Journalist berichtet während IAA von Hausbesetzung: Prozess!

München - Am Donnerstag muss Michael Trammer in München vor Gericht erscheinen. Der Grund: Der freie Journalist (27), der für die Berliner "Taz" von den Protestaktionen gegen die Automesse IAA im September des vergangenen Jahres berichten sollte, war mit Aktivisten über ein rückwärtiges Fenster in ein leerstehendes Haus in der Karlstraße eingedrungen.
Als ein Demozug am Haus vorbeikam, entfalteten die Aktivisten im Haus Transparente und kletterten an der Fassade. "Ich war an keiner der Protestaktionen beteiligt", sagt Trammer, "auch nicht organisatorisch." Er sei lediglich als Reporter vor Ort gewesen.
IAA-Proteste: Polizei bringt Journalisten in die Ettstraße
Trotzdem habe ihn die Polizei, die das Haus nach wenigen Minuten geräumt hatte, zur Ettstraße gebracht, ihn dort über Stunden festgehalten und ein Betretungsverbot für die IAA ausgesprochen - das später zurückgenommen worden sei. Seine Arbeit sei von der "übertriebenen Polizeiaktion" massiv behindert worden: "Man hätte mich auch einfach weitermachen lassen können."
Damit nicht genug, stellte der Hauseigentümer, der Staatsbetrieb Immobilien Freistaat Bayern, im Nachhinein Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft musste ermitteln und kam zu dem Schluss: Trammer hat Hausfriedensbruch begangen. Es wurde ein Strafbefehl über 1.600 Euro erlassen. Trammer legte Einspruch ein. So dass es jetzt zur Verhandlung vor dem Amtsgericht kommt.
Auftraggeber und Gewerkschaft unterstützen Trammer
"Ich musste abwägen zwischen Hausrecht und öffentlichem Interesse", erklärt Trammer im AZ-Gespräch, warum er an jenem Tag mit in das Haus gegangen war. Das öffentliche Interesse habe für ihn überwogen.

"Wenn ich über ein besetztes Haus informieren möchte, muss ich es auch betreten. Alles andere würde bedeuten, nicht zu wissen, worüber man berichtet", sagt Trammer.
Unterstützung erhält er unter anderem von seinem Auftraggeber, der "Taz" und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju).

Die Gewerkschaft fordert den Freistaat auf, noch vor der anstehenden Verhandlung beim Amtsgericht den Strafantrag zurückzunehmen. Trammer, dessen Fotos in der Vergangenheit auch schon in der AZ erschienen sind, habe das Gebäude lediglich betreten, um einen unmittelbaren Eindruck vom Geschehen zu gewinnen.
Dju-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann, erklärt in einer Pressemitteilung, dass der Freistaat unerwünschte Berichterstattung durch das Strafverfahren nachträglich sanktionieren wolle: "Journalistinnen und Journalisten müssen ungehindert über Vorgänge berichten können, die für die Öffentlichkeit relevant sind. Dies trifft auf die Proteste rund um die IAA zweifellos zu. Das dafür nötige umfassende Bild kann jedoch nur so nah wie möglich am Geschehen entstehen", begründet sie ihre Kritik.
"Anstatt ohne Not die Staatsanwaltschaft einzuschalten", so Hofmann, "hätte das Land Bayern im Sinne der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit den Zugang zu seinem ohnehin leerstehenden Gebäude nachträglich gewähren können."
Rechtsanwalt Jasper Prigge, vertritt Trammer vor dem Amtsgericht. Auch er hofft, dass der Prozess in letzter Minute noch abgeblasen wird: "Denn Immobilien Freistaat Bayern kann den Strafantrag jederzeit zurücknehmen."