Jagd auf die rosa Stimmen
Zehn Prozent der Münchner sind homosexuell. Vor der Kommunalwahl am 2. März werben die Parteien so stark wie nie um die Stimmen der Schwulen und Lesben. Themen gibt es genug.
MÜNCHEN.Münchens Homosexuellen- Szene lebt: Und nicht nur beim schrillen Christopher Street Day oder bei den bunten Festen im Glockenbachviertel. Zur Stadtratswahl am 2. März buhlen die Parteien so stark wie nie um die Stimmen der Schwulen und Lesben. Denn die stellen mit zehn Prozent der Münchner Bevölkerung einen wichtigen Wähleranteil.
Nur die CSU hat auf ihrer Liste keinen bekennenden Homosexuellen. Seit 1996 sind die Homosexuellen mit der Rosa Liste im Stadtrat vertreten – mit Thomas Niederbühl. Der hat eine Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen. „Schwule und Lesben haben ein sehr großes politisches Interesse, und das stellen die Parteien jetzt fest“, meint Irene Schmitt (SPD). „Homosexuelle merken, dass etwas für sie getan wird, und gehen deshalb wählen.“
Themen gibt es genug
Dementsprechend werben die Parteien um homosexuelle Wähler. Themen gibt es genug, denn Gleichbehandlung ist noch nicht selbstverständlich. „Die Gesellschaft hat sich gewandelt“, meint Thomas Niederbühl, „doch trotzdem ist das Outing heute nicht immer leicht. Viele Eltern sind zwar tolerant, aber wenn der Sohn schwul ist, dann ist das ein großes Problem.“ Er kennt einen Fall, wo der Sohn nach dem Coming-Out wie ein Aussätziger behandelt wurde: „Die Eltern haben nicht mehr mit ihm gesprochen und das Bad desinfiziert, nachdem der Junge auf der Toilette war.“
Schwierig sei für Jugendliche nicht nur das Outing im Elternhaus, sondern auch bei Gleichaltrigen: „Es gibt eben gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie das Erwachsenwerden zu laufen hat“, meint Lydia Dietrich von den Grünen. „Homosexualität steht da nicht zur Debatte.“ Die Folgen: Ausgrenzung und Diskriminierung. „Schwule Sau“ gelte auf Pausenhöfen immer noch als das schlimmste Schimpfwort.
Auch Migranten stehen vor Problemen, wenn sie sich outen wollen. Sie kommen aus anderen Kulturkreisen, sind teils streng religiös erzogen. Manche outen sich erst im hohen Alter. „Einige haben den Paragraphen 175 miterlebt, wo Homosexualität unter Strafe gestellt war. Diese Angst hat sie geprägt“, meint Dietrich. Wichtig sei es nun, Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen den Umgang mitHomosexuellen zu lehren. „Da benötigen wir Aufklärung und Fortbildung.“
K. Serdarov