IS-Prozess in München: Ließ Jennifer W. ein Mädchen (5) sterben?

München - Die Tat ist von unglaublicher Grausamkeit. Weil die kleine Jesidin (5) ins Bett gemacht hatte, wurde sie von dem Mann, der sie als Sklavin gekauft hatte, zur Strafe in der Gluthitze von Falludscha (Irak) in der prallen Juli-Sonne mit Handschellen angekettet. Das Mädchen verdurstete bei 45 Grad qualvoll. Jennifer W. (27), die deutsche Frau des mutmaßlichen IS-Mitglieds, soll dabei im Sommer 2015 zugesehen und nichts unternommen haben.
Ihr wird außerdem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Der Fall wird seit Dienstag am Oberlandesgericht verhandelt. Die Münchner Richter betreten damit in mancher Hinsicht Neuland. Zum ersten Mal weltweit kommt eine Straftat des "Islamischen Staates" gegenüber der religiösen Minderheit der Jesiden vor Gericht. Darüber freut sich auch die Jesidin und Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad.
Festnahme der Angeklagten in Bayern
Sie nannte den Münchner Prozess einen "großen Moment" und ein wichtiges Verfahren für alle Jesiden: "Jeder Überlebende, mit dem ich gesprochen habe, wartet auf ein und dieselbe Sache: Dass die Täter für ihre Taten gegen die Jesiden, insbesondere gegen Frauen und Kinder, verfolgt und vor Gericht gestellt werden."
Neu ist auch, dass einer deutschen Frau als IS-Mitglied der Prozess gemacht wird. Jennifer W., die aus Lohne (Kreis Vechta) stammt, soll einem Spitzel in einem verwanzten Auto von der Tat berichtet haben, als sie versuchte, erneut in den Irak auszureisen. Sie kam nur bis Bayern. Hier wurde sie im vergangenen Juni festgenommen. Doch ihre Verteidiger zweifeln, ob ihre Mandantin bei ihren Aussagen immer bei der Wahrheit geblieben ist. Vielleicht habe sie übertrieben, erklärt ihr Anwalt Ali Aydin.
Amal Clooney als Anwältin im Einsatz
Laut Anklage soll Jennifer W. für den IS als "Scharia-Polizistin" gearbeitet haben. Ihre Funktion: Sie sollte Frauen in Falludscha mit ihren Waffen einschüchtern und zur Einhaltung der IS-Kleider- und Verhaltensordnung zwingen.
Sie selbst kommt beim Prozessauftakt mit Zopf, aber ohne Schleier in den Gerichtssaal. Hat sie sich vom IS abgewendet? Das bleibt am Dienstag offen, Jennifer W. sagt selbst nur ein Wort. Als sie der Vorsitzende Richter Reinhold Baier fragt, ob sie eine Berufsausbildung gemacht habe, antwortet sie kurz mit "Nein".
Die große internationale Bedeutung des Prozesses wird auch durch das Engagement von Anwältin und Murad-Unterstützerin Amal Clooney deutlich. Die 41-Jährige vertritt mit zwei deutschen Kollegen die Mutter des Mädchens.

Clooney, die sich beim Prozessauftakt durch eine Londoner Kollegin vertreten ließ, hatte sich bereits am Vortag in einer Presseerklärung über das Münchner Verfahren zu Wort gemeldet: "Jesidische Opfer warten schon viel zu lange auf die Gelegenheit, vor Gericht auszusagen. Mein Dank gilt den deutschen Anklägern für ihren Einsatz und unsere Zusammenarbeit, um IS-Mitglieder für ihre Taten vor Gericht zu bringen. Ich hoffe, dies ist nur das erste von vielen Strafverfahren, die den IS auf der Grundlage internationalen Rechts endlich zur Verantwortung ziehen."
Amal Clooney hat nicht viel verpasst, der erste Prozesstag war ein äußerst kurzer. Eine Viertelstunde dauerte die Verlesung der Anklage. Dann wurde der Prozess von Richter Baier bereits wieder unterbrochen.
Der Grund: Weil nun eine neue Zeugin dazu gekommen ist, brauchen vor allem die Verteidiger eine Pause, um hunderte Seiten neuer Ermittlungsergebnisse zu studieren. Am 29. April geht es weiter.
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