Joan Baez auf dem Tollwood - Woodstock lebt

München - Wenn Joan Baez, die Königin der Love & Peace-Bewegung, Hof hält, dann werden die Fans andächtig und ehrfurchtsvoll. Denn die 74-jährige Ikone hat in ihrem Kampf für eine bessere Welt ohne Krieg, Rassismus und Ungerechtigkeit kein bisschen nachgelassen. Ihre Stimme ist jetzt vielleicht etwas tiefer als vor Jahrzehnten, aber deswegen keine Spur weniger prägnant. Und immer noch glasklar wie ein Glockenspiel. Genau wie ihre Botschaft. Auch wenn sie, wie im seit langem ausverkauften Tollwood-Zelt, in der Musikauswahl ihre eigenen Songs zurückstellt und hauptsächlich Klassiker interpretiert. Das aber auf ihre eigene unnachahmliche Weise.
Stimme, Gitarre – und jede Menge Ausstrahlung, das genügt schon. Dazu kommen im Lauf des Abends noch der Multi-Instrumentalist Dirk Powell, ihr Sohn Gabriel Harris an der Percussion und stellenweise als zweite Sängerin die dezente Grace Stumberg. Überaus vorsichtig präsentiert das Team Songs wie „Diamonds And Rust“, „Just The Way You Are“, „God Is God“ oder auch „Joe Hill“. Gerade so, als wäre Woodstock erst gestern gewesen.
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Die Ehrfurcht, die die Musiker diesen Songs entgegenbringen, springt auch auf das Publikum über, als es zum Mitsingen aufgefordert wird. Schon bei Bob Dylans „It’s All Over Now, Baby Blue“ merkt man die Vorsicht des riesigen Chores. Genau so wie bei „Me And Bobby McGee“ mit einem Gruß an Janis Joplin und dem Traditional aus dem Hause Eric Burdon, „The House Of The Rising Sun“. Kein befreites Dahersingen, geschweige denn Gegröle. Alles passiert ganz vorsichtig und respektvoll. Schließlich weiß man ja, dass man da zerbrechliche kleine Schmuckstücke in Händen hält.
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Dann auf deutsch „Wenn unsere Brüder kommen“ von Konstantin Wecker. Und der sitzt im Publikum, geht nach dem Song zur Bühne, umarmt seine Kollegin und bedankt sich. Und wird ebenfalls von den Fans frenetisch gefeiert.
Gegen Ende des Konzerts hebt Joan Baez das Level in Sachen Wunschkonzert noch an. „Imagine“ von John Lennon, „The Boxer“ von Simon and Garfunkel, die Klassiker „Here’s To You“ und „Sag mir, wo die Blumen sind“, der zweite Song auf deutsch an diesem Abend, und schließlich Dylans „Blowin’ In The Wind“. Der bescheidene Superstar macht jedes dieser altbekannten Lieder zu ihrem eigenen. Und erinnert daran, dass sie nie vergehen dürfen. Genau so wenig wie die Botschaften, die sie in die Welt tragen. „You may say we are dreamers, but we are not the only ones“. Arno Frank Eser