Josef Schmid: Grüner Wind für die Schwarzen
MÜNCHEN - Muslime, Uiguren, Kinderarbeit: CSU-Fraktionschef öffnet Partei für einstmals linke Themen. Schmid: "Wir müssen dahin, wo die Münchner sind."
Während in der SPD alle im Kaffeesatz lesen, welchen großen, unbekannten OB-Kandidaten Christian Ude nächstes Jahr aus dem Hut zaubert, bereitet sich in der CSU der potenzielle OB-Kandidat strategisch vor. Nach außen lästert die SPD gern über „Seppi“ und will ihn als Verlierer abstempeln. Doch viele spüren, dass ihnen der bunte Schwarze immer gefährlicher werden kann.
Denn die Münchner SPD liegt regungslos am Boden: Ihr Chef Franz Maget ist nach dem Landtagswahldebakel nicht mehr da und tritt nicht mehr in Ercheinung. Der Vorstand ist durch Flügel- und Karrierekämpfe starr und mürbe geworden. Die SPD im Rathaus zeigt nur noch eine Regung: Die Machtkämpfe zwischen der Bürgermeisterin Christine Strobl (die gern Münchens erste Oberbürgermeisterin würde) und Fraktionschef Alexander Reissl. Den Rest muss der Über-Ude machen.
Derweil bereitet der potenzielle CSU-OB-Kandidat Josef „Seppi“ Schmid den größten ideologischen Umbau der CSU-Fraktion seit Jahrzehnten vor. Und wenn der frühere CSU-Generalsekretär Markus Söder fordert, die CSU müsse sich modernisieren, ist Schmid schon längst dabei.
"Wir müssen die Menschen in der Großstadt bewegen"
„Ich will die Themen aufgreifen, die die Menschen in der Großstadt bewegen“, sagt Schmid. Womit er auch neue Sympathisanten gewinnen will. „Nach den Wahlniederlagen voriges Jahr habe ich überlegt, ob wir noch dort agieren, wo die Menschen wirklich sind.“ So betritt er jetzt Territorien, auf die die CSU bisher nie einen Fuß gesetzt hätte.
Aktuell sucht er die Zusammenarbeit mit muslimischen Gruppen. „Wir wollen gemeinsame Projekte, die die Integration fördern“, sagt Schmid: „Die Leute sind schon überrascht, dass jemand aus der CSU auf sie zukommt.“ Die Voraussetzung: „Die Beteiligten erkennen unsere Verfassung und Grundwerte an.“ Da stellt er dann auch die Gretchenfrage, wie sie es mit der Gleichberechtigung der Frau halten – und schaut bei seinen Besuchen „manchmal in verdutzte Gesichter“.
Für Überraschung sorgte Schmid, als er kürzlich dafür eintrat, dass München uigurische Gefangene aus Guantanamo aufnehmen soll. Da war der CSU-Innenminister noch dagegen, und auch im Landtag zickte die CSU. Schmid: „Diese 17 Gefangenen wurden von einem Gericht für unschuldig erklärt. Da ist es ein Gebot der Menschlichkeit und Nächstenliebe, sie aufzunehmen.“
Aktuell reiht sich die CSU-Fraktion in den Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit ein. Nicht, dass die CSU einmal dafür war, aber sie hatte das Thema nicht aufgegriffen.
Doch Seppi weiß bei alledem: „Ich muss das auch den CSU-Mitgliedern außerhalb des Rathauses erklären.“ Das wird harte Arbeit.
Schwarz-Grün ist in München nicht unvorstellbar
Schmid betritt damit grünes Revier und vergrößert die Übereinstimmung mit den Grünen. Münchens CSU-Chef Otmar Bernhard hat schon früher erkannt, dass die Grünen ein vorrangiger Gegner werden: Weil sie in einigen Stadtbezirken sehr stark sind.
Auch bei den Grünen gibt es – nicht nur bei Realo-Bürgermeister Hep Monatzeder – durchaus Interesse, um wertkonservative Wähler zu buhlen. Was wiederum neue Perspektiven eröffnet, wenn mit der Stadtratswahl im Jahr 2014 die Bündnis-Karten „Wer-mit-Wem“ neu gemischt werden. Schwarz-Grün ist für manchen Machtorientierten vorstellbar. Und in München hat es ohnehin das erste schwarz-grüne Bündnis Deutschlands gegeben: bei der Referentenwahl 1988. Mit dem Segen von Strauß!
Derweil stöhnt eine SPD-Spitzenpolitikerin: „Der Seppi macht das richtig gut und kommt gut rüber. Er wird von den Unsrigen leider noch unterschätzt.“
Willi Bock