Jeder vierte Rentner ist armutsgefährdet

Der Sozialverband VdK fordert ein bezahlbares Gesundheitssystem für alle. Wieso das vor allem im Alter nicht selbstverständlich ist.
von  Lisa Marie Albrecht
Ein paar Euro: Mehr bleibt den meisten Rentnern nicht übrig, um ihre Gesundheitsausgaben zu decken.
Ein paar Euro: Mehr bleibt den meisten Rentnern nicht übrig, um ihre Gesundheitsausgaben zu decken. © dpa/az

München – Ulrike Mascher, Landesvorsitzende des Sozialverbandes VdK Bayern, hat eine klare Forderung: „Gesundheit muss für alle bezahlbar sein – und bleiben!“ Ihr Verband berät seit 1964 Patienten zu den Themen Rente, Pflege und Behinderung und hat aktuell über 653 000 Mitglieder. Jeder Zehnte ist über 50 – kein Wunder also, dass sich der VdK intensiv mit den Themen Alter, Krankheit und Armut Versorgung sieht der VdK seitens der Gesundheitspolitik viel Nachholbedarf.

Das größte Problem ist für Ulrike Mascher der Zusammenhang von Krankheit und Armut im Alter. Ein männlicher Bestandsrentner (also jemand, der schon über einen längeren Zeitraum Rente bezieht) erhält in Bayern durchschnittlich 1055 Euro Rente, eine Bestandsrentnerin 595 Euro. Für diejenigen, die 2014 in Rente gegangen sind, fällt die Rente noch geringer aus: Männer erhalten 1014 Euro, Frauen 517 Euro.

Laut Statistischem Bundesamt lag die Armutsgefährdungsschwelle im vergangenen Jahr in Bayern bei 998 Euro für einen Einpersonenhaushalt – die bayerischen Rentnerinnen liegen also im Durchschnitt deutlich darunter, die Rentner nur noch ganz knapp darüber.

 

Jeder vierte gesetzliche Rentner ist armutsgefährdet

 

Damit trägt die Altersgruppe der über 65-Jährigen das höchste Armutsrisiko. Die bayerische Armutsgefährdungsquote für Rentner liegt unter Einbeziehung der Pensionäre bei 22,5 Prozent. Betrachtet man nur die Bezieher gesetzlicher Renten, erhöht sich die Quote sogar auf 26,6 Prozent. Das entspricht jedem vierten Rentner im Freistaat. Bei der Gesamtbevölkerung Bayerns liegt die Armutsgefährdungsquote dagegen nur bei 14,9 Prozent.

Obwohl die Rentner im Vergleich zu anderen meist sehr wenig Geld zur Verfügung haben, sind ihre Ausgaben für die Gesundheit naturgemäß höher: „Das Alter bringt eben mehr Erkrankungen mit sich. Dennoch wird beispielsweise bei der Berechnung der Grundsicherungssätze dieser Faktor nicht berücksichtigt“, sagt Mascher.

Der Regelsatz für alle Grundsicherungsbezieher in Deutschland liegt bei 404 Euro, für den Posten Gesundheit seien lediglich 17,36 Euro vorgesehen – eine Rechnung, die für Rentner nicht aufgeht. Der VdK fordert daher, die Regelsätze für die Grundsicherung im Alter zu überprüfen und rechnerisch von den anderen Hartz IV-Sätzen zu trennen.

 

Die Ausgaben für Medikamente steigen jährlich um 5 Prozent

 

Während die Renten sinken, steigen die Ausgaben für Artzney: Das Statistische Bundesamt gibt an, dass Patienten jedes Jahr 5 Prozent mehr an Zuzahlungen und Eigenanteilen für Artzney leisten müssen.

Die Kosten für gesundheitliche Ausgaben belaufen sich in einem Rentnerhaushalt auf 92 Euro im Monat. Vor zehn Jahren lagen diese noch um 20 Euro niedriger. Neben den Zuzahlungen müssen auch die sogenannten „OTC“-Medikamente selbst bezahlt werden. „OTC“ steht für „over the counter“, also „über der Theke“ – gemeint sind nicht rezeptpflichtige Artzney. Dazu zählen aber auch Schmerzmittel, Salben oder Kreislauftropfen, die gesundheitsrelevant sind und nicht einfach „wegfallen“ können. Zahnersatz und Brillen müssen immer selbst bezahlt werden – „wer sich das nicht leisten kann, ist in der gesellschaftlichen Teilhabe erheblich eingeschränkt“, so Mascher.

Doch nicht nur beim Thema Altersarmut sieht der VdK deutliche Mängel in der Gesundheitspolitik. Auch die sich ausdünnende Gesundheitsversorgung sei ein bayerisches Problem. In Ballungszentren herrscht teilweise ein Überangebot an Ärzten, während in ländlichen Regionen die Wege immer länger werden.

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Die von der Staatsregierung geschaffenen Zuschüsse für die Niederlassung in unterversorgten Gebieten begrüßt der VdK. Man müsse jedoch auch über andere Versorgungsformen, wie etwa zentrale Ärztehäuser oder ein Team von Gemeindeschwestern nachdenken. Dann könnte man auch Bereitschaftsdienste anders regeln – etwa im Bereich der Pflege. Dort hat Bayern auch in der Umsetzung des Pflegestärkungsgesetzes I viel aufzuholen.

Laut diesem stehen seit Januar 2015 Betroffenen Entlastungsangebote, wie etwa eine Haushaltshilfe, in Höhe von 104 Euro zu. Die bayerische Landesregierung hat dieses Gesetz jedoch noch nicht in einer entsprechenden Verordnung umgesetzt. Laut Mascher muss die schnell erarbeitet werden, damit Pflegebedürftige und Angehörige auch finanziell entlastet werden können.

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