Darum liegen in München immer mehr Baustellen brach

München - Meterhoch steht das grünlich schimmernde Wasser in der Baugrube an der Alramstraße. Manchmal schwimmen hier Enten, manchmal auch ein Gummikrokodil. Rund 130 teure Eigentumswohnungen wollte der Projektentwickler und Bauträger M-Concept hier bauen. Seit 2019 lag die Baugenehmigung vor. Doch seitdem die Grube ausgehoben ist, passiert nichts mehr.
Bauträger hatten es nicht leicht in den vergangenen Jahren. Die goldenen Zeiten, in den so gut wie jede neu gebaute Wohnung schon weit vor der Fertigstellung einen Käufer fand, waren mit der Pandemie vorbei. Es folgen die Zinserhöhung für Kredite, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, ein Anstieg der Baukosten. Für viele potenzielle Käufer von Eigentumswohnungen platzte damit der Traum vom Eigenheim, sie konnten ihn nicht mehr finanzieren. Folge für viele Bauträger: Sie konnten mangels Abschlagszahlungen, die die Käufer jeweils nach Baufortschritt zahlen, nicht mehr bauen wie bisher. In ganz München zeugen Bauruinen und vollgelaufene Baugruben davon.

Auch der Bauträger M-Concept, der außer in Sendling noch weitere Projekte in Planung hatte, ist von der Krise betroffen. Es geht auch um die Projekte in der Alramstraße und "Paseo Carré" in Pasing, wo 200 Wohnungen verkauft wurden, aber seit Monaten nicht weitergebaut wird.
Die AZ hat sich einige weitere Fälle genauer angeschaut.
Ex-Hertie und "Corbinian"
Das Bild, das sich am Hauptbahnhof bietet, ist ein trauriges – und es ist zu befürchten, dass es auf Jahre so bleibt. Hier ist eine von René Benkos Signa-Ruinen. Den alten Karstadt an der Schützenstraße/Stachus wollte er abreißen, den denkmalgeschützten Ex-Hertie sanieren. Stattdessen: Bauruinen, dazwischen eine Baugrube mit eklig grüner Brühe. Wer den Grund und die insolventen Projekte kauft: alles noch offen.

Sternwarte für 60 Plus
Eine Residenz mit Luxus-Eigentumswohnungen für Senioren sollte in Bogenhausen entstehen. Betreiben wollte das Haus das Tertianum, das Rundumservice samt Pflegeangebote für Senioren bietet. Doch seit zwei Jahren ist Baustopp, nur der Rohbau ist fertig. Der Eigentümer zur AZ: "Der Markt hat sich komplett gedreht, leider ungünstig." Viel eigenes Geld habe er in das Bauvorhaben gesteckt. Fast 70 Millionen hatte er einst bezahlt, nun will er es für weniger abstoßen.

Falkenstraße 21
Von der angekündigten "Wohnidylle am Auer Mühlbach" ist hier nichts zu sehen. Seit vor über drei Jahren der Vorgängerbau abgerissen wurde, geht in der Falkenstraße 21 nichts voran, die Baugenehmigung liegt vor (AZ berichtete). Bauherr ist die Holding von Ex-Bayernspieler Christian Lell, der in Straßlach viel gebaut hat. AZ-Recherchen deuten darauf hin, dass er nicht nur mit einer Projektgesellschaft in finanzieller Schieflage ist.

Ex-Karstadt am Nordbad
Seit 2021 wurde das bei den Schwabingern und Maxvorstädtern schwer geliebte Warenhaus angerissen. Monatelang. Im Juli 2023 steht die riesige Baustelle am Nordbad still. Eigentlich sollte dort bis Sommer 2025 ein Markthallen- und Bürokomplex für bis zu 1000 Arbeitsplätze entstehen, samt Kita, Gastro und Orangerie mit Wald auf dem Dach. Zuerst begründete der Projektentwickler den Baustopp damit, dass die Stadt mit Erteilung der Baugenehmigung nicht in die Pötte gekommen sei.

Auch habe es Modifikationen bei der geplanten Anlieferung auf der Gebäuderückseite gegeben. Seit Januar 2024 liegt nun laut Planungsreferat die volle Baugenehmigung vor. Projektentwickler Stefan Pfender sagte zur AZ: "Wir brauchen eine gewisse Vorvermietungsquote, damit die Finanzierung steht. Derzeit führen wir vertiefte Gespräche." Er gibt sich sicher: "Es geht weiter. Im Frühsommer bauen wir mit Vollgas weiter." Ende 2026, so der Plan heute, sei mit der Eröffnung zu rechnen.

Baubrachen in München – die Stadt hat kaum eine Handhabe
Rohbauten, die jahrelang herumstehen, Brachflächen, die keiner bebaut – für viele, Bürger wie Politiker, ist das mindestens ein Ärgernis. Hat die Stadt eine Handhabe gegen solche Bauruinen? Leider kaum. "Eine Baugenehmigung vermittelt das Recht zu bauen, aber keine Verpflichtung", erklärt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung der AZ auf Anfrage. Daher bestehe keine Möglichkeit, die Ausführung einer Baugenehmigung zu erzwingen.
Gewisse Vorgaben gibt aber: Eine Baugenehmigung gilt vier Jahre, dann muss der Baubeginn erfolgt sein. Allerdings, in einer Baugenehmigung kann auch eine andere Frist bestimmt werden und sie kann mehrmals hintereinander um je zwei Jahre verlängert werden. Wird vor Ablauf der Geltungsdauer nicht mit dem Bau begonnen oder eine Verlängerung beantragt, erlischt die Baugenehmigung. Soll später doch noch gebaut werden, muss neu beantragt werden.
Verkauft die Stadt einen Grund an einen Bauträger, können Zusatzvereinbarungen wie Vertragsstrafen oder Rückabwicklungen vereinbart werden, wird nicht in einer bestimmten Frist gebaut. Gilt ein Bebauungsplan nach den Regeln der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon), werden ebenfalls Fristen für die Bebauung vereinbart, erklärt das Referat.