Immer weniger Bäume in München: Sogar die FDP macht sich Sorgen

München - Wenn sich schon die Stadtratsfraktion der FDP/Bayernpartei um den Zustand der Münchner Bäume sorgt und nicht wie sonst die Grünen oder die ÖDP, liegt vielleicht wirklich etwas im Argen. Mit einer Anfrage an den Oberbürgermeister will diese jetzt jedenfalls genauere Informationen zum Münchner Baumbestand haben. Vor allem dazu, wie viele Bäume jedes Jahr ersatzlos gefällt werden.
Bereits im April alarmierte der BUND (AZ berichtete), dass im Münchner Stadtgebiet jedes Jahr rund 20.000 Bäume mehr gefällt als nachgepflanzt werden. Die Stadtratsfraktion FDP/Bayernpartei möchte nun wissen, ob diese Zahl stimmt (sie stimmt, das hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung gegenüber der AZ bestätigt) und bis wann die Stadt eine "positive Bilanz" anstrebt. Die Anfragesteller wollen außerdem wissen, bis wann das Referat für Stadtplanung und Bauordnung und die Untere Naturschutzbehörde einen Bericht dazu vorlegen, wie viele Bäume gefällt und nachgepflanzt werden.
Münchner Bäume: Was wir wissen
Die konkretesten Informationen zum Baumschutz in München sind in einem Bericht vom 28. Juli 2021 vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung an den Stadtrat zu finden. Dort ist unter anderem zu lesen, dass die Stadt seit 2018 kontrolliert, ob die Ersatzpflanzungen für gefällte Bäume auch gemacht werden (das ist die Grundregel: pro gefälltem Baum muss ein neuer gepflanzt werden). Allerdings beziehen sich diese Kontrollen auf das Jahr 2013. Und waren lediglich Stichproben. Die würden laut dem Bericht nicht ausreichen, "um einer kontinuierlichen Bestandsminderung entgegen zu wirken". Die Pflanzmoral der Münchner sei zwar "durchaus bemerkenswert". Ohne Kontrollen würden aber ein Drittel aller notwendigen Ersatzpflanzungen jedes Jahr "verloren gehen".
Fehlendes Personal, fehlende Umsetzung
Die genaueren Kontrollen dieser Ersatzpflanzungen der Jahre 2014/2015 dauern länger: Laut dem Bericht war dafür eine 3/4-Stelle vorgesehen, die aber seit September 2020 nicht besetzt war. Auch im Mai 2022 war die Stelle noch offen, allerdings laufe das Verfahren, um diese wieder zu besetzen.
Und: Bereits im Mai 2018 wollte die Stadt damit anfangen, einen sogenannten "Ersatzpflanzungskataster" zu programmieren, also ein genaues Verzeichnis aller Baum-Ersatzpflanzungen. Laut oben genanntem Bericht vom Juli '21 sollte damit noch 2021 angefangen werden. Eine erneute Anfrage im Mai 2022 hat ergeben, dass die Programmierung "noch aussteht".
Ersatzpflanzungen: Kein Platz mehr
Ebenfalls bemerkenswert: Das einfache System, dass pro gefälltem Baum einer nachgepflanzt werden muss, funktioniert in München ganz grundsätzlich nicht. Gibt es nämlich Gründe dafür, dass ein gefällter Baum nicht direkt mit einem neuen ersetzt wird – weil zum Beispiel kein Platz mehr da ist – muss man zahlen: 750 Euro sind das in der Regel pro Baum. Dieses Geld muss zweckgebunden für die Neupflanzung oder für "Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen" verwendet werden. Im Bericht schreibt das Referat für Stadtplanung aber: "die Möglichkeiten für sinnvolle Ersatzpflanzungen im öffentlichen Raum" seien "seit geraumer Zeit ausgeschöpft".
Die Folge: Seit 2013 wurde, mit einer (!) Ausnahme im Jahr 2015, mit dem Ersatzgeld kein einziger Baum gepflanzt, sondern die bestehenden Bäume gepflegt und erhalten. Kein Wunder, dass der Baumbestand in München sinkt.