Immer mehr Münchner wollen zum Wohnen in den Keller

Immer mehr Mieter zieht es in Abteile oder Hobbyräume – verbotenerweise. Viele verzichten dafür auf Bad, Heizung - oder gleich auf Tageslicht.
München - Beate B. stellt ihre Anzeige um 12 Uhr ins Internet. Drei Stunden später hat sie 25 Anfragen. Alle wollen ihren Hobbykeller. Aber nicht zum Basteln. Laut ihrer Anzeige auf der Webseite Immobilienscout24 ist der Raum in Solln nutzen könnte“, sagt B.
Dabei habe er nicht mal Bad oder Toilette – und mit einem Fenster nur wenig Tageslicht. Manche fragten deshalb auch, „wo das nächste Lokal mit sanitären Einrichtungen liegt“. Da drin wohnen? Für Beate B. undenkbar: „Es ist wirklich erschreckend.“
München aber nach ein paar Tagen wieder von der Seite.
„Es hat zwar einen TV-Anschluss, aber kein Tageslicht, kein Klo und keine Dusche“, sagt die Dame am Telefon. Wohnen sei hier nicht möglich – vor allem, weil der Keller im zweiten Untergeschoss liege und nicht mal Tageslicht habe. „Trotzdem haben sich schon über zehn Leute gemeldet, die unbedingt da einziehen wollten. Das ist Wahnsinn!“
Keine Heizung? Kein Wasser? Ist vielen mittlerweile egal in der Wohnwahnsinnsstadt München. Das hat auch die Baywobau-Maklerin Stephanie Müller schnell gemerkt. Sie bietet einen Hobbykeller in der Cimbernstraße in Sendling-Westpark.
„NICHT ZUM WOHNEN GEEIGNET“ hat sie in Großbuchstaben darüber geschrieben – aus gutem Grund: „Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen da einziehen wollen“, sagt sie der AZ. Vorher habe es ein Münchner als Büro genutzt. „Jetzt wollen 90 Prozent der Interessenten darin wohnen – aber es geht einfach nicht: Es gibt keine Heizung und keinen Wasseranschluss.“ Für die Maklerin ist klar: „Das ist eine Preissache“. Dafür verzichten manche offenbar auf jeglichen Komfort – und auf grundlegende Dinge.
Anruf in der Maxvorstadt: 150 Euro für enge 8,5 Quadratmeter. Wohnanfragen bekommt sie massenhaft. „Richtig konkret fragt keiner, weil sie dann wissen, dass man Nein sagt – sie fragen eher, ob der Keller Strom hat, einen Wasseranschluss oder man ihn blickdicht verschließen kann.“
Die Maxvorstädterin kennt sogar jemanden, der in einem Keller gewohnt hat. Nach der Trennung von seiner Freundin habe ein Bekannter einfach keine bezahlbare Bleibe gefunden. Also sei er für einen Monat in einen Keller ohne Bad und Klo gezogen. „Zum Duschen ist er ins Nordbad.“
Beate B. hat nicht das Gefühl, dass nur bitterarme Menschen in den Keller ziehen. „Einer sagte, er käme aus Italien und brauche das Zimmer nur hin- und wieder, wenn er in München ist.“ Oft frage sie sich auch: „Brauchen sie das alles wirklich für sich? Oder vielleicht für Arbeiter, die hier günstig schlafen müssen?“
Unterkünfte unter Tage – „wir erfahren immer wieder von solchen Fällen“, sagt er Leiter der Lokalbaukommission (LBK), Franz Mager. Man schreite aber nur in „gravierenden“ Fällen ein, etwa, wenn Räume völlig überbelegt seien oder Brandschutz- und Belichtungsregelungen nicht eingehalten würden. In einem kahlen Kellerabteil zu wohnen, gehe aber „gar nicht“, so Mager.
Es wäre aber ein gutes Geschäft, sagt ein Münchner Makler, der nicht genannt werden will. „Viele sind bereit, sich auf engstem Raum zusammenzufinden“, sagt der Mann der AZ. „Zum Beispiel Putzfrauen oder Azubis.“
Kellerwohnungen wären da ein gutes Geschäft – für Makler und die Stadt. „Jeder redet ja über mangelnden Wohnraum, aber man muss nicht immer das Dachgeschoss ausbauen. Es gibt ja auch trockene Keller, und wenn einer Wasser hat, Toiletten und eine Heizung, wäre das durchaus für acht bis zehn Quadratmeter vermietbar.“
Leider, so der Experte, „ist die Stadt da nicht sehr kooperativ“.