Invasion aus dem Süden - So tickt der Wiesn-Italiano

MÜNCHEN - Im Schnitt trinkt er bis zu acht Maß, lässt 100 Euro auf der Wiesn, isst niemals Steckerlfisch und kann kein Deutsch. Und was ist mit der viel beschworenen Amore? Zum "Italiener-Wochenende" auf dem Oktoberfest packt ein Insider aus.
„Wir werden sterben - aber nicht vor Durst.“ Mit diesem Spruch hat Andrea del Prete aus Mailand in den letzten Jahren tausende Italiener aufs Oktoberfest gelockt. Nach einem ersten privaten Versuch 2001 gründete der 30-Jährige mit Freunden das Reiseunternehmen „Oktoberfestitalia“. 2006 karrten sie 700 durstige Italiener an, 2007 schon 1800. Andrea kennt seine Gäste – und erzählt uns, wie der Parade-Italiano wirklich ist.
Manche fuhren schon 27.300 Kilometer: Andrea fährt seit sieben Jahren von Mailand aus mit dem Reisebus auf die Wiesn – und zwar an jedem der drei Wochenenden. „Von Mailand nach München dauert die einfache Fahrt etwa acht Stunden, das sind rund 650 Kilometer“, sagt er. Insgesamt hat Andrea seither ganze 27300 Kilometer zurückgelegt. Das entspricht etwa einem Flug von München über Asien und den Pazifik nach New York.
Sie trinken 8 Maß am Tag: „Mein historischer Rekord liegt derzeit bei sieben Bier an einem Tag“, sagt Andrea nicht ganz ohne Stolz. Ansonsten schafft er an einem Samstag sechs Maß und am Sonntag noch einmal zwei, bevor er zurückfährt. „Das kann man für all’ die anderen auch so gelten lassen.“ In sieben Jahren hat Andrea somit 168 Maß geschafft – bis zur 200er-Marke ist es also noch etwas hin.
Geldbeutel: Andrea verdient gut mit dem Bierdurst seiner Landsleute. Vergangenes Jahr brachten er und seine Geschäftsfreunde 1800 Menschen aus Italien nach München. Im Durchschnitt kostet eine Fahrt aus Mittelitalien rund 70 Euro. 2007 machte Andreas Firma so rund 126.000 Euro Umsatz. Wer einen garantierten Eintritt ins Festzelt möchte, zahlt noch einmal 70 Euro drauf.
Sie essen Schweinsbraten – oder Hendl: Auf der Wiesn besinnen sich Italiener auf die Basics. „Fast alle essen entweder ein Hendl oder einen Schweinebraten“, sagt Andrea. „Die meisten wollen typische Gerichte. Da wir aber keine Ahnung haben, was ein Steckerlfisch ist, bleiben wir einfach bei dem, was wir kennen.“
Frauen? Da geht kaum was: „Die meisten Italiener sind fasziniert, wie hübsch die Münchnerinnen sind“, sagt Andrea. Italien ist die Modenation Nr. 1, „Tracht gilt bei uns ansonsten als nicht besonders sexy.“ Viel amore geht nicht. „Es gibt zwar viel Gerede, aber die Abschleppquote ist sehr gering.“ Andrea muss zugeben: „Wenn wir betrunken sind, sind wir nicht mehr so seducente, Also verführerisch. Und er? „Ich? Ich hatte schon meine Resultate. Keine Sorge.“
100 Euro geben sie auf der Wiesn aus: Pro Wochenende lässt jeder Italiener durchschnittlich 100 Euro auf dem Oktoberfest, schätzt Andrea – mit acht Maß und einem Hendl kommt das in etwa hin. Seine 1800 Kunden sorgten 2007 für Einnahmen von 180000 Euro. Die Wirte werden es ihnen danken.
Nur zehn Prozent sprechen Deutsch: Italiener können kein Deutsch – ist aber nicht ihre Schuld. „In Schulen der Mittelstufe wird kein Deutsch gelehrt“, sagt Andrea. „Bei höheren Schulen kommen erst einmal Französisch und Englisch dran.“ Aus seinen Erfahrungen in hunderten Biertischgesprächen schätzt Andrea, dass nur zehn Prozent aller Italiener auf der Wiesn sich auf Deutsch unterhalten können. „Englisch sprechen rund 50 Prozent.“
Thomas Gautier