Jung und blau: Münchner Mädchen in der Schnaps-Falle

Immer jünger, immer härter: Laut einer Münchner Studie ist jeder zweite Teenager in der Notaufnahme weiblich - und unter 16. 20 Prozent werden bewusstlos eingeliefert. Die meisten wollen es nicht anders.
von  Abendzeitung
Zwei Krankenschwestern kümmern sich in der Notaufnahme eines Kinderkrankenhauses um einen stark betrunkenen Jugendlichen
Zwei Krankenschwestern kümmern sich in der Notaufnahme eines Kinderkrankenhauses um einen stark betrunkenen Jugendlichen © dpa

MÜNCHEN - Immer jünger, immer härter: Laut einer Münchner Studie ist jeder zweite Teenager in der Notaufnahme weiblich - und unter 16. 20 Prozent werden bewusstlos eingeliefert. Die meisten wollen es nicht anders.

Sie trinken bis zur Besinnungslosigkeit – und sind fast noch Kinder. Jeder fünfte Jugendliche trifft sich mindestens einmal im Monat zum exzessiven Alkoholkonsum, dem sogenannten „binge drinking“ (binge = das Gelage). Ihren ersten Vollrausch erleben sie im Schnitt mit 14. Allein 2007 kamen in Deutschland 23000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus. Die Zahl stieg seit dem Jahr 2000 um 143 Prozent!

Alarmierend ist, dass die Hälfte der Patienten mittlerweile Mädchen unter 16 sind. Mitarbeiter des Programms HaLT („Hart am Limit“), das der Verein Condrobs gemeinsam mit den „Münchner Ärzten gegen Jugendalkoholismus“ ins Leben gerufen hat, haben die Situation in München untersucht. HaLT traf seit Dezember 2007 rund 350 Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren, die wegen Alkoholvergiftung ins Klinikum rechts der Isar, ins Schwabinger oder Harlachinger Krankenhaus kamen.

Immerhin: „Die Erstgespräche in der Notfallaufnahme haben Erfolg. Die Jugendlichen sind nach dem einschneidenden Erlebnis bereit, sich kritisch mit dem eigenen Alkoholkonsum auseinanderzusetzen,“ erzählt Birgit Treml, Leiterin der Jugendeinrichtung bei Condrobs.

Der Durchschnitt der eingelieferten Jugendlichen hat 2,0 Promille

Der Blutalkohol aller Eingelieferten lag zwischen 0,2 und 3,2 (!) Promille. Der Durchschnitt hatte 2,0 Promille und war 15 Jahre alt. 20 Prozent waren bewusstlos. „Das ist sehr gefährlich“, betont Treml, „in diesem Zustand laufen sie Gefahr, auf der Straße zu erfrieren, Gewalt zu erleiden oder an ihrem Erbrochenen zu ersticken.“ Gerade Mädchen können Blackouts, Unfälle oder gar eine Vergewaltigung erleben.

Gut die Hälfte aller Patienten hatte ein bis drei Stunden lang Alkohol getrunken. 14,5 Prozent lagen unter einer Stunde. Zu den bevorzugten Getränken zählten Spirituosen – meistens Wodka (61,4 Prozent). 38,6 Prozent tranken oft zusätzlich Bier, 36,4 Prozent selbst gemischte Spirituosen-Cocktails und 16,6 Prozent Wein oder Sekt.

40 Prozent trinken mit der festen Absicht, sich zu betrinken

Drei Viertel tranken gemeinsam mit Freunden. „Das ist ein Gruppenphänomen“, sagt Tommy Beer von HaLT. Dem Sozialpädagogen kommt es vor „wie eine Dauerschleife“. Immer wieder hört er: ,Ich war mit meinen Freunden im Park und wir tranken Wodka. . . .’ Gut die Hälfte der Kids ist zum Trinken draußen unterwegs. Auf Platz zwei rangiert die Wohnung von Freunden (18,2 Prozent), gefolgt von der Disco oder anderen Gaststätten (17,2 Prozent).

40 Prozent trinken mit der festen Absicht, sich zu betrinken. Allerdings geben 20 Prozent an, sie wurden zum Trinken überredet. „Die Jugendlichen wissen über Alkohol erschreckend wenig“, sagt Beer. 20 Prozent sagten bei der Befragung, dass sie nicht wussten, dass eine Alkoholvergiftung lebensbedrohlich sein kann. Beer traf sogar Teenager, die ihn fragten, ob in Whiskey wirklich mehr Alkohol ist als in Bier.

Dorina Herbst

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