gleich anfeinden. Ich jedenfalls gehe da nicht hin, um mich gegen irgendjemanden zu stellen, sondern um meine Meinung zu sagen, meiner Haltung Raum zu geben – und nicht, um andere anzufeinden. Das ist immer das Gescheitere.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.