Jeder 10. Münchner schwer bewaffnet

Waffenbesitzer im Visier: Das Kreisverwaltungsreferat setzt auf eine große Kontrollaktion – und eine freiwillige Abrüstung. In der Landeshauptstadt gibt es 70 000 legale Waffen und wohl mindestens noch einmal genau so viele illegale.
von  Abendzeitung
Übernimmt die Gewehre: Referent Wilfried Blume-Beyerle in der Waffenkammer des Kreisverwaltungsreferats.
Übernimmt die Gewehre: Referent Wilfried Blume-Beyerle in der Waffenkammer des Kreisverwaltungsreferats. © Daniel von Loeper

MÜNCHEN - Waffenbesitzer im Visier: Das Kreisverwaltungsreferat setzt auf eine große Kontrollaktion – und eine freiwillige Abrüstung. In der Landeshauptstadt gibt es 70 000 legale Waffen und wohl mindestens noch einmal genau so viele illegale.

Nach dem Amoklauf in Winnenden will das Kreisverwaltungsreferat jetzt die Waffenbesitzer in München ins Visier nehmen – und zwar mit einer gesonderten Kontrollaktion. Dafür wird eigens eine Task Force mit sechs zusätzlichen Arbeitskräften gegründet.

Insgesamt gibt es in der Landeshauptstadt knapp 20000 Waffenbesitzer – und rund 70000 gemeldete legale Waffen. Doch das sind längst nicht alle Knarren, die in Umlauf sind. KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle schätzt: „Es gibt mindestens nochmal genauso viele illegale Waffen.“ Dabei liegt die Betonung auf „mindestens“. Bei rund 1,4 Millionen Einwohnern bedeutet das: Auf jeden zehnten Münchner kommt rein statistisch gesehen eine Knarre.

Waffenbesitzer erhalten demnächst Post

Wie sieht die Kontrollaktion aus? Alle (bekannten) 20000 Waffenbesitzer bekommen Post. In dem Schreiben werden sie aufgefordert, nachzuweisen, in welchen Behältnissen sie ihre Waffen aufbewahren. Drei Monate lang haben sie dafür Zeit. Der Nachweis kann zum Beispiel in Form eines Fotos des Waffentresors, eines Kaufbelegs oder eines Gutachtens erfolgen.

Die Überprüfung hat unmittelbare Konsequenzen: Entsprechen die Tresore nicht den gesetzlichen Standards, müssen sie innerhalb einer bestimmten Frist nachgerüstet werden. Falls der Waffenbesitzer das Ultimatum verstreichen lässt, kann seine Zuverlässigkeit in Frage gestellt werden. Im Ernstfall ist es dann möglich, seine „Waffenbesitzberechtigung“ zu widerrufen. Dann sind die Knarren futsch. Gleiches passiert, wenn jemand auf den KVR-Brief erst gar nicht reagiert. Auf anhaltende Ignoranz folgt der Waffenentzug. Wenn jemand seine Pistolen trotz Aufforderung nicht im KVR oder bei der Polizei abgibt, werden sie bei ihm daheim sichergestellt. 2008 gab es sechs solcher „Hausbesuche“. In zwei Fällen deshalb, weil die Waffen nicht richtig aufbewahrt waren.

Von den 20000 Waffen-Erlaubnissen in der Stadt gingen übrigens nur knapp 1400 an Sportschützen und rund 3500 an Jäger. Das heißt: Der Großteil der Waffenbesitzer zählt zu den „Altbesitzern“ und Erben. Bevor jemand überhaupt die Lizenz zur Bewaffnung bekommt, wird er einer Prüfung unterzogen. Dafür werden auch Auskünfte von Polizei und Staatsanwaltschaft, aus dem Bundeszentralregister und gegebenenfalls Atteste eingeholt. Alle drei Jahre kontrolliert die Behörde die registrierten Waffenbesitzer erneut – das bedeutet bis zu 8000 Prüfungen im Jahr.

Früher waren die Hauptabteilungsleiter im KVR selbst bewaffnet

Wer zum Beispiel von einem Gericht zu 60 Tagessätzen verdonnert wird - egal wofür – ist seine Knarren los. Jeder Verurteilte wird der Waffenbehörde gemeldet. Auch auf Leute, die betrunken am Steuer saßen oder mit Drogen erwischt wurden, erhält das KVR Hinweise. Ohne konkreten Anlass aber darf sich die Behörde bei keinem Waffenbesitzer daheim umschauen. Insgesamt 13 Mitarbeiter sind für die Überprüfungen zuständig.

„Ich bin dafür, dass wir noch mehr machen in Richtung Abrüstung“, erklärt Blume-Beyerle. Demnächst soll das Thema im Stadtrat behandelt werden – dann mit konkreten Verbesserungsvorschlägen für den Gesetzgeber.

An die Waffenbesitzer aber appelliert der KVR-Chef schon jetzt: „Wenn ihr eure Waffen gar nicht mehr wollt, gebt sie ab! Dann seid ihr die Verantwortung los.“

Die Entwaffnung des KVR war übrigens eine der ersten Aktionen von Blume-Beyerle. Vor zehn Jahren hatte dort noch jeder Hauptabteilungsleiter den Waffenschein und eine 38er Pistole.

Julia Lenders

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