In München gibt's nicht nur langweilige Wohnarchitektur

Wer genau hinschaut, entdeckt in München nicht nur langweilige, sondern aufregende Wohnarchitektur. Aber warum gibt es nicht mehr davon? Die AZ fragt den Münchner Architekten Rudolf Hierl
von  Interview: Arno Makowsky
Auf dem alten Messeplatz entsteht 2003 dieser markante Wohnturm (Steidle & Partner) auf der Theresienhöhe.
Auf dem alten Messeplatz entsteht 2003 dieser markante Wohnturm (Steidle & Partner) auf der Theresienhöhe. © Petra Schramek

München - AZ: Herr Hierl, Sie haben eines der außergewöhnlichsten Hochhäuser der Stadt gebaut. Es steht in einem ansonsten eher langweiligen Neubaugebiet im Süden der Stadt. Was muss passieren, dass solche Architektur möglich wird?

RUDOLF HIERL: Zunächst einmal brauchen Sie dazu einen Bauherrn, der nicht nur Geld verdienen will, sondern der sich für Architektur interessiert. Das war hier der Fall. Wir haben den Wettbewerb gewonnen mit der Idee, dass ein Hochhaus von weitem wahrgenommen wird und deshalb einen hohen Anspruch an die Form erhebt. Eigentlich haben Hochhäuser ja ein negatives Image – Anonymität, Uniformität, gestapelte Stockwerke. Bei diesem Haus gibt es elf verschiedene Grundrisse, unterschiedliche Raumhöhen und einen abgerundeten Baukörper. Ich kenne keinen Investor in München, der das gewagt hätte. Hier war es ein Bauträger aus Köln.

Warum ist das so ein Wagnis?

Weil es keine Standardarchitektur ist. Es ist unberechenbar, vieles widerspricht der Musterhochhaus-Richtlinie.

Schöner Begriff...

Ja, darin ist alles geregelt, zum Beispiel, dass die Brüstungen genau 1,10 Meter hoch sein müssen, und so weiter. Aber es gibt auch Spielräume. Wenn man uns Architekten lässt, fällt uns schon was ein.

Wie teuer ist so eine ungewöhnliche Architektur?

Es ist teurer als ein konventionelles Haus, klar. Ich würde sagen, die Baukosten sind maximal 20 Prozent höher.

Was den sicher ohnehin schon hohen Kaufpreis nochmal nach oben schraubt...

In diesem Fall war es anders. Die Stadtsparkasse München hat das ganze Haus gekauft und vermietet es zu Preisen, die dem Mietspiegel entsprechen. Generell spüren wir einen großen Unterschied, ob jemand ein Haus selbst behält, oder ob er es nur verkaufen will. Erstere interessieren sich mehr für Qualität. Und in München können Sie jede Putzkammer teuer verkaufen.

Mit enormem Gewinn.

Ja, die Gewinnmargen für manche Investoren sind im Moment bis zu 50 Prozent. In einem Neubaugebiet wurden die Wohnungen zuletzt für 5600 Euro pro Quadratmeter verkauft.

Aber wenn sich alles verkaufen lässt, dann doch auch anspruchsvolle Architektur. Warum wird die Situation nicht in Qualität umgemünzt?

Ja, das ist enttäuschend. Wann, wenn nicht jetzt, könnte man etwas wagen? Aber in München gibt es im Gegensatz zu Berlin eine gut kommunizierende Bauträgerschaft, die die Architekten im Griff hat. Und hier wird nicht so viel experimentiert wie in Berlin, Zürich oder Hamburg. Ich habe schon oft die Kritik gehört, dass sich die Architekten bei Wettbewerben in Berlin mehr anstrengen.

Müsste die Stadt nicht mehr tun, um interessante Architektur zu ermöglichen?

Die tut schon viel, aber ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Es gibt immer schöne Wettbewerbe, aber letztlich können die Bauherren bauen, mit wem sie wollen.

Liegt es auch an den Münchnern selbst? Ist die Stadt zu bräsig?

Hier gibt es nun einmal diesen konservativen Grundtouch, das wissen wir seit Feuchtwanger. Die Münchner mögen aufregende Architektur nicht, aber gleichzeitig granteln sie über langweilige Schuhschachteln. Oft natürlich zurecht, wenn man sich manche der Neubaugebiete anschaut.

Welche großartigen Wohnungs-Neubauten fallen Ihnen denn ein?

(denkt lange nach) Die Theresienhöhe ist in ihrer Mischung ein guter Beitrag zum urbanen Wohnen. In Riem und in der Parkstadt Schwabing gibt es einige gute Einzelarchitekturen.

Das ist nicht viel.

Nein.

Interview: Arno Makowsky

 

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