In dieses Haus zieht der Westparkmörder

"Oh Gott, ich wohne ganz in der Nähe!" Der 36-jährige Gorazd B. wird am Mittwoch aus der Haft entlassen
MÜNCHEN - Am kommenden Montag um 00.01 Uhr ist Gorazd B. ein freier Mann – im Gefängnis bleibt er trotzdem noch ein bisschen. Der „Westparkmörder“, der 1993 den Architekten Konrad H. aus purer Mordlust mit zwölf Messerstichen abschlachtete, hat zwar seine Haftstrafe verbüßt. Er wird aber erst am nächsten Mittwoch in seine Heimat Slowenien abgeschoben. Die AZ sagt, wo er hinzieht, welches Leben ihn dort erwartet – und was seine neuen Nachbarn sagen.
Vor der Abschiebung: Die Haftstrafe von Gorazd B. endet am 15. Januar um 24 Uhr. Elf Jahre und neun Monate war er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim inhaftiert. Auf freien Fuß kommt er aber nicht gleich. Da der 36-Jährige von den deutschen Behörden nach Slowenien zurückgeschickt wird, landet er automatisch in Abschiebehaft. Die dauert maximal vier Wochen, sagt der Leiter der JVA, Michael Stumpf.
Bis dahin entscheidet die Ausländerbehörde im Kreisverwaltungsreferat (KVR), wann Gorazd B. nach Slowenien ausgeflogen wird. Laut KVR-Sprecherin Daniela Schlegel am Mittwoch, den 18. Januar. Die ersten Schritte in Slowenien: Nach der Landung auf dem Flughafen der Hauptstadt Ljubljana muss sich Gorazd B. erstmal Ausweispapiere besorgen, sagt Sloweniens Generalkonsul in München, Marko Vrevc: „Er hat ja keine gültigen mehr.“ Gorazd B. ist slowenischer Staatsbürger. Mit vier Jahren zog er als Gorazd Berg mit seiner Mutter Olga nach Deutschland. Als sie heiratete, nahm er den Namen seines Stiefvaters an.
Nach München darf Gorazd B. übrigens nie wieder zurück. Als Slowene ist er zwar EU-Bürger, hat sein Freizügigkeitsrecht aber verwirkt. In Deutschland und Österreich hat er ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Sollte er trotzdem einreisen und geschnappt werden, droht ihm wieder der Knast. Hat er seine Ausweispapiere beantragt, kommt der Westparkmörder in die Obhut des Staates.
Generalkonsul Vrevc: „Wie alle entlassenen Häftlinge hat Herr B. Anspruch auf Unterstützung und Förderprogramme.“ Seit Monaten organisieren insgesamt sieben Behörden seine Rückkehr, sagt Polizeisprecher Drago Menegalija. Es sind: Das Justizministerium, die Staatsanwaltschaft in Maribor, das Ministerium für Arbeit, Familie und Soziales, das Außenministerium – und ein Sozialzentrum, das ihm ein Resozialisierungsprogramm auf den Leib geschneidert hat.
Seine Finanzen: In der ersten Zeit braucht Gorazd B. keine Arbeit – er hat schließlich 12000 Euro in der Tasche. Es ist eine Entschädigung des deutschen Staats für anderthalb Jahre Extra-Gefängnis. Die Behörden wollten Gorazd B. nach Verbüßung seiner zehnjährigen Haftstrafe nachträglich in Sicherheitsverwahrung stecken. Doch die wurde gekippt (siehe Kasten). Also kam der Killer in „vorläufige Unterbringung“ – die das Münchner Landgericht letztendlich auch wieder verbot.
Seine neue Heimat ist gleichzeitig sein Geburtsort: Zgornje Gradišce hat rund 140 Einwohner und liegt im Nordosten Sloweniens südlich der Grenze zu Österreich, 490 Kilometer von München entfernt. Es gehört zur Gemeinde Šentilj (etwa 8000 Einwohner), einem Grenzübergang zwischen Graz und Maribor. Gorazd B. bezieht hier den ehemaligen Bauernhof seiner Großmutter zwischen karg besiedelten, bewaldeten Hügeln. Dort will er alleine wohnen.
Laut Gemeinde hat das Dorf erst im November von der Rückkehr seines kriminellen Sohnes erfahren. Das sagen seine Nachbarn: Ganz in der Nähe von Zgornje Gradišce wohnt Gorazd B.s Tante Ana – sie gehört wohl zu den wenigen, die sich auf seine Rückkehr freuen. Sein Ruf als „tickende Zeitbombe“ (Ex-Kripo-Chef Josef Wilfling) eilt ihm voraus. Šentiljs Bürgermeister Edward Cagran zur AZ: „Die Einwohner der Gemeinde sind besorgt – besonders die aus der Umgebung, wo B. wohnen soll.“ Eine Mitarbeiterin der Gemeinde drückt es etwas drastischer aus: „Er kommt nach Zgornje? Oh Gott, ich wohne ganz in der Nähe.“