Josef Gögler: Der Mann, der überall Münchner Kindl sieht

München - Es sitzt auf Turmspitzen, Bierdeckeln und -krügen, ist Motiv auf Oktoberfestplakaten oder schmückt Zimmerdecken: das Münchner Kindl.
Seit Josef Gögler vor vier Jahren in Rente gegangen ist, fotografiert er die Wappenfigur. 217 unterschiedliche Darstellungen hat er schon gefunden und in Bildern festgehalten. Sein Ziel: Bis Ende dieses Jahres insgesamt 250 Münchner Kindl ablichten.
Dafür wird der Fotograf sogar bis nach Straßburg reisen. Denn auf der Giebelspitze der dortigen früheren Brauerei Löwenbräu sitzt heute noch der Löwe als das Wahrzeichen von Löwenbräu und das Münchner Kindl hält sich an ihm fest.
Auch in die norditalienische Stadt Verona, Partnerstadt von München, hat die Leidenschaft Josef Gögler gebracht. Dort ist ein Münchner Kindl Teil eines Brunnens auf der Piazza Bra, unweit der bekannten Arena.
Doch die meisten Kindl, die der 62-Jährige fotografiert, findet er in München. Besonders gut gefallen ihm die Abbildungen in der Bräuhausstraße und am Gebäude der Regierung von Oberbayern in der Maximilianstraße.

"Das ist ein Hobby, das nie endet", beschreibt er. Mit 58 Jahren ging der Jurist in Frührente. Fotografiert habe er davor schon gerne, sagt er. Unlängst meldete er sich fürs Fernstudium zum Fotodesigner an. "Man muss sich auf den Ruhstand vorbereiten, damit man sich nicht langweilt", sagt Gögler.
Gemeinsam mit seiner Frau, zwei Hunden und zwei Katzen wohnt er in Taufkirchen. Die Leidenschaft für München und die Münchner Kindl ist auch hier in seiner Wohnung zu sehen. Für den Eingangsbereich hat er von einem befreundeten Kunstschmied die Silhouetten der wichtigsten Münchner Gebäude aus Metall fertigen lassen und an die Wand gehängt. Auch hier darf die Wappenfigur natürlich nicht fehlen.
Kanaldeckel, Laternen, Feuerwehrautos: Motive sind überall zu finden
Für den Fotografen ist die Suche nach den Münchner Kindln wie die nach einem Schatz. "Ich freue mich immer sehr, wenn ich ein Neues finde", erzählt Gögler. Dann rückt er mit großem Equipment, Stativ und Kamera, an, um auch die kleinste Figur in einer Fassade ablichten zu können.

Gefunden hat Josef Gögler die Kindl auch an ungewöhnlichen Orten. "Auf dem Filzhut eines Mannes habe ich sogar vier Stück auf den Ansteckern entdeckt", erzählt der 62-Jährige. Aber auch auf Kanaldeckeln, den Straßenlaternen am Königsplatz, den Tram- und U-Bahnwagen oder Feuerwehrfahrzeugen hat er Münchner Kindl entdeckt.
"Sehr oft muss man den Blick nach oben richten", sagt Gögler. So thront etwa ganz oben auf der Turmspitze des Neuen Rathauses ein 1,65 Meter großes Kindl und schaut auf den Marienplatz herunter. "Dass ich das entdeckt habe, war die Initialzündung für meine Leidenschaft", erzählt Gögler.

Und dort, im Neuen Rathaus, hat er dann sogar 46 verschiedene Kindl entdeckt: über dem Eingang, in Glasfenstern, Gedenktafeln oder in Holz geschnitzt. Mit seinen Fotos stellt Josef Gögler Fotobände zusammen - jedoch eigentlich nur für sich selbst. Es ist eben doch einfach nur ein außergewöhnliches Hobby.
Auf die Frage, was er gerne noch fotografieren würde, hat Josef Gögler eine klare Antwort: "Ich würde sehr gerne mal das Münchner Kindl auf dem Goldenen Buch der Stadt oder, nach der Reparatur, das auf der Jubiläumsglocke des Alten Peters fotografieren." Bis es so weit ist, wird er weiter durch München - und Straßburg - streifen, immer auf der Suche nach einem neuen Kindl.
Hintergrund: Das Münchner Kindl
Die offizielle Wappenfigur von München ist im silbernen Wappenschild ein nach heraldisch rechts blickender Mönch mit goldgeränderter schwarzer Kutte und roten Schuhen. In der linken Hand hält er ein rotes Eidbuch, die rechte hat er zum Schwur erhoben. Möglicherweise handelte es sich bei dem Eidbuch ursprünglich um das Stadtrechtsbuch oder ein Evangeliar und bei der Schwurhand um eine segnende Hand.
Seit dem 16. Jahrhundert wurde das Stadtwappen von verschiedenen Künstlern verändert. Dabei wurde der Mönch immer mehr verkindlicht und letztlich wurde in den 1920er-Jahren aus einem Buben ein Mädchen, das Münchner Kindl.
Kurz nach 1900 brach in München eine Münchner-Kindl-Manie aus. Die Wappenfigur zierte Teller, Tassen, Puppen, Senf-Töpferl, Taschen, Anstecker oder Bierflaschen. Sie war eines der beliebtesten Postkartenmotive Münchens. Im Dritten Reich überwogen schwarz-weiße Postkarten, auf denen immer das gleiche Mädchen mit Bierkrug abgebildet ist. In der Nachkriegszeit beginnt das Kindl, für die Demokratie zu werben. Bis heute ziert es Plakate, ist Repräsentant der Bierwirtschaft und wird mal eher klassisch und mal eher abstrakt dargestellt.