Inflation: Die Münchner Preistreiber

MÜNCHEN - Die Inflation ist so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Kosten für Öl, Gas, Strom und Lebensmittel machen mehr als die Hälfte der Teuerung aus – die AZ zeigt, wie teuer unsere Stadt geworden ist.
Gut, dass Sommer ist. Jetzt heizen die Münchner nicht – und sie können öfter Rad fahren. Der Ölpreis ist heuer explodiert, ein Barrel Rohöl kostete bis zu 146,10 Dollar – die Preise für Heizöl und Sprit stiegen dementsprechend: In München kostete ein Hektoliter Heizöl im Jahr 2003 noch 35,73 Euro. Jetzt sind es 91,02 Euro – ein Anstieg um 155 Prozent.
Es ist nicht nur das Öl. Insgesamt stiegen die Verbraucherpreise im Juni laut Statistischem Bundesamt so stark an wie in den letzten 15 Jahren nicht mehr. Allein im Vergleich zum Vorjahr stieg die Teuerungsrate um 3,3 Prozent. Die Inflation boomt – die Münchner stöhnen. Die größten Preistreiber sind Energie und Lebensmittel. „Diese Bereiche erklären weit mehr als die Hälfte der gesamten Preissteigerungen gegenüber dem Vorjahr“, hieß es aus dem Statistischen Bundesamt.
Die Preis-Experten rechnen folgendermaßen: Sie stellen einen Warenkorb aus 650 Produkten und Dienstleistungen (wie Haare schneiden) zusammen. In München prüfen drei Preiskontrolleure jeden Monat die Preise für diese Posten – und lassen sich den Preis für eine Semmel auch mal persönlich beim Bäcker bestätigen.
Das Bayerische Landesamt für Statistik erstellt mit diesen einen Preisindex. Dabei gewichten Experten Posten wie Miete, Strom, Sprit höher – dafür geht schließlich im Monat am meisten vom Konto ab. Da jetzt auch die Lebensmittelpreise stark gestiegen sind, spüren die Verbraucher die Inflation fast täglich. Den Käufern fallen die Preise im Supermarkt mehr als auf als das, was sie nur einmal im Monat bezahlen. Quark, Margarine und Nudeln stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 27 bis 31 Prozent. Notebooks waren heuer 28 Prozent billiger als im Vorjahr – sie werden bloß seltener gekauft, es fällt weniger auf. Immerhin blieb der Preis für eine Semmel stabil – 3,7 Prozent mehr als 2003.
Recherchen der AZ ergaben: Miete, Strom, Heizung und Sprit sind auch in München die größten Preistreiber. Strom kostete 2003 13 Prozent weniger als heute, Sprit 47 Prozent, die Durchschnittsmiete 19 Prozent. Vor allem Geringverdiener oder Rentner leiden darunter. „Der Betrag, der zum Leben übrig bleibt, schrumpft kontinuierlich“, sagt Tobias Vollmar vom Münchner Mieterverein. Schuld daran seien rasant gestiegene Nebenkosten und drastische Mietsteigerungen. Das dicke Ende kommt erst noch. Für 2008 rechnet der Mieterverein mit Betriebskostensteigerungen von 30 Prozent. „Die Zeche für diesjährige Preissteigerungen zahlen die meisten Mieter im Frühjahr, wenn die Nebenkostenabrechnung kommt“, sagt Tobias Vollmar vom Münchner Mieterverein. Gudrun Bünte von der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt erwartet einen Ansturm ab Herbst. „Die Gaserhöhung kam erst jetzt, außerdem zahlen die Verbraucher in ihren heuer fälligen Abschlagszahlungen für das Jahr 2007 die Energiepreise des vergangenen Jahres – das wird sich mit der nächsten Abschlagszahlung ändern.“
Streifenkarte: 22 Prozent
Der MVV erhöhte seine Tarife am 1. Juli um 3,8 Prozent – seitdem kostet die Streifenkarte elf Euro. 2003 gab es den beliebten Fahrschein noch für neun Euro, das ist ein Anstieg von 22 Prozent. Die Kinderstreifenkarte fiel ganz weg. Dafür müssen Jugendliche unter 21 nur noch einen (statt bisher zwei) Streifen stempeln
Semmel: 4 Prozent
Unser täglichWeißbrot ist eine Konstante im Alltag – auch beim Preis. Der stieg im Vergleich zu 2003 nur um vier Prozent. So wird nicht mal die Inflation ausgeglichen. Heute kostet eine Semmel 28 Cent, 2003 waren es 27 Cent. Belegen Sie das Ding aber bloß nicht mit Schnittkäse! Der wurde nämlich im Vergleich zum Vorjahr um 27 Prozent teurer.
Helles: 45 Prozent
Des Münchners liebster Freund (neben dem Dackel) bleibt von der Inflation auch nicht unberührt. Zwar regen sich die Münchner jedes Jahr darüber auf, dass die Wiesnmaß schon wieder teurer geworden ist. Sie sollten aber auch mal darauf achten, was das tägliche Bier im Supermarkt kostet – nämlich 45 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren! Laut Statistischem Amt steht eine Halbe Helles für 1,0 Euro im Regal. 2003 gab’s den halben Liter des goldenen Durstlöschers für 69 Cent. Das waren noch Zeiten.
