In Wien zahlt man fünf Euro Miete – warum nicht in München?

München - Elfeurodreiundzwanzig. Die meisten Münchner wissen leider, was diese Zahl bedeutet: Es ist der durchschnittlichen Quadratmeterpreis in München, erhoben 2017. Viele Mietwohnungen liegen da inzwischen deutlich darüber.
Wien, eine Stadt, die wohl nicht weniger lebenswert als München ist, hingegen kostet pro Quadratmeter im Schnitt 9,60 Euro. Jetzt hat die rot-grüne Regierung von Wien, Hauptstadt und Bundesland zugleich, eine neue Bauordnung beschlossen, die Investoren strengere Vorgaben macht.
Fünf Euro pro Quadratmeter
Bei zwei Drittel aller neugebauten Wohnungen darf die Miete demnach nicht mehr als fünf Euro pro Quadratmeter betragen. Sie fallen in die Kategorie geförderte Wohnnutzfläche. So will die Stadt der Teuerung durch drastisch steigende Grundstückspreise entgegenwirken. Großinvestoren sehen nämlich in Immobilien ein sicheres und renditeträchtiges Investment.
Das geförderte Wohnen hat in Wien eine lange Tradition. Es wurde nach dem Ersten Weltkrieg von den Sozialdemokraten erfunden. Zu Hochzeiten waren 80 Prozent der Wohnungen in Wien gefördert, doch mittlerweile ist der Anteil auf ein Drittel gesunken. Dem will die Stadt nun entgegenwirken.
Wien ist größter Immobilieneigentümer und -verwalter

Die Stadt Wien ist mit 220.000 städtischen Wohnungen in Gemeindebauten und 180.000 städtisch geförderten Genossenschaftswohnungen der größte Immobilieneigentümer und -verwalter der Welt. Mieter sind hier sehr stark geschützt.
Gebaut wird vor allem mit gemeinnützigen Trägern. Damit die ihren steuerlich vergünstigten Status erhalten, beachten sie soziale Ziele, müssen Gewinne rückinvestieren, transparent sein. Bewerben kann sich, wer zwei Jahre in Wien wohnt und unter einer Einkommensgrenze liegt: 83.610 Euro netto im Jahr für vier Personen sind das zum Beispiel. Wer später besser verdient, darf bleiben. Die hohe Einkommensgrenze gehört zum Modell.
Reiter fordert neuen Mietspiegel
In München hat der Stadtrat im Juli eine kommunale Mietpreisbremse beschlossen. Diese gilt aber nur für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG. Außerdem will die Stadt 3000 Billig-Wohnungen mit ihrem "Wohnen für Alle"-Programm bauen – bis 2020. Oberbürgermeister Dieter Reiter fordert zudem einen neuen Mietspiegel. Der ist der Richtwert für Neuvermietungen und für Mieterhöhungen. Währenddessen nimmt die Zahl der Sozialwohnungen ab. Jeder Neubau ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Meinungen von Lokalpolitikern:
Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister: Das Planungsreferat prüft

Eine Miete von fünf Euro pro Quadratmeter wäre natürlich auch für München wünschenswert. Leider haben wir im Unterschied zu Wien, das zugleich ein Bundesland ist, als Kommune nur sehr begrenzte Handlungsmöglichkeiten, die wir bisher schon nutzen. Dennoch habe ich das zuständige Planungsreferat heute gebeten, zu prüfen, was es braucht, um eine ähnliche Regelung auch in München durchsetzen zu können und welche Voraussetzungen die Landesregierung beziehungsweise der Bund dazu schaffen müssten.
Manuel Pretzl (CSU), bald zweiter Bürgermeister: Ein Projekt probeweise ausschreiben

Der Ansatz ist spannend, aber es braucht Unternehmen, die das durchsetzen. Denn ein Privater kann wegen der höheren Kosten in Deutschland zu solchen Konditionen nicht bauen. Zumal unsere städtischen und gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften schon fast am Limit sind. Es wäre aber durchaus eine Überlegung, ob man das mit einem städtischen Grundstück mal probiert. Das heißt, die Stadt schreibt das Grundstück zu den Konditionen aus, wie in Wien gebaut wird und dann schauen wir, wer sich bewirbt und für wen das interessant ist.
Katrin Habenschaden, OB-Kandidatin der Grünen: Landespolitiker sind dran

In Wien setzt sich in der Stadtplanung die grüne Handschrift durch. Aber es gibt dort auch eine komplett andere Historie. Wichtig für München ist, dass wir die Instrumente, die wir haben, um gegen steigende Mieten vorzugehen, so scharf belassen: Erhaltungssatzungsgebiete, Vorkaufsrecht und so weiter. Allerdings ist es auf kommunaler Ebene kaum mehr möglich, da noch mehr zu schärfen. Das Wiener Modell sollte jetzt eine gute Steilvorlage für die neuen und alten Landespolitiker sein, sich mehr für die Mieter einzusetzen.
Christian Amlong, GWG-Sprecher: Private in die Pflicht nehmen

Wir haben in zwei Jahren unser Wohnungsbauprogramm verdoppelt, aber auf kurze Sicht ist nicht mehr möglich – auch, weil Fachkräfte fehlen. Aktuell wird jede sechste Wohnung von uns oder der Gewofag gebaut. Was neu entsteht in München ist auf einem ausgezeichneten Weg, aber in der Vergangenheit wurden viele Fehler gemacht. Deshalb müssen wir jetzt, wo etwas Neues entsteht, auch Private mit in die Pflicht nehmen. Es ist ja bereits so, dass bei neuen Bebauungsplangebieten 40 Prozent der Wohnungen nach dem München Modell sein müssen. Aber was ist mit all den kleinen, innerstädtischen Flächen? Das ist Bundesgesetz und sollte dringend bald geändert werden.
Rudolf Stürzer, Haus-und-Grund-Chef: Keine privaten Investoren mehr

Private Investoren werden sich bei diesen Rahmenbedingungen nicht mehr finden lassen. Fünf Euro/m² decken bei den vorgeschriebenen Baustandards nicht einmal die reinen Baukosten. Jedenfalls müsste ein Investor solche Wohnungen mit den verbleibenden preisfreien Wohnungen querfinanzieren. Heißt: Sowohl die Kauf- als auch die Mietpreise für preisefreie Wohnungen steigen deutlich und treiben die Mietpreisspirale weiter an. Besser verfügbare Mittel für höheres Wohngeld gezielt an wirklich Bedürftige.
Hans Reichhart, Bayerischer Bauminister (CSU): Planungshoheit liegt bei den Städten

In Bayern liegt die Regelungskompetenz für die Festsetzung von Quoten für den geförderten bezahlbaren Wohnungsbau in Neubaugebieten aufgrund der kommunalen Planungshoheit bei den Städten und Gemeinden. Das Bayerische Zweckentfremdungsgesetz gibt Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Satzungen, auf deren Grundlage sie gegen eine Zweckentfremdung von Wohnraum vorgehen können. 2017 haben wir die Gesetze verschärft – etwa mit einer Erhöhung des Bußgeldes von 50.000 Euro auf 500.000 Euro.
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