In München ist die ganze Welt zu Hause
Von den 1,4 Millionen Münchnern haben über ein Drittel (37,7 Prozent) ihre Wurzeln in aller Herren Länder – das sind mehr als 530000 Menschen. Davon haben rund 200000 einen deutschen Pass: eingebürgerte Münchner, Spätaussiedler, Kinder von Einwanderern und „Optionskinder“, die noch wählen müssen, ob sie die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder die deutsche wollen. Woher kommen die Migranten?
Die Mehrheit stellen die türkischen Münchner (40500), gefolgt von Kroaten (23700), Griechen (22500), Italienern (21700), Österreichern, Polen, Serben und Bosniern. Seit 2007 sind jährlich bis zu 3000 Menschen aus dem Ausland zugezogen. 2011 haben sich viele Türken, Russen, Bulgaren und Rumänen einbürgern lassen. Zuletzt kamen viele Ingenieure, Ärzte, Pfleger und Erzieherinnen aus Spanien, Griechenland, Osteuropa oder aus Asien nach München. Ein Drittel der Migranten an der Schwanthalerhöhe (viele wohnen an der Theresienhöhe) sind Akademiker.
Das große Plus – und die Kehrseite
Türkische Grillpartys im Ostpark, bunte Afrika-Feste, italienische Eisdielen, turbulente Griechen-Feiern, kubanische Salsa-Nächte. Sprachenlehrer für Serbokroatisch, Arabisch und Kisuaheli. Ein reger Austausch der Kulturen, im Job, in der Schule, in der Nachbarschaft. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Geballte Armut in vielen Migranten-Siedlungen, Menschen ohne Berufsausbildung, Kinder, die chancenlos die Schulbank drücken, weil sie die deutsche Sprache nicht beherrschen.
Wo leben die meisten Migranten?
Ramersdorf-Perlach: Hier leben rund 50500 Menschen, die ihre Wurzeln im Ausland haben – das sind 48,6 Prozent der Bewohner. Allein 6000 Türken, 2200 Italiener, 2000 Kroaten und 1600 Polen gibt es hier und 9000 Menschen von außerhalb Europa.
Milbertshofen-Am Hart: 38000 Menschen haben einen Migrationshintergrund – das sind 55,6 Prozent. Hier dominieren Griechen (2800).
Schwanthalerhöhe: Rund 13000 haben ausländische Wurzeln – knapp die Hälfte.
Ähnlich wie in Feldmoching-Hasenbergl. Bogenhausen fällt nur durch eine Community aus 2000 Österreichern auf. Die wenigsten Migranten sind im Nord-Westen zu finden.
Wie kommt’s zu dieser Ballung? „Das hängt mit der Besiedelung in den 60er Jahren zusammen“, sagt Milbertshofens Bezirksausschuss-Chefin Antonie Thomsen (SPD). „BMW hat damals einige tausend italienische, griechische, türkische und jugoslawische Gastarbeiter hier in den Werks-Wohnheimen untergebracht.“
Ab 1972 baute München viele Sozialwohnungen: in Neuperlach, Am Hart, am Hasenbergl, in Ramersdorf. „Die soziale Not hat viele ausländische Familien gezwungen, in diese Hochhäuser zu ziehen“, erklärt die Münchner Ausländerbeirats-Chefin Nükhet Kivran (48), die als 16-Jährige ihren türkischen Gastarbeiter-Eltern nach München folgte und nun selbst in Perlach wohnt.
„Mit ihren Minilöhnen, ohne Ausbildung, ohne Sprachkenntnisse konnten viele ihren Kindern bei der Bildung nicht helfen.“ Ein paar schafften es, sich hochzuarbeiten.
„Das sieht man nun in Neuperlach“, sagt Kivran: Viele Sozialwohnungen sind heute Eigentumswohnungen, die haben Migranten der zweiten Generation gekauft, die jetzt die Häuser pflegen. Das Niveau ist stark gestiegen.“
Doch eine riesige Masse an Kindern – die dritte Generation – steht heute ähnlich benachteiligt da, wie ihre Eltern es waren. 50, teilweise 80 Prozent Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und deren Eltern zu den Ärmsten gehören, in Grundschulklassen – „um die mache ich mir große Sorgen“, sagt Ludwig Wörner, Bezirksausschuss-Chef auf der Schwanthalerhöhe (SPD). „Die Stadtteil-Einrichtungen leisten viel – aber wir bräuchten für unsere Kinder eine Ganztagsschule.“
Unterm Strich ziehen die BA-Chefs dennoch positiv Bilanz: „Wir leben mit allen Nationalitäten friedlich zusammen, darauf bin ich stolz“, sagt Wörner. „In unserem Haus“, sagt Antonie Thomsen, leben 16Parteien aus sieben Ländern. Wir lernen voneinander, wir sind füreinander da. Das Bunte, das macht unglaublich Spaß.“
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