Jetzt geht’s um die Wurst

MÜNCHEN - Eine Spezialität erlebt in München ein richtiggehendes Comeback. Rund ein Kilo der weißen Ware vertilgt jeder Münchner pro Jahr. Weil die Münchner immer seltener kochen, wird aus der Brotzeit Weißwurst eine echte Hauptmahlzeit – genauso ist’s beim Leberkäs.
Zum Glück sind Sepp Moser vor 151 Jahren die Schafsdärme ausgegangen. Sonst wäre der Metzgermeister des Gasthauses „Zum ewigen Licht“ wohl niemals auf die Idee gekommen, sein Kalbsbrät in herumliegende Schweinedärme zu stopfen und ins heiße Wasser zu werfen, statt sie auf dem Bratrost zu grillen. Entstanden ist dadurch – so will es zumindest die Legende – die Weißwurst, auf die die Münchner nicht nur mächtig stolz sind, sondern auch immer noch verdammt hungrig.
Denn die Spezialität erlebt in München ein richtiggehendes Comeback. Rund ein Kilo der weißen Ware vertilgt jeder Münchner pro Jahr – das sind nach Berechnungen des Fleischerverbands Bayern rund 10 Prozent mehr als noch vor neun Jahren. Insgesamt werden in München satte vier Kilogramm Wurstwaren pro Person vertilgt.
Die Gründe für die neue Weißwurst-Lust sind durchaus bemerkenswert: „In erster Linie liegt das an der Bequemlichkeit“, erklärt Rolf Anger, der stellvertretende Geschäftsführer des Fleischerverbands Bayern. Weißwürste sind eine schnelle Mahlzeit, die einfach zuzubereiten ist. Fertiggerichte boomen heutzutage, also hat auch die Traditionswurst eine immer größere Bedeutung. „Von der Brotzeit-Beilage hat sie sich deshalb längst zur kompletten Mahlzeit gewandelt“, sagt Anger. Bei den Münchnern geht es immer häufiger um die Wurst.
Eine ähnliche Erfolgsgeschichte kann sonst nur noch der Leberkäs (siehe unten) aufweisen: Vor allem dank der Leberkäs-Semmel ist der Absatz des Fleischlaibs deutlich angestiegen. Bratengerichte verlieren dagegen in Münchner Haushalten an Bedeutung, was vor allem an der langen Kochzeit der Speisen liegt. „Allerdings leben auch immer weniger Menschen in einem Haushalt, wodurch sich die Zubereitung großer Mengen nicht mehr unbedingt lohnen“, erklärt der Experte.
Nischenplätze haben in München die italienische Salsiccia oder der spanische Seranoschinken erobert. Keine Chance hat dagegen die Hofer Rindfleischwurst, die sich vor allem in Franken großer Beliebtheit erfreut. „Diese Wurst trifft nicht unbedingt den Geschmacksnerv der Oberbayern“, sagt Anger.
Daniel Aschoff