In München fehlen Pfleger: Stadt schlägt Alarm

Wie viele Mitarbeiter nach einer neuen Prognose bald in den Altenheimen fehlen - und, was Rathaus-Politik und Praktiker jetzt für notwendig halten.
von  Christina Hertel
Eine Altenpflegerin bei der Arbeit mit einem Bewohner.
Eine Altenpflegerin bei der Arbeit mit einem Bewohner. © imago/Jochen Tack

München - In den vergangenen Monaten hätten ihn mehrmals verzweifelte Angehörige angerufen, die einen Demenzkranken pflegten, die alleine nicht mehr zurechtkamen, aber in München keinen Platz in einem Altenheim fanden, so erzählt es Sigi Benker, der Chef des Münchenstifts, der AZ. Und so schildert es auch SPD-Stadträtin Anne Hübner, die als Fachreferentin für Seniorenpflege arbeitet.

Heimplatz-Prognose sieht nicht gut aus

Gerade, sagen beide, sei es vor allem schwer, für Senioren einen Heimplatz zu finden, die besonders viel Pflege brauchen - etwa, weil sie dement sind. In Zukunft aber droht in München ein Engpass: Bis 2030 fehlen 1.000 Plätze in Pflegeheimen. So geht es aus einer Prognose hervor, die das Sozialreferat am Donnerstag im Rathaus vorstellt.

Corona verschärft die Situation in den Heimen auf vielen Ebenen

Demnach steigt die Zahl der Pflegebedürftigen in München den nächsten Jahren enorm: Bis 2030 werden 37.800 Menschen in München pflegebedürftig sein.

Für sie bräuchte es dem Bericht zufolge eigentlich 9.400 vollstationäre Pflegeplätze. Doch so viele stehen - Stand heute - lange nicht zur Verfügung. Zwar sind unter anderem in Allach, Freiham, im Prinz-Eugen-Park und der Bayernkaserne neue Pflegeeinrichtungen mit insgesamt zirka 600 Plätzen geplant. Allerdings reichen die nicht aus - so dass am Ende trotzdem 1.000 vollstationäre Pflegeplätze fehlen.

Das Problem liegt bei der Suche nach Pflegern

Das Sozialreferat empfiehlt daher, städtische Flächen für Pflegeeinrichtungen zu reservieren. Dringend nötig wären neue Pflegeheime zum Beispiel im Stadtteil Milbertshofen. Dort gibt es laut Sozialreferat 400 Plätze zu wenig. Drei Einrichtungen müssten gebaut werden.

Diese Aufgabe übernimmt aber nicht die Stadt, sondern Unternehmen oder soziale Träger. Die Stadt kann lediglich Flächen bereitstellen. Doch neue Heime zu bauen, sei ohnehin nicht das größte Problem, sagt Münchenstift-Chef Sigi Benker. Viel schwerer sei es, Personal zu finden. "Der Markt ist völlig leer gefegt." Corona mache diese Situation nicht besser.

Sigfried Benker ist Geschäftsführer des Münchenstift.
Sigfried Benker ist Geschäftsführer des Münchenstift. © jot

Mitarbeiter aus dem Ausland fallen Corona-bedingt weg

Denn gerade könne er kaum Mitarbeiter aus dem Ausland anwerben. Wegen Corona würden Deutschkurse ausfallen und Botschaften würden keine Termine vergeben, sagt er. Dabei ist Benker so wie die anderen Pflegeeinrichtungen in München auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen: Rund 70 Prozent des Pflegepersonals in München hat einen Migrationshintergrund.

Außerdem sei die zweite Welle inzwischen auch in seinen Einrichtungen angekommen, sagt Benker. Etwa 70 von seinen 1.300 Fachkräften befinden sich derzeit in Quarantäne - zum Teil mit ernsten Symptomen. Wie viele Bewohner an oder mit Corona erkrankt oder verstorben seien, zähle er schon gar nicht mehr. Viel wichtiger sei ohnehin, dass das Personal sich gut um die Pflegebedürftigen kümmern könne.

So hoch war die Auslastung noch nie

Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, müssen seine Mitarbeiter, so Benker, gerade häufig Überstunden machen oder auf Urlaub verzichten. So angespannt ist die Lage gerade momentan auch deshalb, weil die Einrichtungen praktisch voll sind. Die Auslastung liegt laut Sozialreferat bei 97 Prozent. "So hoch war sie noch nie", sagt die Pflege-Expertin der Stadtrats-SPD Anne Hübner.

Doch um Personal anzuwerben, das all diese Menschen pflegt, reicht Geld allein nicht - da sind sich die Politikerin und der Münchenstift-Chef einig. Denn zumindest in seinen Einrichtungen liege das Einstiegsgehalt bei 3.500 Euro brutto. "Das ist bundesweit einmalig", sagt Benker.

Für eine Besserung braucht es günstigen Wohnraum

Damit Fachkräfte nach München kommen, sei jedoch vor allem günstiger Wohnraum nötig. Münchenstift bietet 400 "Wohnmöglichkeiten" an. Benker wählt diese Bezeichnung deshalb, weil die Mitarbeiter dort nicht länger als drei Jahre bleiben sollen. Außerdem sei der Standard gering: In manchen Gebäuden liegen Dusche und Küche auf dem Gang. In den nächsten Jahren wolle die Münchenstift diese aber erneuern.

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