In Bergwerk-Ausstellung geschmuggelt: Bierfass bleibt jahrelang unbemerkt

Ein Scherzbold hat ein Holzfass ins Deutsche Museum geschmuggelt. Zweieinhalb Jahre stand es wohl unbemerkt dort: als Exponat. Im Museum reagieren sie mit Humor – und mit Abtransport.
von  Nina Job
Was bist du? Ein Pulverfass? Ein Bierfass? Die Museumsangestellten Karl Ravens und Gerd Kostendt inspizieren das falsche Exponat eingehend.
Was bist du? Ein Pulverfass? Ein Bierfass? Die Museumsangestellten Karl Ravens und Gerd Kostendt inspizieren das falsche Exponat eingehend. © Foto: Nina Job

München - Verdient hätten sie es ja, die Bergleute: ein paar ordentliche Schlucke Fassbier nach der Knochenarbeit. Ein Feierabendbier, wenn sie nach fast zwölf Stunden unter Tage endlich wieder die Erdoberfläche erreichten. Oder vielleicht auch in einer Verschnaufpause, verschwitzt im engen Stollen, zur Stärkung.

Niemand würde es den Bergarbeitern verdenken, denkt man sich als Laie. Früher wurde ja auch auf Polizeirevieren oder in Redaktionen Bier getrunken. Nicht nur nach Feierabend. Und die Mönche ... ernährten sich ja sogar zeitweise davon.

Zehntausende Besucher haben nichts gemerkt 

Fakt ist: Niemandem ist aufgefallen, dass sich in die beliebteste Ausstellung im Deutschen Museum, ins Bergwerk, ein gar nicht so kleines Objekt eingeschlichen hatte, das dort überhaupt nicht hingehört. Mehr als zwei Jahre soll dort neben Förderwagen und Modellen von Grubenlokomotiven ein Bierfass gestanden haben.

Zehntausende Besucher sind daran vorbeiflaniert und weder Karl Ravens, der mit viel Leidenschaft und Sachverstand durch die Ausstellung führt, noch Kurator Andreas Gundelwein ist etwas aufgefallen.

Wie kommt denn dieses Fass ins Bergwerk? Auf einer Online-Plattform offenbart ein Mann, dass er es aus Jux dort abgestellt habe. Karl Ravens (mit Bart) und Gerd Kostendt holen es wieder raus.
Wie kommt denn dieses Fass ins Bergwerk? Auf einer Online-Plattform offenbart ein Mann, dass er es aus Jux dort abgestellt habe. Karl Ravens (mit Bart) und Gerd Kostendt holen es wieder raus. © Foto: Nina Job

Nun, eine Woche bevor die Bergwerkausstellung für mindestens zehn Jahre wegen der Sanierung des zweiten Gebäudeabschnitts schließt – und eine Neuauflage mangels Finanzierung noch nicht gesichert ist – hat sich der Mensch, der das Bierfass eingeschmuggelt hat, öffentlich geoutet. Und damit das Kuckucksei im Museum enttarnt.

"Jodel"-Nutzer postet ein Bild im Internet

Und das kam so: Vor wenigen Tagen postet ein Nutzer auf der jungen Online-Plattform "Jodel" ein Foto aus dem Museum mit dem Text: "Dieses Fass gehört nicht ins Deutsche Museum." Der Verfasser berichtet: "Vor einiger Zeit hab ich dieses Fass im Suff ins Deutsche Museum (Bergwerk) gebracht – mittlerweile sind wir in Woche 128. Es steht immer noch hier".

Er nimmt damit in Kauf, dass nun alles auffliegt. Ihn beschäftigt offenbar, ob das Fass andernfalls von den Museumsleuten in eine Kiste gepackt werden wird, wenn das Bergwerk am 29. Juni schließt – und mit den anderen Exponaten erstmal auf unbestimmte Zeit in einem Depot landet. Und ob das Fass vielleicht sogar, wenn das Bergwerk irgendwann hoffentlich wieder aufgebaut wird, erneut ausgestellt wird.

Karl Ravens und Gerd Kostend mit dem falschen Exponat.
Karl Ravens und Gerd Kostend mit dem falschen Exponat.

