Ist der Bürgerentscheid gültig? So geht es mit der Paketposthalle weiter
München - Im Jahr 2004 stimmte eine Mehrheit der Münchner für eine Hochhaus-Obergrenze von 99 Metern, abgeleitet von den Türmen der Frauenkirche. Fast 21 Jahre später ist dieser Entscheid nicht mehr bindend. Nun plant die Stadt in Neuhausen ein großes Neubauprojekt – inklusive zweier 155-Meter-Hochhäuser neben der denkmalgeschützten Paketposthalle. Befragt wurden die Bürger nicht. Dabei haben viele Münchner ein gespaltenes Verhältnis zu den Hochhäusern.
Stadt plant Hochhaus-Neubauprojekt – die Meinungen der Bürger gehen auseinander
Einer von ihnen ist der 29-jährige Seyfullah Karadeniz. Die AZ trifft ihn auf einer Bank neben der Halle. "Ich wohne dahinten", sagt er und zeigt auf eine Gebäudegruppe. "Wenn da zwei hundertfünfzig Meter Hochhäuser hingebaut werden, wirft das einen großen Schatten." Er fürchtet steigende Mieten und den Verlust der Ruhe in seinem Viertel. "München platzt, deswegen brauchen wir neue Wohnungen“, entgegnet die 24-jährige Teresa Schatzl. Sie sei hin- und hergerissen: dringend benötigte Wohnungen ja, aber "schade, wenn dafür Grünflächen verschwinden".
Politisch bekam das Projekt Gegenwind. Rund 48.500 Unterschriften sammelten CSU-Landtagsabgeordneter Robert Brannekämper und Ex-SPD-Stadtrat Wolfgang Czisch für ein Bürgerbegehren. Die Unterzeichner hofften auf einen Bürgerentscheid. Doch Juristen im Rathaus halten das Begehren für unzulässig. Die Planungshoheit der Kommune sei besonders geschützt. Bürgerbegehren dürften nicht zu tief eingreifen.
"Wir wollen weder Frankfurt noch Manhattan werden"
Auch das Bürgerbegehren von 2004 wäre nach heutigem Maßstab wohl nicht mehr zulässig. Für das aktuelle Begehren warb auch Karin, die anonym bleiben möchte. Zahllosen Menschen habe sie Unterschriftenlisten "in die Hand gedrückt". Ihre Meinung: "Wir wollen weder Frankfurt noch Manhattan werden. Das ist hier ein schönes altes Viertel – und das wollen die verschandeln."

Doch nicht alle lehnen die Hochhäuser ab. "Die können ruhig gebaut werden", sagt der 44-jährige Thorsten Friedel. Argumente nennt er keine, seine Haltung sei "Bauchgefühl". "Die passen hier gut rein", findet auch der 38-jährige Andreas Schuster, der in einer Küche in der Nähe arbeitet. Er habe sich die Pläne online angesehen, die Architektur gefalle ihm. Ein Wunsch bleibt: "Es wäre schön, wenn sich die Verantwortlichen Gedanken zur Hochhausbegrünung machen."

Entscheidung liegt beim Stadtrat, doch zufriedenstellen wird er wohl kaum alle
Nun liegt die Entscheidung beim Stadtrat, der diesen Mittwoch über die Zulassung des Bürgerbegehrens abstimmt. Tags zuvor forderte die Fraktion Die Grünen – Rosa Liste, die Bürger nicht nur über die Türme, sondern generell über eine 100-Meter-Grenze abstimmen zu lassen. Dazu wollten sie einen Änderungsantrag einbringen, der die Verwaltung auffordert, rechtskonforme Wege aufzuzeigen. Sollte der Stadtrat dem Begehren stattgeben, könnte binnen drei Monaten ein Bürgerentscheid folgen. Zufriedenstellen wird er damit wohl kaum alle Münchner.
Offener Brief – Investor genervt
Wirft Investor Ralf Büschl hin? "Wenn ich mir die persönliche Diffamierung, die Angriffe auf meine Integrität und die widerwärtige, bodenlose Art der Initiatoren der Bürgerinitiative anschaue, frage ich mich immer öfter, ob es das wirklich wert ist“, schrieb er den Stadträten.
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