Justizpanne: Sexualstraftäter ist bald wieder auf freiem Fuß
MÜNCHEN - Der Richter hatte den Termin zur Verhängung der Sicherungsverwahrung schlichtweg verschlafen - jetzt kommt der 71-Jährige, der Kinder missbrauchte, wieder frei.
Er hat die eigene Tochter sexuell missbraucht, vergriff sich an den Enkelkindern und hat neun Vorstrafen. Spätestens in sieben Monaten ist der Rentner Oswald A. (71) wieder ein freier Mann – nur weil die Justiz geschlafen hat.
Schuld ist der inzwischen pensionierte Vorsitzende Richter Hans-Jochen H. (65). In seinem Urteil vom 12. Oktober 2006 hatte er den Kinderschänder zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und die Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt angeordnet.
Das heißt: Wenn sich das Gericht nicht sicher ist, ob der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist und bleibt, muss dies nach einer gewissen Zeit noch einmal von dem zuständigen Gericht sowie Gutachtern überprüft werden. Dies hätte bei Oswald A. spätestens am 5. Dezember 2008 erfolgen müssen. Der Hinweis der Staatsanwaltschaft München II auf Überprüfung verschwand aber anscheinend in der Schublade des Vorsitzenden Richters.
Mit achtmonatiger Verspätung wurde gestern vor dem Landgericht München II der Fall neu aufgerollt: der frühere Landwirt Oswald A. hatte sich von Juni 2005 bis zu seiner Festnahme im Februar 2006 in 24 Fällen an seinen Enkelkindern (9 und 11) und deren Freundin (12) vergangen. Oswald A. gestand damals die Taten. Es passierte bei Besuchen seiner Tochter in Bayrischzell, als sie sich morgens zum Kuscheln in das Bett von Opa Oswald A. legten. Die Freundin der Mädchen wurde ab Juni 2005 bei gemeinsamen Einkaufsfahrten nach Österreich im Campingbus zum Opfer der Übergriffe. Die sexuellen Straftaten flogen auf, als sich die Freundin der Enkelinnen ihrer Mutter anvertraute.
Bereits am 19. März 1996 wurde er vom Amtsgericht Wolfratshausen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen zu 2,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Durch die Sicherungsverwahrung wäre Oswald A. weiterhin auf unbestimmte Zeit in Haft geblieben. Alle zwei Jahre hätten Gericht und Gutachter geprüft, ob er noch für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Strafverteidiger Karl-Heinz Seidl in seinem Plädoyer: „Ich würde jemanden umbringen, sollte er sich an meinen Kindern vergreifen. Aber in diesem Fall ist Antrag auf Sicherungsverwahrung unzulässig.“ So sah es auch das Gericht. „Die rechtliche Frist ist abgelaufen,“ so Richterin Petra Beckers. Oswald A. kann jetzt nur noch belangt werden, falls er erneut straffällig werden sollte.
th