Immer mehr Flüchtlinge in München: Widerstand in den Stadtvierteln
München - Die Zeiten, in denen die Münchner am Hauptbahnhof standen und mit Teddybären und Plakaten, die Geflüchteten willkommen hießen, scheinen lange her. Dabei muss die Stadt gerade wieder ähnlich viele Menschen unterbringen wie damals, 2015/16. Jeden Tag kommen gerade laut Regierung von Oberbayern fast 60 Geflüchtete im Ankunftszentrum an der Maria-Probst-Straße an. Hinzu kommen jede Woche bis zu 200 Geflüchtete aus der Ukraine.

Die Lage erinnert an den Sommer 2015
"Die Lage ist eigentlich wie damals”, sagt Gerhard Mayer. Als Chef des Amtes für Wohnen und Migration ist er dafür zuständig, dass die Stadt genug Betten für alle Geflüchteten bereitstellt. Er sucht zusammen mit einer Taskforce in ganz München nach Orten, die sich für neue Unterkünfte eignen. Doch für die Stadt wird es immer schwieriger, sie zu finden. In der nächsten Sitzung wird der Sozialausschuss über sieben neue Standorte für Unterkünfte entscheiden.
Insgesamt sollen dort 1362 neue Plätze für Geflüchtete entstehen. Allerdings reicht das nicht: Die Regierung von Oberbayern hat München damit beauftragt, 5625 Plätze zu schaffen. Davon sollen 4500 Plätze längerfristig genutzt werden, also über fünf Jahre lang, erklärt Mayer.
Neue Quartiere nicht vor 2025 fertig
Dafür müsse die Stadt Gebäude umbauen oder neue Anlagen auf Wiesen oder Feldern errichten. Das könne schon mal ein bis zwei Jahre dauern, sagt Mayer. Vor 2025 rechnet er nicht damit, dass die Stadt alle 5625 Plätze verwirklicht hat. Doch die Menschen, die vor Krieg und Hunger fliehen, brauchen jetzt einen Schlafplatz. Hinzu kommt: Auch anerkannte Geflüchtete tun sich schwer, in München eine Wohnung zu finden.
Etwa 2000 Personen leben laut Mayer noch in einer Asylbewerber-Unterkunft, obwohl sie eigentlich umziehen müssten. Doch günstiger Wohnraum ist knapp: 24 500 Menschen warten gerade auf eine Sozialwohnung.
Zeltstadt für 2.000 Menschen Thema im Stadtrat

Die Stadt wird deshalb eine Zeltstadt für 2000 Geflüchtete an der Messe zu schaffen, die Arbeiten dafür haben schon begonnen. "Ohne die Messe würden uns die Plätze ausgehen. Wir müssten auf Turnhallen zurückgreifen", sagt Mayer. Er ist derjenige bei der Stadt, der vielleicht am besten erklären kann, wie die Unterbringung der Geflüchteten funktioniert. Denn nicht alle bleiben hier.
Von den 200 Ukrainern, die jede Woche in München ankommen, werden laut Mayer etwa 50 bis 100 in andere Kommunen geschickt. Anders als andere Asylbewerber dürfen Ukrainer sofort eine eigene Wohnung und einen Job suchen und haben ein Recht auf Bürgergeld. Insgesamt sind in München 16.600 ukrainische Geflüchtete gemeldet. Etwa 3.000 von ihnen leben in einer Unterkunft. Der Rest wohnt bei Verwandten und Freunden oder hat eine Wohnung gefunden.
München soll elf Prozent der Geflüchteten aufnehmen
Die übrigen Asylbewerber, die nicht aus der Ukraine, sondern laut Mayer hauptsächlich aus Afghanistan, Syrien und seit Neustem auch aus der Türkei kommen, werden von dem Ankunftszentrum an der Maria-Probst-Straße zuerst in eine sogenannte Anker-Unterkunft weiterverlegt. Die befinden sich in München, Ingolstadt, Garmisch-Partenkirchen und Waldkraiburg. Sie sind laut der Regierung von Oberbayern zu 90 Prozent voll. Von dort aus geht die Verteilung weiter.
Rechtlich ist München dazu verpflichtet, rund elf Prozent der Geflüchteten in Bayern aufzunehmen. Doch diese Quote schafft die Stadt derzeit noch nicht, sagt Gerhard Mayer aus dem Sozialreferat.
Er ist auch dafür zuständig, in den Bezirksausschüssen und auf den Bürgerversammlungen Pläne für neue Unterkünfte vorstellen. "Super groß ist die Begeisterung nirgends", sagt er. "Meistens sind alle eher skeptisch." Und manchmal kann er das sogar nach vollziehen.
Im Stadtteil Johanniskirchen in Bogenhausen sollten zum Beispiel knapp 500 Plätze neu entstehen. Dort leben bereits 400 Asylbewerber. Aber dort leben nur 3.000 Bewohner. "Wir sehen es auch so, dass das nicht glücklich ist", meint Mayer. An der Anzahl der für Bogenhausen beschlossenen Bettplätze könne er nichts ändern. "Aber wir schauen gerade, ob wir doch einen Standort verlegen können - näher an die S-Bahnstation."

