Isarhänge: "Gefahren an Leib und Leben"

Die sieht das Baureferat, wenn am östlichen Isarufer keine Steinschlag-Fangzäune errichtet werden. Ein Gutachten weist zwölf Stellen mit besonders hohem Risiko aus.
München - Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass in Stein an der Traun ein Gesteinsbrocken von der Größe eines Busses auf ein Haus stürzte. Peter B. († 45) und seine Tochter Sophie († 18) kamen dabei ums Leben. Die Mutter und ein Sohn überlebten das Unglück schwer verletzt. Die Felswand, aus der sich der tonnenschwere Brocken löste, war aus Nagelfluh.
Dieses albtraumhafte Ereignis ließ auch das Münchner Baureferat aufmerken. Nagelfluh gibt es nämlich auch im eigenen Zuständigkeitsbereich – an den Isarhängen. Die Behörde wollte wissen: Wo ist mit gefährlichem Steinschlag zu rechnen? Ein externer Gutachter wurde eingeschaltet. Was die beauftragte Ingenieurgesellschaft „Dr. Spang“ bei ihren Untersuchungen herausgefunden hat, was nun geplant ist – das war jüngst Thema im Bauausschuss des Stadtrats.
Diplom-Geologe Jochen Wolf erklärte in seinem Vortrag, die Isarhänge aus Nagelfluh seien „instabil und erosionsanfällig“. Die Böschungen würden bis zu 40 Meter über Flussniveau aufragen – einige Felsbereiche seien nahezu senkrecht. Für Erholungssuchende gebe es eine Gefährdung durch Steinschlag. Das Baureferat selbst spricht von „Gefahren an Leib und Leben“, vor denen Spaziergänger und Radler geschützt werden müssten.
Konkret sind in einem Gutachten 50 potenzielle Gefahrenstellen am Ostufer zwischen Marienklausensteg und Grünwalder Brücke ausgemacht worden. Zwölf davon wird ein „hohes Risiko“ attestiert. „Sie müssen noch in diesem Winter gesichert werden“, heißt es aus dem Baureferat. Für die gesamte Strecke hat die Behörde nach eigenen Angaben die „Verkehrssicherungspflicht“. Sie ist verantwortlich, dass niemand verletzt wird.
Der Gutachter zeigte den Stadträten einige Fotos davon, was passieren kann. Sie dokumentierten zum Beispiel einen Felssturz unterhalb des Gasthauses Menterschwaige. Vor einem Jahr kamen dort bis zu zwölf Kubikmeter Gestein herunter. Der obere Weg sei vollständig unter Steinschlag-Schutt begraben worden – teils mannshoch. Und auch auf den unteren Weg fielen noch Brocken herunter.
Nicht nur im Baureferat ruft das alles Erinnerungen an einen weiteren, schrecklichen Vorfall hervor: Im Mai 2012 war im unterfränkischen Großostheim ein fünfjähriges Mädchen von einem herabstürzenden Lehmbrocken erschlagen worden.
In München soll so etwas nicht passieren. Mit Steinschlag-Fangzäunen und Netzen will die Stadt mögliche Gefahrenstellen an der Isar absichern. Die Hauptmaßnahme ist ein 330 Meter langer Zaun – die anderen Absicherungen sind kürzer. Rund 500 000 Euro soll das komplette Paket kosten.
Eigentlich könnte die Umsetzung auch sofort starten – bevor die Vegetation wieder sprießt und brütende Tiere sich durch die Bohr- und Verpress-Arbeiten nachhaltig gestört fühlen. 20 Bäume müssen für die Sicherungs-Vorrichtungen gefällt werden. Der Hauptweg bliebe währenddessen übrigens offen.
Doch das Projekt liegt gerade auf Eis. Der Grund: Der Bund Naturschutz befürchtet „massive Eingriffe“ und zweifelt die „Verkehrssicherungspflicht“ der Stadt an (siehe Kasten). Er hat bei Gericht einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gegen die Stadt gestellt und fordert einen Baustopp. Bevor die Justiz nicht entschieden hat, bleibt an der Isar vorerst alles beim Alten. Die Stadt hofft aber, in den nächsten Wochen loslegen zu können.
Und was ist mit den 38 anderen potenziell gefährlichen Stellen, die das Gutachten als nicht ganz so dringlich eingestuft hat? Wann und wie dort etwas getan wird, steht noch nicht fest.