Inzidenz-Unterschiede in München: In diesen Stadtvierteln sind die Corona-Zahlen am höchsten

München - In Münchner Stadtvierteln mit sozialen Brennpunkten sind die Corona-Infektionszahlen zum Teil deutlich höher als in anderen Stadtvierteln. Das sagte Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD) am Mittwoch in der Vollversammlung des Stadtrats.
"Wir haben festgestellt, dass die Analyse der Daten, auf die wir jetzt zugegriffen haben, ein Verhältnis zwischen sozioökonomischer Lage und der Infektion mit Corona darstellt", führte Zurek aus. Das hätte ihr zufolge mehrere Gründe: Unter anderem spielen das Einkommen, ein möglicher Migrationshintergrund sowie die durchschnittliche Größe der Wohnfläche bei der Frage, ob jemand eher mit Corona erkrankt, eine Rolle.
Wie sich die Corona-Infektionszahlen auf die Stadtviertel verteilen – das hatte Linke-Stadtrat Stefan Jagel schon am 15. März in einer Anfrage vom Gesundheitsreferat wissen wollen. Gespräche mit Pflegern, so erklärt er der AZ, hätten immer wieder ergeben, dass sich eine besonders hohe Zahl an sozial schwächer gestellten Menschen und Migranten auf den Intensivstationen in München befinde. "Armut macht krank", sagt Jagel, "das ist seit langem bekannt".
Auch in München gibt es Inzidenz-Unterschiede
Ganz so drastisch wie zuletzt in Köln sei die Lage in München allerdings nicht. In der viertgrößten Stadt Deutschlands gab es zuletzt Stadtviertel in denen die Sieben-Tages-Inzidenz bei über 500 lag – andere wiederum, teils nur wenige Kilometer entfernt, lagen beinahe bei null.
"Bei uns gibt es diese Disparitäten nicht, aber es gibt durchaus Unterschiede", sagte Zurek am Mittwoch. Die Gesundheitsreferentin nennt dabei auch konkrete Zahlen: "Wir haben Stadtviertel, da differieren die Fälle von 2.449 Fällen je 100.000 Einwohner zu 4.467. Das heißt, es gibt in einigen Stadtvierteln quasi einen 1,8-fach höheren Wert." Um welche Stadtviertel es sich dabei handelt, sagte Zurek allerdings nicht.
Möglicherweise auch, um einen negativen Aspekt dieser Thematik zu umgehen. Denn natürlich sei es laut Zurek so, dass man durch solche Gegenüberstellungen bestimmte Stadtviertel stigmatisieren würde. Andererseits sei diese Datenerhebung in den einzelnen Vierteln jedoch auch wichtig. "Auf der anderen Seite ist es aber so, dass man ohne Daten nicht steuern und nicht qualifiziert in der Richtung vorgehen kann", sagte Zurek.

Die Stadtratsfraktion der FDP/Bayernpartei hakt jetzt allerdings nach: In einer Anfrage vom Donnerstag wollen die Stadträte wissen, in welchen Stadtvierteln besonders schwere Corona-Verläufe verzeichnet werden. Zudem möchte die Fraktion wissen, ob der Stadt bekannt ist, welche Berufsgruppen häufig an besonders schweren Verläufen erkranken.
Diese Stadtviertel haben höhere Infektionszahlen als andere
Laut "SZ" habe eine erste Auswertung des Gesundheitsreferats ergeben, dass sich seit Beginn der Pandemie bis Ende März die geringsten Infektionszahlen im zentralen, dicht bebauten Univiertel Maxvorstadt finden (2.449 Infizierte pro 100.000 Einwohner). Auch nebenan in Schwabing-West sind die Zahlen ähnlich niedrig (2.701).
Die höchsten Infiziertenzahlen sind im Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied (4.467) am westlichen Stadtrand gezählt worden. Der ist zwar eher ländlich geprägt und dünner besiedelt, zu ihm gehören aber auch die Hochhaussiedlungen am Westkreuz und Neuaubing und Gemeinschaftsunterkünfte. Stark betroffen sind auch Viertel, in denen viele Geringverdiener, Alleinerziehende und Menschen mit Migrationshintergrund leben, wie Milbertshofen-Am Hart, Neuperlach, Hasenbergl und Schwanthalerhöhe.
Die Auswertung in den einzelnen Stadtvierteln erfolgt laut Zurek erst seit kurzer Zeit, das Gesundheitsreferat werde diese Daten aber natürlich weiter erheben. Gegen Ende ihrer Ausführung stellte Zurek nochmals unmissverständlich klar: "Man kann eine Feststellung machen: Je schlechter die soziale Lage ist, desto höher ist im Grunde genommen die Covid-Inzidenz." Die Gründe dafür seien vor allem die "prekären Wohn- und Arbeitsverhältnisse".
Linke-Stadtrat Stefan Jagel überraschen die Ergebnisse übrigens nicht besonders. Was ihn ärgert, ist die Frage, warum die Stadt nicht deutlich früher auf die Situation reagiert hat. "Diese Lage hätte man spätestens in der zweiten Welle erkennen können, wenn man mit Ärzten und Pflegern gesprochen hätte – und wenn man hätte hinschauen wollen", sagt er zur AZ.
Wie die Stadt die Situation verbessern will
Es sei ein Thema, "das uns umtreibt und wo wir auch dabei sind, Lösungen zu entwickeln", so Zurek. Eine dieser Lösungen ist die Corona-Informationsseite der Stadt, die mittlerweile auf 15 Sprachen zugänglich ist. Zurek sei keine andere Kommune bekannt, die so viele verschiedene Sprachen anbieten würde. Diese Angebot soll in Zukunft weiter verbessert und ausgebaut werden.
Prinzipiell erarbeiten Gesundheits- und Sozialreferat gerade ein Konzept, wie bestimmte Bevölkerungsgruppen für Corona-Informationen besser erreicht werden können. Ein Beispiel aus anderen deutschen Großstädten: Infopoints mit mehrsprachigen Gesundheitsfachkräften. Auch die Stadt will ähnliche Anlaufstellen schaffen.
Daneben sollen mobile Impfteams in den entsprechenden Stadtvierteln unterwegs sein. Dies sei allerdings erst möglich, wenn die Impfpriorisierung in München komplett aufgehoben ist.