Index-Miete in München: "Da ist überhaupt keine Grenze"

Bisher galt eine Index-Miete oft als faire Lösung. Das ist vorbei. Mit der Inflation drohen drastische Erhöhungen – und Gasnachzahlungen bis zu 1.000 Euro. Vermieter jubeln über eine "günstige Fügung".
von  Helena Ott
Der Münchner Mieterverein unterstützt die bundesweite Kampagne für einen sechsjährigen Mietenstopp. (Symbolbild)
Der Münchner Mieterverein unterstützt die bundesweite Kampagne für einen sechsjährigen Mietenstopp. (Symbolbild) © Andreas Gebert/dpa

München - Als Münchner Mieter beneidet einen niemand außerhalb der Stadt. Die Gentrifizierung treibt Familien mit kleinem Einkommen an den Stadtrand. In den vergangenen Jahren haben Mietverhältnisse zugenommen, die vor 2001 nur für Gewerbe zugelassen waren, sogenannte Index-Mieten. Sie erlauben es Vermietern, die Miete einmal pro Jahr zu erhöhen.

Lange mäanderte die Index-Miete bei zwei Prozent

Grundlage ist die jeweilige Inflationsrate, also der Anteil, um den auch die Verbraucherpreise steigen. Im Gegenzug sind weitere Mieterhöhungen zum Beispiel wegen freiwilliger Modernisierung oder Angleichung an den Mietspiegel ausgeschlossen.

Vor der Pandemie, dem Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Preissteigerungen war eine indexierte Miete für Mieter sogar die preiswertere Option. Zumindest bei etwas älteren Mietverträgen, wo die Miete nicht schon auf Niveau des Mietspiegels lag.

Denn während herkömmliche Mieten steil nach oben kletterten, mäanderte die Inflation lange stabil bei um die zwei Prozent. Im Frühjahr 2022 wurde dieses Verhältnis auf den Kopf gestellt. Im März wurde ein neuer Höchststand von 7,3 Prozent erreicht, so viel wie seit über 40 Jahren nicht mehr.

Für Index-Mieter bedeutet das die Gefahr, dass sie sich neben einer hohen Heizkostennachzahlung im kommenden Frühjahr, teuren Lebensmitteln und Tankkosten nun auf eine weitere monatliche Belastung einstellen müssen. Bewohnt man beispielsweise eine Zwei-Zimmer-Wohnung in mittlerer Lage, die 1.300 Euro Miete kostet, dürfte der Vermieter bald knapp 95 Euro pro Monat mehr verlangen. Eine Steigerung um eben jene Inflationsrate von 7,3 Prozent.

Bei Neuvermietungen sind Index-Verträge schon am häufigsten

Allerdings müssten seit der letzten Mieterhöhung oder dem Mietbeginn zwölf Monate vergangen sein, sagt Beatrix Zurek, die Vorsitzende des Münchner Mietervereins. Gerade neu vermietete Wohnungen würden gerne mit einer Index-Miete angeboten. "Da darf die Miete ja sowieso schon 15 Prozent über dem Mietspiegel liegen”, sagt Zurek.

Kritisiert Index-Mieten: Beatrix Zurek vom Mieterverein.
Kritisiert Index-Mieten: Beatrix Zurek vom Mieterverein. © imago/kolbert-press

Ein Jahr später schon eine Erhöhung von um die sieben Prozent – für Neu-Mieter mit Index-Mieten ist der Inflationssprung besonders bitter. Aus Sicht des Mietervereins ist es für Vermieter eine legale Möglichkeit, den Mietspiegel zu umgehen.

"Wir fordern schon lange, dass Index-Mieten auch von der Kappungsgrenze gedeckelt werden”, sagt die Mietervertreterin. Die Kappungsgrenze ist ein bundesweit gesetzlich vorgeschriebener Mechanismus, der verfügt, dass Mieten in Ballungszentren innerhalb von drei Jahren um maximal 15 Prozent ansteigen dürfen. "Aber für Index-Mieten gilt auch das nicht, da ist überhaupt keine Grenze”, sagt Beatrix Zurek.

Es ist schwer zu sagen, wie viele Mieter in München tatsächlich betroffen sind. Die Stadt darf zu diesen privatrechtlichen Verträgen keine Daten erheben und in bisherigen Erhebungen wurde nicht nach der Art des Mietvertrags unterschieden. Münchens Eigentümerverband Haus und Grund geht bei 60 Prozent der neu geschlossenen Verträge davon aus. Bei den alten Mietverträgen ist es eine absolute Ausnahme. Insgesamt schätzt der Mieterbund den Anteil der Index-Mieten deshalb nur auf drei bis fünf Prozent.

Bisher hätten sich erst einzelne Betroffene zur Beratung gemeldet. Das könnte sich mit steigenden Inflationsraten natürlich ändern.

Index-Mieten: Rechtlich ist der Vermieter auf der sicheren Seite

In der Regel werden Index-Mietverhältnisse innerhalb des Jahres erhöht, meist in jenem Monat, in dem der Vertrag einmal geschlossen wurde. Kündigt ein Vermieter im April schriftlich, wie das vorgeschrieben ist, die Erhöhung an, würde sie zwei Folgemonate später wirksam werden. Dann sei nichts mehr zu machen, sagt Beatrix Zurek. Rechtlich sei der Vermieter auf der sicheren Seite.