Den Chef des Bezirksausschusses in Bogenhausen, Florian Ring von der CSU, würde das freuen. Aus seiner Sicht verteilt die Stadt die Geflüchteten ungleich: Die Randbezirke müssten mehr aufnehmen als die Innenstadt. Dabei sei dort doch die ganze Infrastruktur, Schulen und Kindergärten. "Ich halte es für falsch, Geflüchtete in dunkle Ecken abschieben. Das sind doch Menschen wie Sie und ich." Der soziale Friede sei gefährdet. Und am Ende profitiere nur einer: die AfD.
Nicht überall ist man über die Ankunft erfreut
Auch in Allach gibt es Widerstand gegen eine geplante Unterkunft für 290 Menschen auf einem Acker, an der Servetstraße, der der Stadt gehört. "Der Standort ist nicht optimal”, sagt auch der Chef des örtlichen Bezirksausschuss Pascal Fuckerieder (SPD). Ihn stört vor allem, dass das Gebäude so groß wird, zwei oder drei Geschosse in einer Gegend, wo viele Einfamilienhäuser stehen. "Wir gehören zwar zur Stadt, aber wir sind doch dörflich", sagt er.
Dass die Geflüchteten in Allach unterkommen, dagegen habe er nichts: "Wir sind 36.000 Einwohner im Bezirk. Die Flüchtlinge machen nicht einmal ein Prozent unserer Bevölkerung aus. Die Menschen unterzubringen, ist unsere soziale Verantwortung.” Lieber wäre ihm aber gewesen, die Stadt würde die Geflüchteten auf mehrere Unterkünfte aufteilen. Doch einen anderen Standort in Allach fand die Stadt nicht. Die große Unterkunft wird also wohl kommen.
Geeignete Plätze in der Innenstadt zu finden, wird schwierig
"Es ist auf jeden Fall ein Problem, dass es in der Innenstadt zu wenig Flächen gibt", sagt Grünen-Stadträtin Clara Nitsche, selbst Sozialpädagogin. Auch sie findet es nicht optimal, dass Bogenhausen gerade am meisten Geflüchtete aufnehmen muss. "Aber die Stadt bemüht sich wirklich, wirklich um eine gerechte Verteilung."
In der nächsten Sozialausschuss-Sitzung wird der Stadtrat auch neue Unterkünfte in Milbertshofen (180 Plätze in einem Hotel), in der Maxvorstadt (69 Plätze in einer Wohn- und Gewerbeimmobilie), in Obergiesing (470 Plätze in einem ehemaligen Pflegeheim) und in der Schwanthalerhöhe (260 Plätze in zwei Bürohäusern) beschließen. "Der Bezirksausschuss dort hat sofort zugestimmt und gesagt: Wir wollen solidarisch sein”, erzählt Nitsche.
Die Flüchtlingssituation in München und Bayern
Die steigende Zahl der Geflüchteten in Bayern stellt den Freistaat und seine Landeshauptstadt vor große Herausforderungen. Allein in Oberbayern zählt das Bayerische Landesamt für Statistik Anfang Dezember rund 137.600 Schutzsuchende, etwa 58 500 von ihnen in München. Die AZ zeigt Ihnen in einer neuen Serie die Situation aus Sicht der Politiker, der Geflüchteten und der Helfer.