Integration von Muslimen: „Alle unter Generalverdacht“
MÜNCHEN - Alois Glück ist Vorsitzender des Zentralkomitees der Katholiken und CSU-Politiker. Im Völkerkundemuseum diskutiert er heute mit dem Penzberger Imam Benjamin Idriz über dessen Buch
Benjamin Idriz (38), der Imam von Penzberg. Der hat ein Buch geschrieben, mit dem er Vorurteile entkräften will: „Grüß Gott, Herr Imam! Eine Religion ist angekommen“ (Diederichs 16,99). Das Idealbild eines integrierten Muslims entwirft Idriz darin und legt sich mit den Fundamentalisten an. Auf Einladung der evangelischen Stadtakademie München diskutiert er darüber mit Alois Glück am Freitag um 19:30 Uhr im Völkerkundemuseum. Die AZ hat sich mit Glück unterhalten.
ALOIS GLÜCK: Ich beobachte und kenne die Arbeit der Penzberger Gemeinde seit zehn Jahren. Es ist dringend notwendig, dass wir konstruktive Gespräche führen. Die gegenwärtigen Debatten zum Thema Islam schwanken zwischen schönfärberischen Illusionen und generellen Verdächtigungen und Verurteilungen. Auf der Basis können wir die allseits gewünschte Zusammenarbeit nicht gestalten. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir solche konkreten Gespräche führen, zumal Imam Idriz in seinem Buch auch Positionen vertritt, die ihm viel Gegnerschaft bei den fundamentalistischen Muslimen einbringt.
Für Ihren Parteifreund Innenminister Joachim Herrmann ist Herr Idriz eine Reizfigur. Er hält ihn für einen Wolf im Schafspelz, lässt ihn vom Verfassungsschutz beobachten und hat vor Gericht Recht bekommen. Wie passt das?
Ich habe Respekt vor der Arbeit des Verfassungsschutzes. Er ist eine wichtige Einrichtung. Aber ich habe mich sehr intensiv mit der Situation befasst. Mit ist nicht bekannt, dass der Verfassungsschutz zu der konkreten Arbeit in Penzberg Kritik vorgebracht hat.
In seinem Buch gibt der Imam 20 Regeln vor, wie sich Muslime hier integrieren sollen. Dazu gehört auch, die Finanzbehörden und den Staat nicht zu betrügen, den Müll zu trennen, nicht zu laut Musik zu hören und nachts keine Besuche zu empfangen. Was haben Sie gedacht, als Sie das gelesen haben?
Das ist ein Impuls, ein Bemühen für ein Zusammenleben, das über die Normen des Grundgesetzes hinaus sich an der Kultur unseres Landes orientiert. Die Einzelnen müssen hier ihren Weg finden. Es sind Empfehlungen für ein integrierendes Verhalten.
Islamkritiker sagen, Muslime seien nicht integrierbar. Auch Horst Seehofer sympathisiert damit und will keine Zuwanderer aus der Türkei und arabischen Staaten.
Es ist nicht richtig, dass Muslime generell nicht integrierbar sind. Dafür gibt’s hunderttausende von positiven Beispielen in unserem Land. Ein großes Problem der Diskussion der letzten Monate ist, dass alle unter Generalverdacht gestellt werden. Gerade diejenigen, die sich integriert haben, die oft ganz wertvolle Arbeit in unserer Gesellschaft erbringen und dafür keinerlei Anerkennung erfahren. Das fördert natürlich nicht die Bereitschaft zur Integration. Es ist auch falsch, dass der Islam und eine moderne Welt nicht zu vereinbaren wären.
Die CSU wird nicht müde zu betonen, „bei uns gilt das Grundgesetz und nicht die Scharia“. Herr Idriz aber fordert einen „Fatwa-Rat“ für Deutschland, der islamische Rechtsgutachten erstellt.
Es geht hier nicht darum, dass die Scharia oder solche Gutachten über dem Grundgesetz stehen würden. Mit dem Fatawa-Rat verbindet er Empfehlungen, wie gelebter Glaube und Leben in dieser modernen Welt mit einander verbunden werden können. Das kennen wir auch aus dem Christentum. Was wir dringend brauchen, ist eine viel differenziertere Betrachtung der Vielfalt des Islams. Der Grundfehler beginnt damit, dass wir immer nur sagen „der Islam“ – und meistens nur Nachrichten über die Islamisten kennen.
Im Umgang mit Frauen wirft Idriz den Muslimen „steinzeitliches Denken“ vor. Die CSU hat bei diesem Thema auch Nachholbedarf.
Das sind völlig unsinnige Verquickungen und Gegenüberstellungen. Das ist keine sinnvolle Art, die Dinge zu diskutieren.
Idriz propagiert ein modernes Menschenbild, mit Frauen in kurzen Röcken und ohne Kopftuch. Nehmen Sie ihm das ab?
Ja. Das gibt es ja in vielen islamischen Ländern. Das können Sie in der Türkei sehen. Das habe ich auch in Marokko erlebt.
Idriz gilt als fortschrittlich, ist aber auch umstritten. Ihm wird „Taqiyya" vorgeworfen, also Nichtmuslime über seine wahren Absichten zu täuschen. Wie denken Sie darüber?
Es kann nicht jemand über so lange Zeit und unter dem Aspekt Täuschung eine solche Arbeit betreiben. Man kann natürlich mit dem Totschlagargument, hier verstellt sich jemand, jede Gesprächsmöglichkeit verweigern. Dann haben wir aber nur die Wahl der Konfrontation mit dem Islam in Deutschland und weltweit. Wir brauchen aber eine ehrliche Auseinandersetzung.
Interview: Angela Böhm