Tasse Kaffee: 10 Prozent
Kaffee kostet auf dem Weltmarkt 141 Dollar – vor vier Jahren gab’s den noch für die Hälfte. Demgegenüber sind die Preise für eine Tasse Kaffee im Restaurant noch mäßig gestiegen: 2,27 Euro zahlten die Münchner im Mai, 2003 waren es 2,07 Euro. Die Preissteigerung beträgt zehn Prozent.
Heizöl: 155 Prozent
Höhere Nachfrage aus China und Indien, ein zu knappes Angebot, Spekulanten an den Rohstoffmärkten, oder alles zusammen – das sind nach Expertenmeinung die Gründe für den extremen Preisanstieg des Öls in diesem Jahr. Sicher ist: Die Münchner zahlen derzeit 155 Prozent mehr für ihr Heizöl als noch vor fünf Jahren. Hundert Liter Heizöl gab es imMai für 91,02 Euro, 2003 zahlte man 38,09 Euro dafür. 2007 waren es 55,77 Euro, 63 Prozent weniger als heuer.
Spirt: 74 Prozent
Fahren Sie am besten nur Fahrrad! Zehn Liter Normalbenzin kosteten im Mai in München 14,95 Euro – so rechnet das Statistische Amt der Stadt. 2003 zeigte der Preis an der Zapfsäule noch 10,16 Euro an. Somit stieg der Preis für Sprit um rasante 47 Prozent. Bei Diesel sieht es noch schlimmer aus: Der einst unschlagbar billige Treibstoff kostete kurze Zeit sogar mehr als Normalbenzin. Jetzt zahlt man für zehn Liter 14,53 Euro. Im Vergleich zu 2003 (8,33 Euro) ist das ein Anstieg von 74 Prozent. Und Preissteigerungen zur Ferienzeit sind so sicher wie das Amen in der Kirche.
Kinobesuch: 4 Prozent
"Komm, wir gehen ins Kino", hieß es früher gern – jetzt wird so mancher zwei Mal drüber nachdenken. Eine Kinokarte für die Münchner Kinos gab es in diesem Jahr für durchschnittliche 7,77 Euro. 2003 waren die Blockbuster noch für 7,49 Euro zu sehen – also vier Prozent billiger. Aber: Das ganze Drumherum wie Popcorn, Cola und Parkgarage sind auch nicht billiger geworden.
Gas: 31 Prozent
2003 zahlte ein Münchner für 100 Kilowattstunden Gas traumhafte 52,32 Euro. Heute, fünf Jahre später, musste er sich laut dem Statistischen Amt München schon 68,66 Euro aus dem Geldbeutel quetschen – ein Anstieg um 31,2 Prozent. Soviel kostete das Gas interessanterweise schon 2007, 2006 war es mit 70,88 Euro sogar noch teurer als heute. Damit ist Gas in den vergangenen zwei Jahren im Gegensatz zu vielen anderen Dingen sogar etwas billiger geworden. Nur eben nicht im langfristigen Vergleich.
Miete: 19 Prozent
München hat die höchsten Mietkosten Deutschlands – und sie steigenweiter. 2003 kostete der Quadratmeter in einer 60-Quadratmeter- Wohnung in durchschnittlicher Lage 8,93 Euro. Heuer sind es 10,62 Euro, also 19 Prozent mehr. Schuld sind laut Thomas Vollmar vom Münchner Mieterverein die hohen Nebenkosten, die vor allem durch die vielen Modernisierungen entstehen. Die Vermieter dürfen einen Teil der Kosten auf die Miete drauflegen – auf unbegrenzt lange Zeit. „Über die ortsüblichen Vergleichsmieten zieht das den ganzen Mietmarkt nach oben“, sagt Vollmar.
Strom: 13 Prozent
Licht sparen ist angesagt: Alte Glühbirne raus, Sparlampe rein. 200 Kilowattstunden Strom kosten in diesem Jahr in München 43,16 Euro – 2003 gab’s Licht undWärme aus der Steckdose noch für 38,09 Euro, ein Anstieg um13 Prozent. Beunruhigend ist: Der Preis ist in den letzten fünf Jahren kontinuierlich in kleinen Schritten nach oben gekrochen.
Schnitzel: 7 Prozent
Es gibt sie noch, die guten Dinge, die den Gaumen erfreuen – aber sie haben ihren Preis. Ein flockig paniertes Schnitzel beim Wirt nebenan steht für durchschnittlich 12,38 Euro auf der Speisekarte – und besteht aus Schweinefleisch, nebenbei gesagt. Kalb ist natürlich noch viel teurer. 2003 war die Sohle in Münchens Gasthäusern noch für 11,56 Euro zu kriegen, das ist ein Anstieg um 7 Prozent. So manchem Gast bleibt das Fleisch da im Halse stecken.
Thomas Gautier