In der Krise boomt das Mobbing

MÜNCHEN - Im Abschwung kommt die Angst um die Arbeitsplätze zurück Welche Gefahren drohen und wie man sich wehren kann Die fiesesten Tricks, wie man unliebsame Mitarbeiter billig los wird...
Die Krise ist überall, die Angst geht um. Ist mein Job noch sicher, fragen sich nicht nur Beschäftigte in der Bank- oder Autobranche. Doch nicht überall sind die Auftragsbücher leer: „Ich kann mich nicht über Arbeit beklagen“, sagt Frank Sievert. Er ist Rechtsanwalt und auf Fälle von Mobbing spezialisiert. Fiese Methoden, Leute loszuwerden, erleben in der Krise einen Boom.
Mobbing habe in den letzten Jahren „extrem zugenommen“, so Auhuber. Oft würden Chefs Mitarbeiter, die sie für zu teuer halten, systematisch rausekeln.
Lohnstopp
„Der Betrieb braucht nur die Lohnzahlungen einzustellen“, berichtet der Münchner Verdi-Gewerkschafter Klaus Auhuber aus seiner Praxis. Bis sich der Mitarbeiter den Lohn per Gerichtsvollzieher geholt habe, vergingen im schlimmsten Fall eineinhalb Jahre – viel zu lange für Menschen, die keine finanziellen Rücklagen haben. Aufwiegelung. Der Vorgesetzte hetzt das Team gegen einen Einzelnen auf, den er für leistungsschwach erklärt. Seht her, wie viele Fehler der Kollege macht, wie langsam er arbeitet, wie oft er fehlt – und ihr müsst das alles ausbügeln! Oft fallen die Angesprochenen auf den Trick herein, sagt Auhuber. Dem zunehmend feindlichen Umfeld könne sich das Opfer am Ende nur durch Kündigung entziehen.
Terror per Abmahnung
Unrühmliche Meister des Mobbings seien die Discounter, so Verdi. Die Drogeriekette Schlecker terrorisiere Mitarbeiter mit wiederholten Abmahnungen. Eine Beschäftigte in München habe innerhalb eines Jahres zwölf Abmahnungen erhalten. Das Unternehmen weist die Vorwürfe von sich: Auch wenn sie immer wieder „in pauschaler Weise erhoben“ würden, blieben sie „haltlos“, so Schlecker-Sprecher Florian Baum.
Kündigung per Dienstplan
Auch beliebt bei den Discountern. Mancher Betrieb stellt nur Mütter auf Teilzeitbasis ein. Der Grund: Besteht eine Mitarbeiterin allzu hartnäckig auf die tarifliche Arbeitszeit, wird die Frau immer am Nachmittag und frühen Abend eingesetzt, wenn die Kinder von der Schule versorgt werden müssen.
Krieg gegen Ältere
Über 50-Jährige reguläre Beschäftigte würden oft gezielt zur Kündigung gedrängt, heißt es bei Verdi. „Da wird ein jugendlicher Testkäufer mit Bier an die Kasse geschickt“, sagt Auhuber. Wenn sich die Kassiererin nicht sofort den Ausweis zeigen lasse, liefere sie den Vorwand für Repressalien. Der Grund für den Krieg gegen die älteren Beschäftigten: Sie verdienen nach langer Betriebszugehörigkeit per Tarifvertrag ein paar Hundert Euro mehr pro Monat als ihre jungen Kolleginnen. „Wer eine 50-Jährige gegen eine 20-Jährige austauschen kann, hat 2000 bis 3000 Euro im Jahr gespart“, berichtet Auhuber.
Wir ziehen weg
Eleganter versucht sich die Telekom eines großen Teils ihrer Mitarbeiter zu entledigen. Die meisten der 430 Beschäftigten im Münchner Telekom-Call-Center haben wohl demnächst die Wahl, ob sie nach Kempten, Augsburg oder Traunstein pendeln. Das Münchner Call Center soll geschlossen werden. Telekom bietet Ersatzarbeitsplätze an – mit bis zu fünfeinhalb Stunden Fahrtzeit am Tag.
Kein Platz da
Bei Nokia Siemens Networks (NSN) seien 470 Münchner Arbeitsplätze an den Standort Ulm verlagert worden, berichtet die IG Metall. „In Wahrheit hofft NSN doch, dass ein großer Teil der Beschäftigten gar nicht nach Ulm geht“, argwöhnt Michael Leppek von der IG Metall. Für Münchner Neuzugänge gebe es gar keinen Platz.
Mobbing-Anwalt Sievert nennt noch andere beliebte Methoden:
Unterforderung
„Da werden den Kollegen Aufgaben entzogen, der Betreffende bekommt ein eues Büro, aber ohne funktionierenden PC oder Telefon. Zu Meetings wird er nicht mehr eingeladen. „Kündigung auf japanisch“ nennt man das in Fachkreisen. „Das hält auf Dauer keiner aus“, sagt Sievert, der in Hamburg Lehrbeauftragter an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist.
Überforderung
„Da wird eine 20-Jährige losgeschickt. Heute Dubai, morgen Los Angeles, übermorgen Hamburg“, sagt Sievert. Einen Riesenauftrag soll sie unter Dach und Fach bringen: „Daran muss sie scheitern.“
Fachfrau als Putzfrau
Auch Sieverts Münchner Kollegin Nicola Fleischmann kennt Fälle von „Mobbing vom Chef. „Das kann einen in den Wahnsinn treiben“, sagt die Rechtsanwältin: „Vor allem bei kleineren Betrieben kommt das vor. Wenn ich dort Probleme mit dem Chef bekomme, dann kann ich sicher sein, dass er mich loswerden will.“ Da werden Fachkräfte als Putzfrau eingesetzt, zum Beispiel. Und das schlimmste ist, „Sie können klagen, oder versuchen, eine Abfindung zu erreichen. Aber wenn der Chef sie nicht will, dann haben Sie keine Chance.“ Für die Jüngeren, so Fleischmann, gebe es immer eine zweite Chance. Aber für die Älteren steigt der Leidensdruck. „Wer wenig Chancen hat am Arbeitsmarkt, der traut sich nicht zu kündigen.“
Matthias Maus, Susanne Stephan