Inkasso-Forderungen: Mehr als die Hälfte sind unberechtigt

München - Drei Euro und dreizehn Cent Portokosten, höher war die ursprüngliche Summe nicht, die Ursula Wick (74) auch über ein Jahr später noch Ärger macht. Ein Inkassounternehmen bedrängt die Rentnerin aus Nürnberg – fordert einmal sogar 103,88 Euro und droht ihr mit einem Insolvenzverfahren. So wie Wick geht es vielen, zeigt eine neue Untersuchung der Verbraucherzentrale Bayern. Starke Persönlichkeiten wie sie sind aber die Ausnahme.
Die 74-Jährige hatte sich im Internet Fotoabzüge bestellt. Bezahlen musste sie nur die Portokosten. So lautete das Angebot. Die Fotos kamen, die Rechnung nie. „Ich hab nachgeschaut, ob was kommt und dann auch vergessen“, erzählt sie. Bis einen Monat später der Brief einer Inkassofirma kam. Aus den 3,13 Euro waren auf einmal 43,95 geworden.
Wick rief bei der Fotofirma an, um die Sache zu regeln, die verwies an die Inkassofirma – mit der war nicht zu reden. Seitdem hat Wick mit der Firma einen regen Briefwechsel. 50 Milliarden Euro wickeln Inkassofirmen deutschlandweit jährlich ab. Es ist eine Goldgrube, in der sich schwarze Schafe tummeln.
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Eine neue Umfrage der Verbraucherzentrale Bayern bestätigt das. Sie hat mit 14 anderen Zentralen 1413 Inkasso-Beschwerdefälle untersucht, die an sie herangetragen wurden.
Das Ergebnis: In 56 Prozent der Fälle waren die Forderungen unberechtigt, in 30 Prozent zumindest unklar. Dabei ist es für Verbraucher oft schwierig, die Schreiben zu verstehen.
Zwar haben Inkassofirmen seit 1. November 2014 die Pflicht, Kosten und Forderungsgrund darzulegen. Wie sie das tun, ist aber für Verbraucher oftmals nicht nachvollziehbar. 68 Prozent der von der Verbraucherzentrale befragten Betroffenen konnten mit der Kostenaufstellung der Inkassofirmen nichts anfangen. Ebenfalls undurchsichtig: die Kosten selbst. Inkassofirmen schlagen auf die Erstforderung verschiedene Gebühren auf – teilweise völlig überzogen. Gesetzlich geregelt ist, dass ein Inkassounternehmen nicht mehr verlangen darf, als ein Anwalt verlangen würde – auch wenn ihre Aufgaben oftmals derart hohe Sätze laut Verbraucherzentrale nicht rechtfertigen. In der Praxis ist es so, dass viele Inkassofirmen automatisch die hohen Sätze berechnen – egal wie simpel die berechnete Tätigkeit ist.
Ein Trick, den viele unseriöse Firmen anwenden: Sie bieten eine Ratenzahlung an – die an eine Schuldanerkenntnis gekoppelt sind. Die Folge: Wer unterschreibt, kann sich nicht mehr wehren, selbst wenn die Forderung gar nicht stimmt.
Viele Firmen sind sich nicht zu schade, plump einzuschüchtern. In einem Drittel der ausgewerteten Schreiben wurde mit Schufa-Einträgen, Strafanzeigen oder Mitarbeitern gedroht, die man zum angeblichen Schuldner nach Hause schicken wolle.
Für die Verbraucherzentrale ist deshalb klar: Inkassofirmen müssen besser kontrolliert werden – und Verbraucher besser aufgeklärt. Damit mehr von ihnen so einen kühlen Kopf bewahren wie Ursula Wick.
Die hat seit zwei Monaten keinen neuen Brief bekommen und hofft, dass das so bleibt: „Ich sitze das aus.“
Tipps von der Verbraucherzentrale: Was tun, wenn der Inkassobrief kommt?
- Ist die Forderung berechtigt, begleichen Sie die Hauptforderung. Prüfen Sie aber, ob die Inkassogebühren zu hoch sind. Wenn ja, zahlen Sie nur einen angemessenen Betrag.
- Prüfen Sie, ob das Inkassounternehmen registriert ist. Nicht registrierte Inkassounternehmen, auch ausländische, dürfen nicht tätig werden.
- Zahlen Sie nicht, wenn die Hauptforderung nicht berechtigt ist. Normalerweise schicken Firmen, wenn eine Rechnung offenbleibt, erst selbst eine Mahnung.
- Widersprechen Sie unberechtigten Forderungen schriftlich und per Einschreiben.
- Sollten noch Briefe kommen: Diese sammeln, aber nicht mehr reagieren.
- Wenn trotzdem ein Mahnbescheid vom Gericht kommt: Widersprechen Sie.