Doch ausgerechnet die Hausbesitzer könnten die Situation entschärfen: "Die Vermieter können um 7,3 Prozent erhöhen”, sagt Rudolf Stürzer, der Vorsitzende des Eigentümerverbands Haus und Grund, "aber sie müssen das nicht voll ausschöpfen”. Mehrere seiner Mitglieder hätten diese Frage bereits aufgebracht.

Findet diese Mietform gerechet: Rudolf Stürzer von Haus und Grund.
Findet diese Mietform gerechet: Rudolf Stürzer von Haus und Grund. © ho

Aber ein paar Sätze weiter spricht der Vermieter-Vertreter nonchalant von einer "günstigen Fügung” für seine Mitglieder. Auch wenn der Inflations-Sprung nicht absehbar gewesen sei, halte er es trotzdem für fair, dass die Index-Vermieter "nun einmal nachziehen können”, wie er es formuliert. Rudolf Stürzer weiß, dass viele Erfolge, die er in seinem Resümee zieht, zulasten der 600.000 Münchner Mieter gehen.

Und zum Teil weiß er aus erster Hand, was noch bevorsteht. Schon jetzt berichteten ihm Vermieter von Preisen für Öl und Gas, die sich für 2022 verdoppelt hätten – aber bei den Mietern kommt das erst deutlich später an.

Stürzer warnt vor Heizkostennachzahlungen in Höhe von 1.000 Euro und mehr für die Mieter. "Wir appellieren an unsere Mitglieder, dass sie jetzt dringend den Abschlag erhöhen, dass das dann nicht so ein Brocken wird”, sagt er. Sollten Vermieter nicht tätig werden, rät Stürzer Mietern rechtzeitig selbst genügend Geld für die Nachzahlung zurückzulegen.

Für viele Mieter ist die Grenze des Tragbaren schon jetzt erreicht

Tausend Euro extra im nächsten Frühjahr und je nach Höhe der aktuellen Miete vielleicht bald 100 Euro mehr monatlich, das reißt gerade bei Menschen mit kleinen Einkommen eine riesige Lücke in das Haushaltsbudget. "Geringverdiener und Mieter aus dem Mittelstand sind in München längst an der Grenze dessen, was sie monatlich finanzieren können”, sagt die Mietervereins-Vorsitzende Zurek.

Nötig seien jetzt beherzte Änderungen des bundesweiten Mietrechts von den Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP in Berlin. "Unsere Forderung ist ein sechsjähriger Mietenstopp”, sagt Zurek. Gemeinsam mit einem Bündnis aus 164 Mietervertretungen und Sozialverbänden organisiert der Mieterbund derzeit die bundesweite Kampagne "Mietenstopp”.

Wohnen muss ein Grundrecht bleiben, sagt Beatrix Zurek. Wohnungen gehörten demnach zur Daseinsvorsorge und seien nichts "mit dem man spekulieren kann, wie mit irgendwelchen Aktientiteln”.


Die Index-Miete: Die wichtigsten Fragen und Antworten vom Mieterbund

  • Dürfen Vermieter aufgrund des statistisch ermittelten Preisindex telefonisch eine sofortige Index- Mieterhöhung verlangen?

Nein. Laut Mieterbund erhöht sich die Miete nicht sofort, die Erhöhung kann auch nicht mündlich geltend gemacht werden. Vermieter müssen eine schriftliche Erhöhungs- oder Änderungserklärung abgeben, die sich auf die Zahlen des Preisindex stützt, die das Statistische Bundesamt errechnet hat. Voraussetzung ist zudem, dass die bisherige Miete mindestens ein Jahr unverändert geblieben ist.

  • Ab wann gilt die Erhöhung?

Sobald eine wirksame Index-Mieterhöhungserklärung eingegangen ist, muss die angepasste Miete mit Beginn des übernächsten Monats bezahlt werden. Eine rückwirkende Erhöhung ist ausgeschlossen.

  • Muss die Mietpreisbremse auch beim Index-Mietvertrag eingehalten werden?

Nur bei der Ausgangsmiete. Die unterliegt in München bei Bestandswohnungen der Mietpreisbremse. Mieten dürfen dann maximal 15 Prozent höher liegen als die im Mietspiegel ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete. Die nachfolgenden erhöhten Mieten allerdings unterliegen dann nicht mehr den Begrenzungen durch die Mietpreisbremse.

  • Gibt es Grenzen für die Index- Mieterhöhung?

Nein, es gibt keine Obergrenze.

  • Dürfen Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden?

Nur eingeschränkt. Während der Laufzeit der Index-Vereinbarung dürfen Vermieter die Miete nur für solche Modernisierungen erhöhen, die sie selbst nicht zu vertreten haben, erklärt der Mieterbund. Dazu zählen etwa Maßnahmen zur Energieeinsparung (Dach-Dämmung), nicht aber Balkonanbau oder eine Badsanierung. Dürfen Vermieter den normalen Mietvertrag im laufenden Mietverhältnis einfach so auf einen Index-Mietvertrag umstellen? Nein. Vermieter haben keinen Anspruch auf Umwandlung des laufenden Mietvertrags in einen Index-Mietvertrag, teilt der Mieterbund mit. Einer Umwandlung muss der Mieter zustimmen.

  • Kann die Miete auch wieder sinken?

Prinzipiell ja. Eine Index-Mietvereinbarung ist zwar in erster Linie Grundlage für eine Mieterhöhung. Bei einer entsprechenden Preisentwicklung ist aber auch eine Mietsenkung möglich, erklärt der Mieterbund.

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