"In Bayern herrscht Anarchie"
In rund 1500 Raucherclubs in Bayern wird wieder gequalmt was das Zeug hält. Und der Verein der Raucher ist mit seinen 64801 Mitgliedern nach dem FC Bayern und dem ADAC mittlerweile der drittgrößte Verein im Freistaat: Und eilt mit seinen Protestaktionen und Klagen von Erfolg zu Erfolg.
Von Daniel Aschoff
Die CSU hatte mal einen Traum: Von Gaststätten, die ohne einen einzigen Aschenbecher auskommen. Von Volksfesten, die komplett qualmfrei bleiben. Kurzum: Vom härtesten und strengsten Rauchverbot, das Deutschland zu bieten hat.
Knapp 100 Tage später sieht die Realität so aus: Das Rauchverbot auf der Wiesn wurde gekippt. In rund 1500 Raucherclubs in Bayern wird wieder gequalmt, was das Zeug hält. Und der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur (VEBWK) – die Speerspitze des Protests – ist mit seinen 64801 Mitgliedern nach dem FC Bayern und dem ADAC mittlerweile der drittgrößte Verein im Freistaat: Und er eilt mit seinen Protestaktionen und Klagen von Erfolg zu Erfolg.
Aktuelles Beispiel: Der Eilantrag, mit dem das Bayerische Verwaltungsgericht am Mittwoch das Landratsamt Freising in die Schranken wies (AZ berichtete). Ende Februar hatte die Behörde dem Wirt einer Sportsbar den Betrieb eines Raucherclubs untersagt. Der Gastronom klagte und errang einen Teilerfolg: „Damit hat er Geschichte geschrieben“, gab sich der Rechtsanwalt des VEBWK, Michael Scheele, pathetisch.
Gestern holte der Verein zum nächsten Schlag aus. In der Schrannenhalle präsentierte der Vorsitzende Franz Bergmüller ein Dossier, dass die Gesundheitsgefährdung von Passivrauchen in Frage stellen soll. Auf 23 Seiten wird aus Fachzeitschriften, Studien und allerlei Veröffentlichungen zitiert. Tenor der Lektüre, die auch dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorliegt: Es gibt keinerlei Nachweis dafür, dass einfaches Passivrauchen irgend eine bedeutsame Auswirkung hat.
Deshalb rüsten sich die Gastronomen schon zum nächsten Gefecht. Mit einer Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof soll das Gesetz nun endgültig gekippt werden. „Unser Ziel ist es, dass jeder Wirt in Zukunft wieder selbst entscheiden kann, ob in seinem Lokal geraucht wird oder nicht“, sagt Bergmüller, „wir haben die Bevormundung endgültig satt!“
Beim Gesundheitsministerium kann man bei solchen Äußerungen nur noch mit dem Kopf schütteln. Jahrelang habe man gemeinsam mit dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband versucht, eine freiwillige Nichtraucherregelung in Bayern durchzusetzen: „Das Ergebnis war, dass zwei von 100 Kneipen mitgemacht haben“, sagt Pressesprecher Roland Eichhorn. Ohnehin will das Ministerium vom Scheitern des Gesetzes nichts wissen: „Wir haben eine Viertel Million Gebäude rauchfrei gemacht“, freut sich Gesundheitsminister Otmar Bernhard (CSU). Außerdem wird in rund 40000 Lokalen in Bayern seit Jahresanfang nicht mehr geraucht: „Das ist doch ein schöner Erfolg.“
Trotzdem bleibt für die Politiker die Frage, ob und wie der Streit ums Rauchen in Wirtshäusern auch die Landtagswahlen im September beeinflussen wird. Der VEBWK hat jedenfalls schon Vorsorge getroffen. Ihr Schatzmeister Jürgen Koch ist bereits von der Landes-FDP nominiert worden und wird im September für den Landtag kandidieren: „In Bayern herrscht derzeit Anarchie“, stellte der Herausforderer am Donnerstag empört fest: „Keiner hört mehr zu, stattdessen regiert die CSU mit einer Arroganz, für die sie ihre Quittung bekommen wird.“
Auch deshalb hofft der Verein, dass der Bayerischen Verfassungsgerichtshof, bei dem mittlerweile fast ein halbes Dutzend Popularklagen gegen das seit Januar geltende Gesetz und seine Ausnahmen eingegangen sind, noch vor den Landtagswahlen über die Regelung entscheidet. „Danach haben wir wenigstens Klarheit“, sagt Scheele, der für angeblich vier Millionen Raucher in Bayern spricht.