"Je jünger das Kind, desto schlimmer ist das Trauma"

München - Der Lehrerverband macht in diesen Tagen auf die besondere Herausforderung aufmerksam, die geflüchtete Kinder mit sich bringen. Rund vierzig Prozent, so legen Schätzungen nahe, leiden an einer Posttraumatischen Belastungsstörung.
Gleich drei Traumaursachen kommen bei geflüchteten Kindern zusammen. Zum ersten gibt es den Fluchtgrund – Krieg oder das Mitansehen der Ermordung von Eltern oder Freunden. Dann folgt die beschwerliche Flucht, bei der Kinder auch stark auf die seelische Lage der Eltern reagieren. Das dritte Trauma erfolgt dann häufig durch Diskriminierung nach dem Ankommen.
Willi Butollo hat in Wien Grundschullehramt und Psychologie studiert, in Bosnien und Pakistan traumatisierten Menschen geholfen und betreibt ein Institut für Traumatherapie in Schwabing.
"Die Forschung ist derzeit auf einem Holzweg"
Bei geflüchteten Kindern gibt es laut dem Experten gleich drei Ursachen für ihre Traumata: Besonders das junge Alter verstärkt die Auswirkungen auf die Seele im Vergleich zu Erwachsenen immens. "Je jünger ein Kind bei einer traumatischen Erfahrung ist, umso stärker wirkt sie sich prägend aus", zeigt der Psychologe auf. Zudem haben Kinder weniger Bewältigungsstrategien als Erwachsene.
Trotzdem fordert Butollo einen positiven Ansatz in der Therapie: "Die Forschung ist derzeit auf einem Holzweg. Sie konzentriert sich zu sehr auf die Symptomatik im einzelnen Fall und zu wenig auf die Rahmenbedingungen." Denn auch wenn es teils sehr schwere Fälle von Traumata gibt und manche der Kinder noch als Erwachsene damit kämpfen werden, ist für Butollo klar: Jeder Mensch ist lernfähig, wenn die Bedingungen dafür förderlich sind.
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Nicht zuletzt den Lehrern rät er daher: "Wir dürfen uns nicht nur auf die Ausprägungen des Traumas konzentrieren, sondern müssen uns klar werden, welche Ressourcen wir haben um ein gutes Umfeld zu schaffen." Aus der Zusammenarbeit mit den Lehrern erhofft sich der Experte jetzt auch neue Ansätze und Anregungen für die Einzeltherapie.
Ein besonderes Problem der geflüchteten Kinder ist auch die Sprache. "Die Verbalisierung der Probleme ist ein wichtiger Schutzfaktor zur Traumabewältigung. Es ist ohnehin schon schwer, über das Erlebte zu sprechen. Von den geflüchteten Kindern ist das dann auch noch in einer fremden Sprache in einer fremden Welt gefordert", zeigt Butollo auf.
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Wichtig sei es, keine Angst vor der Konfrontation mit den kleinen Traumapatienten zu haben. "Als ich in Pakistan war, gab es ein Zelt für psychologische Betreuung und eins in dem man Windows lernen konnte. Vor dem standen die Teenager Schlange. Das hat mir gefallen – die jungen Menschen wollten trotz allem weiterkommen."