Das Fassl fährt in einem Einkaufswagen vom Supermarkt ins Museum

Zwischen den Zeilen liest sich das Geständnis, als ob den Verfasser vielleicht auch der Hauch eines schlechten Gewissen anweht. Er fragt sich zudem, ob er sich strafbar gemacht haben könnte mit seiner Unsinns-Aktion.

Auf der Online-Plattform katapultiert sich seine Geschichte innerhalb kurzer Zeit an die Spitze der meistgelesenen Unterhaltungen dort. Die meisten Leser feiern ihn.

Hier outet sich der Bierfass-Schmuggler auf Jodel.
Hier outet sich der Bierfass-Schmuggler auf Jodel. © Screenshot: Jodel

Er postet ein Foto von dem Fass in einem Einkaufswagen: So habe er es ins Museum transportiert. Und er gibt immer mehr Details bekannt: Dass das Tönnchen (23,5 Liter) eigentlich Anschauungsobjekt und später ein Wichtelgeschenk und über Ebay erstanden wurde. Und wie er es ins Museum geschmuggelt habe.

Falsches Exponat fällt kaum auf

Demnach hätten ihm Security-Leute gesagt, dass er das Fass an der Garderobe abgeben müsse. Was er auch getan habe. Aber als dort Schichtwechsel gewesen sei, habe er es zusammen mit einem Helfer heimlich wieder geholt und in die Ausstellung getragen. Wer es noch sehen wolle, bis es verschwindet, müsse es selber suchen.

Die AZ hat sich auf die Suche gemacht – und ist tatsächlich fündig geworden: Völlig unauffällig fügt es sich in seine Umgebung, steht in einem der letzten Räume der Ausstellung. Das Holz ist genauso morsch und verwittert wie das der danebenstehenden Grubenwagen. Ein Indiz, das es nicht hierhergehören könnte, gibt es bei genauerem Hinschauen allerdings schon: ein erklärendes Schildchen fehlt.

Könnte es nicht auch ein Pulverfass sein?

Als die AZ am Dienstag nachfragt, ob ein Bierfass in die Ausstellung gehört, schießt es aus Kurator Andreas Gundelwein heraus: "Sicher nicht", sagt er. Danach bleibt er stumm. Auf Nachfrage bestätigt er: "Alkohol ist im Bergbau verboten." Unmittelbar danach ordnet er an: Das falsche Exponat ist zu entfernen. Sofort.

Karl Ravens, der seit sechs Jahren Besucher durchs Bergwerk führt, macht sich mit seinem Kollegen Gerd Kostendt sofort auf die Suche. Als sie das Fass entdeckt haben und inspizieren, meint Ravens, es könnte auch ein Pulverfass sein. Im Bergbau werde schließlich auch gesprengt.

Museumssprecher reagiert humorvoll auf anonyme E-Mail

Laut Stempel "G. Stahn" stammt es aber von einer Brauerei in Meschenbach (Oberfranken), die 1775 gegründet wurde. Ab 1935 hieß sie Dampfbrauerei Gottlieb Stahn. Das Fassl ist also immerhin schon sehr alt. Wenn auch nicht 100 Jahre wie die Bergwerksausstellung (Eröffnung: 1925). Auf jeden Fall ist es leer am Fundtag. Die Männer tragen es erstmal in Ravens' Büro.

Weg damit: Die Männer tragen das Fundstück in Ravens' Büro. Auch wenn's nicht in die Ausstellung gehört: Er will es "inventarisieren".
Weg damit: Die Männer tragen das Fundstück in Ravens' Büro. Auch wenn's nicht in die Ausstellung gehört: Er will es "inventarisieren". © Foto: Nina Job

Nur wenige Stunden später geht im Museum eine anonyme E-Mail ein mit einem Hinweis auf das Fass. Museumssprecher Gerrit Faust reagiert humorvoll. Er schreibt dem Absender zurück, er solle "dem Urheber des Ulks" ausrichten, er bevorzuge ein gefülltes Bierfass.

Der Fass-Schmuggler reagiert prompt: Auf Jodel verspricht er, an einem der nächsten Tage vorbeizukommen – und vor dem Museum ein Fass aufzumachen. Diesmal eins mit frischem Bier.

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