Jetzt klingelts: "Schatzi, ich bin in der U-Bahn"
MÜNCHEN - Schon gemerkt? Seit Dienstag kann man in der U-Bahn mit dem Handy telefonieren - und zwar zwischen Hauptbahnhof, Karlsplatz, Sendlinger Tor, Marienplatz, Odeonsplatz und Theresienwiese. Das ist erst der Anfang.
U-Bahnhof Theresienwiese, gestern Vormittag. Das Handy hat Empfang, die Signalstärke ist ausgezeichnet, voller Ausschlag. Die U-Bahn rollt ein, es geht Richtung Innenstadt. Das Telefonat mit der Redaktion geht weiter – in erstklassiger Qualität. Rechtzeitig vor dem Oktoberfest-Start haben die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und Vodafone ein erstes Kernnetz fürs mobile Telefonieren im Untergrund fertig: 4,5 Kilometer lang, zwischen Theresienwiese und Sendlinger Tor, Odeonsplatz, Hauptbahnhof, Marienplatz und Stachus. Und wie so oft im Leben sind die Reaktionen gemischt.
„Endlich ein Stück mehr Sicherheit, ein Stück mehr Lebensqualität für Münchens Bürger“, jubelt zum Beispiel Michael Haberland von „Mobil in Deutschland“, der seit dem Jahr 2000 vehement pro Handy kämpft. „Heute wird eine langjährige Forderung der Aktion Münchner Fahrgäste nach mehr Sicherheit im Untergrund erfüllt“, freut sich deren Sprecher Andreas Nagel.
Die Polizei gab den Ausschlag
Doch MVG-Chef Herbert König macht zum Auftakt des neuen Handy-Zeitalters einen etwas zwiespältigen Eindruck. Denn die Verkehrsgesellschaft hatte sich lange gegen die Funkverbindung unter der Erde gesträubt. Immer gestützt auf Umfragen unter Fahrgästen, bei denen sich regelmäßig 60 Prozent und mehr gegen das Handy ausgesprochen hatten.
Nach mehreren brutalen Überfällen in Zügen und U-Bahnhöfen machte sich aber Anfang 2008 auch die Polizei für eine Funk-Erschließung der Röhren stark. König: „Von da an war klar: Dann machen wir das auch.“
Den Vorwurf, bei der Erschließung des U-Bahnnetzes sei getrödelt worden, weist der MVG-Chef zurück: „Das ist mit Volldampf passiert, es war ein echter Kraftakt.“ Umfangreiche Messungen, die Montage von Antennen und Verstärkereinheiten in den wenigen Stunden ohne U-Bahn-Betrieb – für Vodafone, das die Installation für alle vier Netzbetreiber organisiert, war und ist das eine logistische Herausforderung. Denn zentrales Ziel war: Unten sollte die selbe Empfangsqualität wie über der Erde angeboten werden, so der Vodafone-Regionalleiter Technik, Dieter Vogelhuber.
Weil München recht spät dran ist mit der Erschließung des Untergrunds, genauer gesagt bis gestern sogar die letzte deutsche Großstadt ohne Handy-Empfang in der u-Bahn war, bekommen die Fahrgäste auch die modernste Technik geboten: Neben dem GSM-Netz fürs Telefonieren wurde auch das UMTS-Netz für schnelle Datenübertragung installiert. Auch der kurze E-Mail-Check oder der Blick ins Aktien-Depot sind also kein Problem.
Wobei Herbert König keinen Hehl daraus macht, dass ihm die E-Mail-Checker lieber sind als die – womöglich lautstarken – Telefonierer. Denn schon jetzt fürchten Skeptiker, dass sie künftig unfreiwillige Zeugen weitgehend sinnfreier Telefonate werden müssen. Andreas Nagel setzt bei diesem Thema „auf die gegenseitige Rücksichtnahme, die in der Mehrzahl der Fälle auch vorhanden sein wird“.
Die Installation kostet rund sieben Millionen
Rund sieben Millionen Euro geben die Mobilfunk-Betreiber für die neue Technik aus. Mehr als 250 Antennen und 100 Verstärkereinheiten werden installiert, um die 75 Kilometer Tunnelstrecke und die 89 unterirdischen Bahnhöfe mit der Außenwelt zu verknüpfen. Mehrere tausend Gespräche gleichzeitig werden letztlich möglich sein.
Noch bis Ende 2011 wird munter weiter geschraubt. Heuer werden noch der Ostabschnitt der U2 zum Messegelände und der Nordast der U6 bis zum Stadion in Fröttmaning abgeschlossen. 2010 sind unter anderem Teil von U1, U2, U3 U4 und U5 dran, ehe bis Ende 2011 auf fünf Linien die letzten Außenabschnitte dran sind.
„Richtig ist, dass die Möglichkeit des Handy-Gebrauchs auch das subjektive Sicherheitsgefühl stärkt, gerade nachts“, sagt MVG-Chef König. Man hat beinahe den Eindruck, er wolle sich selbst von den Vorzügen der digitalisierten U-Bahn-Welt überzeugen.
Rudolf Huber